Purkersdorf Forum Archiv 2005
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Manfred Bauer ® sagt am 29.09.2005 14:36 zu werner d. ?:Erster Beitrag

Re: Bundeshymne


deine idee der neukomposition ist zwar mindestens ebenso alt wie die debatte um die neutralisierung des textes der "aktuellen" bundeshymne und ich finde auch dass es höchste zeit ist dieses veralterte werkel mal auszutauschen. doch ich fürchte dass eine gerechte vergabe der neukomposition und der neutextung ein neuerliches fressen für alle oppositionierer, regierer, polemisierer werden würde. welches gremium würde denn sowas entscheiden? und was passiert mit dem "vater"land und der "mutter"sprache? und allen sonstigen geschlechtlich zugeordneten wörtern?

da sind doch andere, wesentlichere entscheidungen für beiderlei geschlecht viel wichtiger!


Lieber Werner d.
Ob die Idee einer neuen Bundeshymne alt oder neu ist, sollte angesichts der Wichtigkeit des Themas von geringem Belang sein. Wenn das Projekt ein "neuerliches Fressen für Polemisierer" ist, so bestätigte dies nur die Richtigkeit der Debatte. Das entscheidungsbefugte Gremium könnte/sollte sich aus KünstlerInnen/KulturarbeiterInnen rekrutieren, die über ausreichende Autonomie und große Distanz zum Mainstream verfügen. Hier ließe sich trefflich aus dem Vollen schöpfen, von Jelinek über Röggla, von Schindel über Menasse bis hin zum Talentepool (noch) unbekannter AutorInnen (gilt auch für KomponistInnen). Für den Ersatz von Ausdrücken wie "Vaterland" (wie wär`s z.B. mit "unser Land" oder "dieses Land")wäre ausreichend gesorgt; und wer weiss, vielleicht käme eine neue Bundeshymne ohne diese antiquierten Sprachfiguren aus?
Deine finale Feststellung, es seien "wesentlichere Entscheidungen für beide Geschlechter wichtiger", halte ich insoferne für problematisch, als Du damit (wie andere auch)den Versuch der Einführung einer Themenhierarchie unternimmst. Eine solche Hierarchie widerspricht zum einen demokratischen Grundsätzen, zum anderen reduziert sie die Sicht auf das wahre Ausmaß der prekären sozioökonomischen und soziokulturellen Lage in Österreich, insbesonders der der Frauen. Freilich sollten Themen wie die immer weiter auseinander klaffende Einkommensschere diskutiert werden (wieso tut das in diesem Forum niemand?), freilich sollte die massive soziale Schieflage in ÖsterREICH ebenso wie die unsoziale Steuerpolitik usw. heftigst thematisiert/stigmatisiert werden. Das heißt für mich aber nicht, Themen auf der symbolischen und ideologischen Ebene (und dazu zählt die Bundeshymne nun einmal), aus dem Diskurs auszuklammern. Oder bestenfalls auf den Tag zu verschieben, da Frau gleich viel (hoffentlich nicht gleich wenig) wie Mann verdient. Ich bin dagegen der Überzeugung, dass eine enge und dialektische (hoffentlich kannst mit diesem Wort leben)Beziehung zwischen Sprache sowie Vorstellung und tatsächlicher Lebensrealität existiert. Die notwendige und radikale Aufwertung der Rechte der Frauen (privat, beruflich etc)muss sich nämlich auch in den Köpfen (vor allem in den Köpfen vieler Männer) abspielen. Und dazu sind auch Diskussionen auf der Ebene der Sprache und der Symbole notwendig. Ich für meinen Teil möchte das nicht auf irgendwann verschieben, zumal ich überzeugt bin, dass es nur dann zu radikalen (d.h. bei den Wurzeln ansetzenden) Reformen kommt, wenn die tatsächliche Lebensrealität und ihre Widerspiegelung in den Köpfen nicht ihren Zusammenhang verlieren.

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