Purkersdorf Online

Ihr Kind ist anders


Mag. Martina Kohlbacher-Hess Tullnerbachstr.7/1/2
3002 Purkersdorf
Tel.: 02231 - 65 75 0

Das Leben nach der Diagnose "IHR KIND IST ANDERS"
EIN ERFAHRUNGSBERICHT

Mit einem Jahr wurde bei meiner Tochter eine Entwicklungsverzögerung diagnostiziert mit unklarem Verlauf, d.h. eine dauerhafte Behinderung konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden.

Während ihres ersten Lebensjahres traten einige Ereignisse auf, welche aus meiner heutigen Sicht Einfluß auf ihre Entwicklung genommen haben. Marlene waren bei ihrer Geburt "normal" groß und schwer, nämlich 52 cm groß und 3380 g schwer, Schwangerschaft und Geburt verliefen völlig normal. Die ersten Monate nach der Geburt nahm sie jedoch wenig zu , da ihr das Trinken von der Brust schwer fiel. Erst nach drei Monaten akzeptierte meine Tochter das Stillen und wird konnten auf Zusatznahrung bzw.. abgepumpte Muttermilch in der Flasche verzichten. Bei den ersten MUKI - Untersuchungen zeigte sich uns ein gesundes Baby mit der Ausnahme, daß sie aufgrund der Enge im Mutterleib und ihrer Größe einen Sichelfuß hat. Für die ersten Monate wurde uns eine spezielle Massage verordnet. Nachdem der Fuß nicht besser wurde, mußten beide Beine und Füße für 6 Wochen eingegipst werden. Jeglicher Kontakt mit ihren Füßen und Beinen war dadurch verhindert. Bevor der Gips verpaßt wurde, entdeckte sie gerade ihre Füße und spielte mit ihnen. Während und vor allem nach dieser Zeit war Marlene sehr passiv. In der Folge wurde ihre Verzögerung immer deutlicher , mit 18 Monaten begann sie zu krabbeln und mit 26 Monaten zu gehen.

In wieweit das Eingipsen sowie die relativ geringe Gewichtszunahme einen Einfluß auf ihre Verzögerung hatten, nun darauf werden wir keine Antwort finden. Da sie keine Zwillingsschwester hat, die unter gleichen Bedingungen in die Welt gekommen ist, läßt sich ein Zusammenhang nicht wirklich feststellen. Jedoch aus vielen Gesprächen mit Eltern von behinderten Kindern weiß ich, daß immer Ursachenforschung betrieben wird. Wir wollen wissen, warum und woher jenes "anders sein" unserer Kinder kommt.

Zum Zeitpunkt der Diagnose fühlte ich mich sehr alleine und für mich brach eine Welt zusammen, obwohl ich den Verlauf sehr wohl beobachtete. Im Vergleich mit den Kindern aus der Stillgruppe lag sie einfach sehr, sehr weit hinten. Die Ärzte beruhigten uns und verwiesen auf unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten sowie ganz einfach auf die Zeit, die speziell für meine Tochter notwendig sei. Wir ließen uns auch gerne beruhigen und waren dankbar dafür. Um so mehr traf uns dann die Diagnose, vor allem auch die große Unsicherheit die diese Diagnose mit sich bringt. Entwicklungsverzögerung ist, wie viele andere Diagnosen im Kleinkindalter,, eine Diagnose, die den endgültigen Verlauf über Jahre offen läßt. Dies erzeugt natürlich große Unsicherheit und spannt den Bogen von Hoffnung zu Verzweiflung.

Ich wollte mich mit anderen betroffenen Eltern austauschen, leider gab es zu diesem Zeitpunkt kein entsprechendes Angebot. Für die Kinder werden optimale Therapiepläne zusammengestellt, und die Eltern werden mit ihren Ängsten alleine gelassen. Aus eigener Erfahrung weiß ich jedoch, daß meine Stabilität für die Heilung meiner Tochter genauso entscheidet ist wie ihre Therapien. Es ist notwendig, die betroffenen Eltern auf die Pflege ihrer Psychohygiene aufmerksam zu machen. Damit meine ich, das Angst und Unsicherheit krankmachende Faktoren sind und zu einer Störung unserer seelischen und geistigen Gesundheit führen können und dadurch die harmonische Beziehung zu unseren Kindern massiv beeinflußt. Ich habe beobachtet, daß Kinder, welche körperlich und geistig mit "weniger" ausgestattet wurden, ein "mehr" an Seele besitzen, und besonders sensibel reagieren, wenn es zur Störung in der zwischenmenschlichen Beziehung kommt. Wir Eltern müssen uns mit unserer Unsicherheit und Angst auseinandersetzen. Je besser es gelingt, die Ängste zu begreifen und zu lösen, desto stabiler und zufriedener ist der tägliche Kontakt mit unserem Kind.

Ich empfehle dazu eine Elterngruppe bzw. das Gespräch mit anderen, die in einer ähnlichen Situation sind. Da man oft mit den Problemen alleine ist und nicht weiß, an wen man sich wenden kann, bietet die Elterngruppe die Möglichkeit, Sorgen, Probleme und Ängste mit anderen betroffenen Eltern zu teilen. Es ist ganz wichtig, Kontakt aufzunehmen, da man sich sonst nur allzu leicht selbst isoliert. Mit Menschen, die ein ähnliches Schicksal haben, fühlt man sich nicht so allein.

Die Elterngruppe im Nanaya (Adresse sie unten) richtet sich an alle Eltern, deren Kinder entwicklungsverzögert, frühgeboren, behindert oder einfach anders sind. Die Gruppe ist keine Therapie, wir sprechen über den Alltag und tauschen Tipps aus. Und gemeinsam wachsen wir an unserer Aufgabe, vor allem durch die gemeinsame Betroffenheit, und durch den Mut zu dem "ANDERS SEIN" unserer Kinder zu stehen. Geleitet wird die Gruppe von einer Hebamme und einer Psychologin, beide sind Mütter von "besonderen" Kindern. Für mich war und ist die Elterngruppe eine hervorragende Möglichkeit, zu mir und zum Anders sein meiner Tochter zu stehen.

Mittlerweile ist meine kleine Maus 2 ½ Jahre alt und beginnt sich in der Welt zu orientieren und Freude zu haben, sie geht und beginnt mit uns zu kommunizieren. Seit sie 2 Jahre alt ist, geht meine Tochter halbtags in die Kinderstube. Dort ist sie völlig integriert und liebt es, mit anderen Kindern zu spielen. Die Gruppe ist klein, für sie gut überschaubar. Die Leiterin ist selbst Mutter eines Kindes mit Entwicklungsverzögerung und sehr aufgeschlossen und offenherzig für die "besonderen Bedürfnisse" von "besonderen Kindern". Integration und Gemeinschaft wird in der Kinderstube wirklich gelebt.

Ich wünsche allen Eltern, die in einer ähnlichen Situation sind wie wir, viel Kraft, Mut und Verständnis für das anders sein und vor allem stehen sie zu ihrer Unsicherheit und suchen sie sich die Unterstützung, um diese in ihr Leben zu integrieren. Diese Akzeptanz und Integration der Behinderung dauert seine Zeit und ist aus meiner Sicht ein Prozeß, der täglich abläuft.

Anbei habe ich Ihnen jene Adressen und Veranstaltungen zusammengestellt, welche für mich und meine Familie sehr hilfreich sind:

ELTERNGRUPPE: Unser Kind ist anders

Nanaya - Beratungsstelle für Schwangerschaft, Geburt und Leben mit Kinder

1070 Wien , Zollergasse 37 - Tel.: 01/523 17 11

jeden 2.Mittwoch im Monat - von 19.00 bis 21.00 Uhr - Unkostenbeitrag: öS 80,-


KINDERSTUBE: Teddybär

Kaiser-Josef-Str. 57-63/15, 3002 Purkersdorf, Inh. Mag. Hedwig Nagy, Tel.: 0664 183 00 21


ERGOTHERAPIE: Mag. Elisabeth Söchting, 1230 Khekg. 21, Tel.: 01/ 869 65 89


PHYSIOTHERAPIE: Wiebke Zmölnig, Praxen im 19. Bezirk u. in Perchtoldsdorf, Tel.: 01/478 28 69


OSTEOPATHIE: Ulrike Weber-Mandl, 1040 Wien, Goldegggasse 34/26, Tel.: 01/504 43 28


ÜBERBLICK über institutionelle Angebote:

"Frühe Hilfen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder in Wien" - herausgegeben von der Koordinationsstelle der Arbeitsgemeinschaft Frühförderung

1194 Wien, Muthgasse 62, Tel.: 01/4000 850 76


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Letzte Änderung: 2001-05-10 - Stichwort - Sitemap