Purkersdorf Online

Purkersdorf woher und wohin?


Memorandum zur Stadtentwicklung

Purkersdorf

Bekanntlich wird derzeit in Purkersdorf ein Stadtplanungskonzept erarbeitet. Es geht um das Wohin.

Dabei sollte es zunächst ganz grundlegend um die Frage gehen, in welche Richtung soll sich Purkersdorf entwickeln? Das Wohin ist aber sinnvoll nur zu beurteilen, wenn das Woher und die Frage, warum die Entwicklung so gekommen ist, geklärt ist:

Zunächst ist bei jeder Siedlung die grundlegende "Idee" oder das grundlegende Wesen zu bestimmen. Warum kam es hier zu einer Siedlung und zu einer weiteren Entwicklung? Dazu sind für Purkersdorf jedenfalls folgende Grundfaktoren wichtig:

Verkehr

Schon die Keltensiedlung am Georgenberg dürfte wahrscheinlich aufgrund der Gabelung von Wegen (Wiental-Gablitztal-Riederberg) und jeweilige gute Einsichtnahme hier geschaffen worden sein. Die letzten Jahrhunderte war Purkersdorf vor allem als erste Poststation nach Wien definiert. Der Verkehr ist jedenfalls im engen Tal ein prägendes Element. Wir haben die Westbahn, die B1, die B44 und nicht zuletzt auch die Autobahn.

Wiennähe

Im 20. Jahrhundert griff die Tendenz der Wanderung aus Wien ins Umland immer mehr um sich und verstärkte sich insbesondere in den letzten Jahren. Der wesentliche Faktor dafür ist einfach die Nähe zur Großstadt bei gleichzeitig schöner Umwelt. Im Purkersdorfer Lied (geschaffen vor etwa 30 Jahren) heißt es: "Wir san Stadtleut´ neb´n die Weana". Die Wiennähe wurde daher zu einem immer prägenderen Element. Purkersdorf ist jetzt komplett ein Teil der Region Wien.

Vom Dorf zur Stadt und schneller Wechsel

Purkersdorf war bis vor etwa 100 Jahren ein Dorf. Es hat im 20. Jahrhundert eine Vergrößerung erfahren, wie nur wenige andere Orte. Vor 1970 wurde Purkersdorf auch offiziell zur Stadt. Dieser Zuwachs und Wechsel ist prägend für das soziale leben geworden. Der typische Purkersdorfer ist schon der Zuagraste.

Wienerwald

Der Ende des 19. Jahrhunderts Gottseidank gerettete Wienerwald bedeckt einen großen Teil des Gemeindegebiets. Wir sind eine Wienerwaldstadt.

Kann und soll Purkersdorf weiter wachsen?

Zur Frage Wohin: lange Zeit strebte zuerst die ÖVP in Purkersdorf und dann die SPÖ in den 90er-Jahren direkt ein Bevölkerungswachstum an. Zuletzt mit der kurzsichtigen Überlegung, mehr Leute - mehr Geld durch den Finanzausgleich. Faktum war und ist aber, daß diese Rechnung nicht nur nicht aufgeht, sondern sich ins Gegenteil verkehrt. Mehr Bevölkerung heißt mehr Infrastruktur, z. B. aktuell, Wasserbehälter und Kläranlagen um Dutzende Mio. S.

Viele in Purkersdorf fordern nun eine Begrenzung der Ansiedlung. Jedenfalls kann ein weiteres Wachsen kein deklariertes Ziel sein, allerdings ist nüchtern festzustellen, daß aufgrund der jetzigen Flächenwidmung allein eine Nutzung der noch vorhandenen Baureserven im zuletzt durchschnittlichen Sinne eine Bevölkerungszahl von etwa 14.000 Leuten bedeuten würde, das wäre schon eine Zunahme um etwa 50 %. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß auch auf den derzeit bebauten Gründen aufgrund der Bebauungsvorschriften noch (viel) dazu gebaut bzw. neu gebaut werden kann. Grob geschätzt könnte so Purkersdorf langfristig auf 20- 25.000 Einwohner anwachsen. Dies ist natürlich absolut nicht wünschenswert, kann aber nicht leicht verhindert werden, da in gewissem Sinne ein Rechtsanspruch auf eine maximale Bebauung besteht bzw. eine solche Sicht möglich ist.

Daher geht es bei der Überarbeitung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans nach Fertigstellung des Entwicklungsplans darum, systematisch und letztlich von Parzelle zu Parzelle zu untersuchen, ob eine Rückstufung der Bebaubarkeit möglich und zweckmäßig ist, d. h., grundsätzlich sollte eine geringere Grundinanspruchnahme angestrebt werden. Eine generelle Rückwidmung ist in Einzelfällen nach der jetzigen gesetzlichen Lage möglich. Z. B., wenn das Grundstück dunkel und feucht ist. Im allgemeinen könnten jedoch sonst Ersatzansprüche geltend gemacht werden. Jedenfalls ist hier die rechtliche Lage nicht wirklich klar. Klar ist nur, daß sich die Gemeinde nicht Abermillionen an Ablösen leisten kann.

Faktum ist, daß diese Entscheidungen, nach denen Purkersdorf eigentlich weiter auf gewaltige Weise wachsen kann, in früheren Jahrzehnten getroffen worden sind und jetzt, nüchtern betrachtet, nur mehr - möglichst stark - abgebremst werden können.

Ein eigenes Problem ist die Frage der Bodenpreisentwicklung, wenn der bebaubare Boden in Purkersdorf vermindert wird. Bei einer normalen Marktentwicklung würde dies jedenfalls zu höheren Preisen führen, was wiederum zu einer Änderung der sozialen Schichtung führt, weil sich Wenigerverdienende hier dann weniger ansiedeln würden.

Ein komplettes Abschotten, d. h., ein Zuwanderungsstopp, ist zwar denkbar, aber aus den angeführten Gründen rechtlich in dieser Form unmöglich und letztlich auch nicht wünschenswert, da dies zu versteinerten abgeschlossenen Strukturen führen würde.

Einige Prinzipien für die Stadtentwicklung:

Der Wald ist heilig

Außer Baulöwen stellt diesen Grundsatz derzeit zwar niemand in Frage, aber es ist wichtig, hier absolute Barrieren für die Zukunft zu errichten. Und zwar nicht nur aus Naturromantik, sondern auch aus Selbstschutz: ziemlich unbestritten ist, daß sich durch die Klimaveränderungen auch der Grundwasserhaushalt etwas im Jahresverlauf verändert und an den Hängen hier grobe Probleme wie Überflutungen und Rutschungen auftreten würden, wenn der Wald nicht den bisherigen Wasserhaushalt möglichst stabil hält.

Die Bodenversiegelung ist so minimal wie möglich zu halten.

Der Boden ist als fruchtbare Erde ein ökologischer Wert für Pflanzen und Tiere. Aber auch direkt für den Menschen, da er z. B. Wasser versickern läßt und nicht in ev. überlastete Kanäle leitet.

Das heisst konkret, Rückwidmung und Verminderung der Bodenbebaubarkeit so weit wie möglich.

Bauen mit der Sonne.

Die Sonne ist die wichtigste Orientierung für den Menschen. Die bringt Energie und Leben. Gebaut werden soll in Zukunft im wesentlichen dort, wo eine günstige Sonneneinstrahlung gewährleistet ist.

Wiesen sind das ökologisch Wertvollste in Purkersdorf.

Purkersdorf besteht praktisch nur mehr aus Wald und Bauland. Die Wiesen wurden in den letzten Jahrzehnten systematisch bebaut. Es sind nur mehr wenige übergeblieben. Gerade auf den Wiesen ergibt sich aber eine riesige Vielfalt an Pflanzen und Kleintieren. Es muß alles getan werden, die bestehenden Wiesen entsprechend zu pflegen und zu erhalten. Sie sollen weder bebaut werden noch "verwalden", weil der Waldanteil sowieso schon groß ist und hier eine ökologische Verengung eintreten würde. Dazu wird konkret ein sogenanntes "Kulturlandschaftsprojekt" angeregt, das letztlich darauf hinausläuft, die bestehenden Wiesen durch konkrete Anreize zu erhalten sowie die bestehende Biotopkartierung in den Flächenwidmungs- und bebauungsplan sinnvoll einzubeziehen.

Siedlung entlang von Stationen von Bus und Bahn

Die Verkehrslawine ist - obwohl wir das oft nicht wahrhaben wollen - zu einem großen Teil in der Stadt selbst begründet. Dies hängt mit der bestehenden Siedlungsstruktur zusammen. In der Baunzen z. B. ist es schwer, ohne Auto zu leben. Für künftiges Bauen ist daher die günstige Anbindung an attraktive öffentliche Verkehrsmittel eine Notwendigkeit. Abseits davon soll nicht weiter verbaut werden, da dadurch die Verkehrslawine weiter anschwillt. D. h., Reihenhäuser, z. B. in der Hohenwartergasse zwecks Grundverwertung sollten in diesem Sinn nicht nachgeahmt werden. Unmittelbar neben Bahnstationen könnte aber verdichtet gebaut werden.

Stärkung des Zentrums

Wesentlich für eine Stadt ist ihr Zentrum. Schon im Altertum war das Zentrum der Ort der Begegnung und in diesem Sinne ist das Zentrum auch weiter ein Faktor letztlich auch für die demokratische Gestaltung der Stadt. Wenn sich die Stadt auflöst a la Los Angeles und sich die Leute nur mehr zufällig im Supermarkt am Parkplatz treffen, dann vereinzeln die Leute. Das Purkersdorfer Zentrum ist in seiner Bedeutung bekanntlich derzeit schwer gefährdet. Eine Stärkung des Zentrum heißt, daß außerhalb des Zentrums Infrastruktur nur in absoluten Ausnahmefällen zu genehmigen ist. Stärkung des Zentrums heißt, daß die Fuß- und Radwege zum Zentrum verbessert bzw. geschaffen werden und nicht zuletzt, daß die Parkplatzsituation besser geregelt wird.

Wienerwaldstadt, wohin?

Purkersdorf liegt mitten im Wienerwald. Die Ansiedlung der Bundesforstezentrale unterstreicht diesen Zustand. Den Begriff "Wienerwaldstadt" mit Leben zu erfüllen, heißt aber ganz konkret auch vorbildliche, umweltverträgliche Lösungen für die Energie- und Verkehrsprobleme. Umweltmusterstadt nicht als billiger Gag, sondern echt.

Schwerpunkte für Arbeitsplätze und Regionale Wirtschaftspolitik

Leider war die Wirtschaft Purkersdorfs nie ein besonderes Thema für die Gemeinde. Entwicklungen ergaben sich, oder ergaben sich eben nicht. Es ist höchst an der Zeit, daß Purkersdorf hier Akzente und konkrete Ansiedlungsmaßnahmen für Betriebe setzt. Allerdings ist die Zeit der Ansiedlung von Großbetrieben sowieso schon längst vorbei. Es geht um die Ansiedlung von kleinen zukunftsträchtigen Betrieben. Der Vorschlag dazu insbesondere im Bereich Ökotechnologie und Software - Internet - neue Medien. Dabei geht es nicht so sehr um Geld, sondern um die Organisierung von Beratungen und Wirtschaftinfrastruktur. Folge davon wäre ein schrittweises und gesundes Wachstum an hochwertigen Arbeitsplätzen in Purkersdorf. Dadurch wieder würde der Pendelverkehr vermindert.

Wertvollstes Kapital: die Menschen.

Das wertvollste Kapital im Vergleich zu anderen Gemeinden liegt in den vielfältigen Qualifikationen und Arbeitserfahrungen der PurkersdorferInnen. Wenn auch nur ein kleiner Teil dieses Kapitals für Purkersdorf direkt gebündelt werden könnte, so wäre das riesiger Schub in der Stadtentwicklung.

Eine wirtschaftliche Tendenz ist, die Dezentralisierung, letztlich das Arbeiten zuhause. Hier wäre einiges möglich, ohne das sozial fragwürdige Modelle unterstützt werden.

Im übrigen ist etwa Perchtoldsdorf vom Land zu einer von 5 Muster - Telekommunikationsgemeinden erklärt worden. Auch hier könnte die Gemeine vieles nachholen. Eine eigene Frage ist die nach einem neuen Schub an Tourismus in Purkersdorf, wobei es den Tourismus als Gesamtheit zugegebenermaßen nicht gibt, sondern nur einige Betriebe jeweils völlig allein hier tätig sind. Die Übernachtungszahlen sind zwar vergleichsweise hoch. Die Wertschöpfung in der Gemeinde ist gering, weil es vor allem um Übernachtungen im Wientourismus geht. Auch hier sollte eine Gesamtkonzept mit einem Ökoschwerpunkt unter dem Motto "Wienerwald" angegangen werden.

Was ist möglich?

Anhand der Entwicklung des nachbarlichen Tulln kann abgesehen werden, daß innerhalb von Jahrzehnten eine ganz bedeutende Wirtschaftsentwicklung grundsätzlich möglich ist. Dabei ist aber das konkrete Beispiel Tulln im Detail sicher nicht nachahmenswert bzw. auch gar nicht möglich. Riesige Bodenverluste durch breitflächige Betriebe, Einkaufszentren am Rand und nun schon die 3. Umfahrung sind bei uns sowieso schwer denkbar.

Purkersdorf könnte sich jedenfalls als regionales Zentrum am Stadtrand von Wien profilieren: "Hauptstadt" des Wienerwalds und auch als "Hauptstadt" für eine umwelt- und menschenverträgliche Entwicklung. Viele andere Möglichkeiten außer Schlafstadt gibt es ohnehin nicht.

Mag. Josef Baum


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Letzte Änderung: 2001-05-21 - Stichwort - Sitemap