Purkersdorf Online

Europa-Kampagne für Sozialunion mit Wertschöpfungsabgabe


32 Millionen Menschen in Europa sind arbeitslos, 72 Millionen Menschen von massiver Armut bedroht, die Zahl der Working Poor breitet sich mit rasanter Geschwindigkeit aus: Eine Vermessung der europäischen Soziallandschaft der Gegenwart muss zur Zeit entlang dieser und ähnlicher Zentralkoordinaten laufen.

Doch ungeachtet der sozialen Versteppung und Verödung setzt die offizielle EU - Politik weiterhin auf Wachstum und Wettbewerb. Vor allem der Wettbewerb in einem völlig liberalisierten, unregulierten Markt gilt den neoliberalen Heilsverkündern als die Schlüsseltechnologie schlechthin.

Der Tyrannei des Wettbewerbs und der sozialen Verwerfungen setzt das internationale NGO - Netzwerk "solidar" jetzt massiven Widerstand entgegen. Mit der europaweiten Kampagne "Save Our Social Europe", die am 2. Februar in Wien ihren Auftakt hatte, wollen die Organisatoren, darunter der Samariterbund und die Volkshilfe, den Kampf für ein soziales Europa führen. "Wir wollen überall auftreten, wo soziale Kürzungen und Streichungen vorgenommen werden, bei den Krankenhäusern, bei den Pflegeheimen, bei den Rettungsorganisationen", skizzierte Erich Fenninger, Initiator der Kampagne und Geschäftsführer der Volkshilfe Österreich, die geplanten Aktivitäten.

Karl Blecha, ehemaliger sozialdemokratischer Innenminister Österreichs und heute Präsident der Europäischen Seniorenvereinigung ESO, warf die Frage der Finanzierbarkeit eines sozialen Europas auf, indem er die Forderung nach einer "Wertschöpfungsabgabe" reanimierte. Nichtproduktive Einkommen und Gewinne müssten zur Finanzierung von Sozialleistungen herangezogen werden, zeigte sich der SeniorInnenvertreter überzeugt. In dieselbe Kerbe schlug auch Wilhelm Schmidt, Präsident der Arbeiterwohlfahrt Deutschland: "Es kann nicht sein, dass einzelne Wohlhabende und die Wirtschaft in Europa profitieren, aber an der Mitfinanzierung des Sozialsystems nicht teilnehmen." Schmidt betonte, dass die Folgekosten von verfestigter Armut und Arbeitslosigkeit in Europa ein Vielfaches der heute anfallenden Kosten zur Finanzierung eines sozialen Europas ausmachen würden.

Europäische Sozialverträglichkeitsprüfung

Als eines der zentralen Postulate der Konferenz nannten Anne Marie Sigmund, Präsidentin des europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie Giampiero Alhadeff, Generalsekretär der "solidar", die Einführung einer "Sozialverträglichkeitsprüfung" in Europa: Alle Maßnahmen, die auf europäischer Ebene getroffen werden, seinen auf ihre soziale Verträglichkeit hin zu überprüfen.

Alfred Gusenbauer, SPÖ-Vorsitzender, betonte in seiner Inauguraladresse, dass gerade die wettbewerbsfähigsten europäischen Staaten die mit dem höchsten Sozialniveau seien; die Union benötige daher einen Kurswechsel. Der SPÖ-Vorsitzende zeigte sich davon überzeugt, dass das neoliberale Konzept scheitern werde. Letztlich könne nur eine Politik erfolgreich sein, die die fundamentalen Interessen der Menschen - Arbeit, Sicherheit, Gesundheit - ernst nehme und ihnen Priorität einräume.

Zu den Höhepunkten der zweitägigen Konferenz, die in den kommenden zwölf Monaten mit Folgeveranstaltungen in allen europäischen Metropolen fortgeführt wird, zählte eine Kundgebung der Konferenzteilnehmer am Ballhausplatz. Es müsse verhindert werden, dass die Menschen zu Nomaden der Wirtschaft denaturierten, hieß es bei der Kundgebung, Armut sei kein Naturgesetz , sie werde produziert. Und zwar durch eine falsche, durch eine neoliberale Politik. Europa müsse daher eine Sozialunion werden, oder es werde keine Union geben.

Das Finale der Kundgebung bildete der Vortrag eines Premierentextes von Literaturpreisträgerin Elfriede Jelinek. Die Schauspielerin Petra Morzé las den Text vor, der eigens für „Save Our Social Europe“ verfasst wurde. Jelinek setzt sich darin mit der "Utopie einer besseren Realität für Menschen" auseinander: "Vielleicht kann sich irgendwann einmal diese Intention der Gleichheit aller Menschen, die Selbstverständlichkeit, dass alle genug Mittel haben müssen, um ihr Leben zu erhalten und nicht nur zu fristen, im Bewusstsein der einzelnen Individuen verankern.“

Einig waren sich die Konferenzteilnehmer in der Überzeugung, dass ein gut ausgebildeter und fest verankerter Sozialstaat auf nationaler und kontinentaler Ebene einen wichtigen Produktionsfaktor darstelle. Die Realität eines Sozialstaates stehe keineswegs im Widerspruch zu Standort- und Wettbewerbskompetenz, wie die neoliberale Propaganda vielfach trommelt.

Der am zweiten Konferenztag verabschiedete Forderungskatalog für ein soziales Europa kann im Internet von den BürgerInnen Europas mit ihrer Stimme unterstützt werden (www.soseurope.org). Damit, so die Organisatoren, wird die in Wien gestartete Kampagne "Save Our Social Europe" zur ersten „europäischen Volksabstimmung“.

Dr. Manfred Bauer/ASB Pressebetreuung
(0699-107 67 358)


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Letzte Änderung: 2006-02-04 - Stichwort - Sitemap