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Albanien - Reisebericht


Verbreitete Unkenntnis von einem nahen Land

Nur 1,5 Flugstunden von Wien entfernt liegt Tirana, die Hauptstadt Albaniens. Und doch ist dieses Land am Balkan so weit entfernt von uns in unserem Denken.

KircheMeinungen, es sei dort gefährlich, Albanien wäre das Armenhaus Europas etc. waren der einzige Kommentar vor dem Reiseantritt. Derzeit gibt es wohl Konflikte am Balkan, jedoch im Nachbarland Mazedonien. Würde man nach Jordanien zu reisen beabsichtigen, erwähnte niemand, daß es dort gefährlich sei, weil im Nachbarstaat Israel Konflikte eskalieren.

Was schaut man in Albanien an? Dort gibt´s doch nichts außer Zerstörung, karger Landschaft, Hitze... Jahrtausende alte Städte aus der Römer- und Griechenzeit wie z. B. Byllis, Appolonia, Butrint, welche an strategisch wunderbaren Plätzen hoch über den Tälern zu finden sind sowie wunderschöne altromanische Kirchen wie z. B. Mesopotam oder Labova, versteckt in den Bergen; mediterran anmutende Städtchen wie Girokastra laden auf einen Bummel ein. Und die herrliche Landschaft! Sanfte Hügel, schroffe Berge, bei denen man die Faltung von Gebirgen in Urzeiten studieren kann, Ebenen, die fruchtbar sind - eine Wohltat.

Der Tourismus ist, für unsere Gruppe zum Guten, nicht sehr ausgeprägt. Es gibt jedoch funktionierende Infrastruktur! Die Angestellen in Hotels und Restaurants sind dienstbeflissen, fast übertrieben. Man fühlt sich wohl! Die Mahle sind vielfältig; Fisch, Fleisch, jedesmal Salat. Das Wasser kommt von den zahlreich vorhandenen Bergen und deshalb ist das Essen eher bedenkenlos zu genießen.

EselDie Albaner sind neugierig, hilfsbereit und, wenn man das undurchsichtige "Albanisch", welches schön klingt ob seiner gerollten "r " wie im Englischen, nicht zu verstehen vermag in kurzer Zeit, mit Italienisch gibt es keine Probleme (Besetzer in diesem Jahrhundert). Englisch wird auch gelernt; Serbokroatisch wird überhaupt nicht verstanden. Albanien ist größtenteils moslemisch; jedoch ist diese Religion dort ohne Inhalte. Diktator Hodscha verbot jegliche Ausübung, da diese die Ziele des Kommunismus beeinträchtigen hätte können. Die Leute wissen demnach nicht, was im Zuge dieses Glaubens in der Moschee oder zuhause zu tun sei. Auch auf der Straße kann man den Islam nicht erkennen - die Kleidung ist westlich, oft auch gewagt bei den Damen.

Am Ende der kommunistischen Ära versuchte man sich in Demokratie und Kapitalwirtschaft. Es wurde eine Partei gewählt, welche in ihrer Amtsperiode die vorgegebenen Ziele (natürlicherweise) nicht erreichen konnte und schon wurde bei der nächsten Wahl die ideologisch entgegengesetzte Partei gewählt.

Dann kam das Pyramidenspiel, welches 1997 eine Anarchie auslöste. Staatsbank und Ministerien waren in die verworrenen Geldflüsse verwickelt und zogen der Bevölkerung ihr Kapital ab. Fazit war eine Plünderung aller öffentlichen Güter, sogar der Waffenlager und Flughäfen. Mit dem Traktor schleppte man kleine Flieger in den Garten nachhause.

Die nachkommende Regierung versuchte die Mehrheit der Waffen um ungefähr US 20,-- pro Stück retourzuerstehen, hatte aber gegen die Konkurrenz, welche durch den anschwellenden Kosovokonflikt erwuchs, keine Chance. Wer mehr bietet, erhält den Zuschlag.

GeschäftViele Albaner, vorwiegend aus dem Norden des Landes, flüchten auf abenteuerliche Weise nach Italien, um dort einen Job zu finden. Dies gelingt jedoch nur einem Teil. Da die Leute "wieder arbeiten und viel gebaut wird", wie mir eine Albanerin, welche in den USA studiert erklärte, ist zu hoffen, daß die Menschen wieder Vertrauen in die albanische Wirtschaft entwickeln und das Land weiter aufbauen.

In Tirana findet man an einer Ladentür den großen Aufkleber "Euroshop" in gelb und dunkelblau; es gibt zahlreiche Internetcafés und die Handies können mit einem besseren Empfang rechnen als mancherorts in Österreich. Viele technologische Entwicklungsstufen werden übersprungen, Albanien steht dem Westen im IT-Bereich (Importwaren) gleich.

Albanien möchte endlich aus dem "Hinterhof Europas" heraustreten, wahrgenommen werden als das, was es ist und bieten kann.

Wenn das Potential und die alten Traditionen, welche in diesen mutigen, zukunftsorientierten Menschen stecken, im Zuge der Globalisierung positiv eingesetzt werden können, wird Albanien für uns ein Begriff mit vielfältigem Inhalt werden.

Susanne Wallner, Purkersdorf, 2001


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