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Amazonas


An den Amazonas zu fliegen, nach Manaus, in eine Stadt mitten im Dschungel, welche nur über Wasserwege oder Flugrouten zu erreichen ist, und das vorerst ganz allein, ist schon ein Unternehmen besonderer Art.
Die Ufer reichen bis in die Straßen, die berühmte Oper – O teatro Amazonas, so dachte ich, liegt an sandigen Verkehrswegen, hohe Bäume, viel Grün, übersichtliche Gebäudekomplexe… doch es ist eine 2-Millionen-Großstadt mit einigen Hochhäusern, verwinkelten, aufgebrochenen Straßen, einem betonierten Hafen, in dessen Gewässern der Mist der Bewohner schwimmt.

Einen Tag dort zu verbringen ist nicht gefährlich; die öffentlichen Busse mit halsbrecherischer Fahrweise bringen mich zum botanischen Garten, zum Militärreservat für Dschungeltiere (CIGES) oder zu einer der unzähligen prestigeträchtigen Shoppingmalls. Um 21 h klappen die Gehsteige hoch, dann sollte man nur mehr mit dem Taxi unterwegs sein. An der Station muss man den herannahenden Bus mit der gewünschten Nummer ausmachen und diesem hinterher laufen, um einsteigen zu können. Der ausgewiesene Mini-Flughafen-Bus hat sein Kofferabteil neben dem Schalthebel!

Es ist Regenzeit, bis ins Frühjahr – hab ich auch die richtige Reisezeit gewählt? – Ein Regenschirm ist immer dabei; die Sonne zeigt sich erst um die Mittagszeit mit einigen Strahlen. Bis 3 Meter Niederschlag im Jahr sind zu erwarten. Wassersandalen sind das passende Schuhwerk oder einfach Flip-Flops.
Wie lebt man in einer von wilder Natur eingekesselten Stadt? Der Kautschukboom des 19. Jahrhunderts ist fast schon vergessen. Es dräut die Fussball-WM im Jahr 2014, welche auch das hiesige Stadion modernisieren lässt sowie einige schöne alte Hotels im Zentrum, welche „danach“ unerschwinglich für herkömmliche Touristen sein werden.

Mit Kind und Kegel kann man mit den Flussbooten nach Santarem oder Belem an die Küste des Atlantik schippern, 32 Stunden zum Beispiel, Seite an Seite schaukelnd in Hängematten. Um Handel zu treiben. Um Familie zu besuchen. Um das übrige Brasilien zu sehen.
Für Brasilien ist Amazonia exotisch; wohin man einen Urlaub unternimmt, über Silvester vielleicht, eine andere Klimazone spüren, fremde Kreaturen sehen, Abenteuer erleben. Zivilisation trifft auf das vergessene Hinterland, wären da nicht diverse Bodenschätze und begehrte Arzneipflanzen.
Sonst ist Amazonia 4 Flugstunden von Sao Paulo, der boomenden Megapolis entfernt, nicht gerade billig, besonders für die ganze Sippschaft – denn Brasilianer bewegen sich kaum allein.

Diverse Urwaldlodges, manche 3 Autostunden von Manaus´ Zentrum entfernt, locken mit Ökoangeboten. Ohne Strom, fließend Wasser, urtümlich. Oder man bucht eine der zahlreichen täglichen Bootstouren auf den Amazonasgewässern.

Für meine Gesellschaft sorgt ein 5-Sterne-Hotelschiff der Kette Iberostar. 2 x wöchentlich ankert es vor Manaus. Es bereist den Rio Negro und den Solimoes. Ich habe beide Touren hintereinander gebucht. Die beiden Flüsse vereinigen sich zum Amazonasstrom. Der Amazonas durchfließt den gleichnamigen Bundesstaat Amazonas; das angrenzende Naturgebiet Amazonia erstreckt sich über die Nachbarländer, wie zum Beispiel Peru oder Kolumbien.

Auf der ersten Tour sind wir also nur 50 Personen aus der ganzen Welt, überschaubar, ich bin die einzige Alleinreisende. Mit einer Äthiopierin und einer Kenianerin aus Washington D.C. bin ich die nächsten 4 Tage zusammen. Viel gibt’s zu lachen, eine schwedische Familie stößt dazu.

Meeting of the WaterDer Tagesablauf ist nicht zum Entspannen: um 7 h Frühstück, um 8 h tägliche Bootstour; um 12 h Vortrag über Vögel, Pflanzen, indigene Völker. Mittagessen, 16 h Bootstour. 19.30 h Abendessen, 21.30 h Kaiman-Bootstour.
Zusätzlich eine Tanzshow am Abend, am Morgen Begrüßen der Sonne (was erst bei der zweiten Tour gelingt) oder um Punkt 6 h das „Meeting of the Waters“ – sprich: Rio Negro und Solimoes treffen aufeinander und fließen über 10 km nebeneinander her. braunes Wasser neben schwarzem Wasser; die Fische bleiben in ihrem jeweiligen Fluss wegen des unterschiedlichen PH-Werts (Rio Negro 4,6) und der unterschiedlichen Temperatur. Ein Schauspiel sondergleichen.
Ich hatte Sonnenwetter erwartet, wollte meine Haut bräunen lassen, statt dessen ein Wolken verhangener Himmel täglich am Morgen und das Wasser bleiern. So warm ist es gar nicht und unter Deck, in den geschlossenen Räumen, ist eine Weste unerlässlich.

Unsere erste Bootstour am Morgen führt uns zu einem Bauernhof in der Region Janauacá, sprich: Pfahlbau. Wir dürfen auch die einzelnen „Zimmer“ sehen, säuberlich ausgestattet mit Hängematten. Die Kinder haben auch Haustiere, eine Boa zum Beispiel, ein Faultier oder einen kleinen Kaiman.
Die dunklen Wolken begleiten uns, es beginnt zu regnen. Obwohl es         ca. 25 ° C hat, ersehnen wir nicht, bis auf die Haut nass zu werden. Doch das ist der Amazonas: entweder Regenzeit, wenig Moskitos, befahrbare Wasserwege, gemäßigte Temperaturen oder Trockenzeit, bis zu 40 ° C, überflutete Wälder, massenhaft Moskitos. Eine ausgesprochen angenehme Klimazone der Erde. Die steilen Lehmufer werden bei Niedrigwasser von den Vögeln als Brutstätte genützt und bei Überflutung von den Fischen als Höhle.
Wir warten 30 min, es hört nicht auf zu regnen; wir treten die Rückfahrt an: die dicken Schwimmwesten schützen uns vor der ärgsten Fahrtwind-Kälte im Speedboot. Das nasse Gewand ablegen, trocknen – wo? – Selbst unter die heiße Dusche. Soll das jetzt täglich so sein? Mein Gewand reicht nicht aus dafür! Kein Regenmantel schützt vor diesem etwas anderen „Meeting of the Waters“ – vertikal trifft auf Amazonas.

Jeder Ausflug wird von erfahrenen Guides begleitet, 2 davon sind Indios. Namen wie Francineto, Milton, Emerson, Jefferson verwöhnen unsere Ohren. Die Boote werden täglich mit einem Kran zu Wasser gelassen, die Gruppen in Brasilianer und Englisch Sprechende eingeteilt.
Sonst haben wir am Schiff ein Sonnendeck mit Pool, eine Snackbar und ein Restaurant. Die Getränke sind all inclusive.
Jede Kabine hat einen Balkon, welcher aber nur moskitoabhängig zu benützen ist.

Das Klima wirkt für mich drückend. Ich versuche täglich, meinen Jetlag aus zu schlafen, was nur bedingt gelingt. Zwischen den Aktivitäten schlummere ich sofort. Ich bitte Maria-Luisa, mein Zimmermädchen, meine Kabine nicht zu kühlen und nehme noch 3 Decken zusätzlich – die Brasilianer halten mich für verrückt. Diese lassen die ganze Nacht durch die A/C laufen und benützen gerade mal ein Leintuch.

Am Nachmittag überwinde ich mich als Tierliebhaber, ob des exotischen Umfelds, Piranha-Fischen zu gehen. (Region Manaquiri).30 Arten gibt es davon. Es wird eine lustige Zeit. Raffael, unser hübschester Guide, gibt eine Einführung: wenn der Fisch beißt, mit einem Ruck die Angelrute zur Seite ziehen und dann in die Höhe. Es kann passieren, dass ein Piranha ins Boot fällt – er hat sehr spitze Zähne! -  Weiters die Angel nicht dem Nachbarn ins Gesicht schleudern; kann ebenfalls unangenehm sein. Als der 1. Piranha über unseren Köpfen hinweg an der anderen Bootsseite in den Fluss fällt. realisieren wir, was Raffael meinte. Ein Gekreische, gefolgt von Gelächter, ertönt. Die Piranhas sind schlau, fressen eifrig die Fleischbeute und bleiben dem Haken fern. Oftmals hängt stattdessen ein Katzenfisch, etwas größer, am Haken. Fotografieren ist auch nicht einfach, zumal die Fische heftig an der Angel hin – und herschwanken, auch ins Gesicht!
Dann ein Schrei – ein Piranha ist im Boot gelandet! Er hüpft auf und ab – meine Reaktion: ich stehe auf meinem Sitz. Raffael hat aber alles unter Kontrolle. Er entfernt gekonnt den Haken und wirft den Fisch wieder ins Wasser.

Riesen-KaimanNach dem Abendessen um 21.30 h steht eine Kaiman-Beobachtung auf dem Programm. Es ist stockdunkel, keine Sterne am Himmel und es ist still. Die Lichter und der Motor werden abgedreht und wir tümpeln mit unserem Boot im Amazonas.
Wo bin ich? Unter mir Kaimane. Wohl auch der Candiru, ein länglicher Fisch, der gern in Körperöffnungen von Menschen dringt. Auf einer Röntgenaufnahme sah man ihn in einen Penis eingezwängt!
Ein Leck im Boot wäre jetzt unpassend.

Wir fahren ans Ufer, wo Osvaldo mit einem Suchscheinwerfer Augen zu erhaschen sucht. So schnell kann ich nicht schauen, hechtet er mit den Händen ins Wasser und hebt einen 8 kg schweren, 1 m langen Kaiman am Nacken ins Boot. Fein säuberlich wird die Schnauze mit einer Schnur verbunden, dann kann man ihn angreifen. Auf die Frage, ob der Kaiman unter Stresse stehe, erklärt Osvaldo, dass dieser sich gerade entspanne, er brauche seine Kräfte für später, als der Kaiman sich mit einem Ruck seinen Händen entwindet und ebenfalls im Boot landet! Ich stehe wieder einmal auf meinem Sitz.
Der Kaiman schlägt mit seinem Schwanz auf die am Boden stehenden Rucksäcke und ist nur mühsam von unserem Bootsführer wieder ein zu fangen! Er wird von seinem Band befreit und ins Wasser zurück befördert. Bis zu 80 Jahre alt werden diese imposanten Tiere und erreichen mehrere Meter Länge.
Wir fahren weiter und entdecken noch etliche leuchtende Augen am Uferrand im Schilf.

Eine weitere Tagesausfahrt führt uns nach Novo Airao, wo wir die rosafarbenen Flussdelfine füttern können. Diese leben frei und kommen zu gewissen Tageszeiten zum Bootssteg. Ihre Schnauze misst einen halben Meter, bestückt mit einer langen Zahnreihe. Bei Überflutung sind diese Säuger so wendig wie die Fische im Unterholz, da ihre Nackenwirbel nicht mit einander verwachsen sind.

Amazonas bedeutet nicht nur Wasser rundum, auch Festland gibt es zur Genüge. Hier in der Nähe leben viele Menschen in Pfahlbauten mit Strom und Satelliten-TV. (Lula sei Dank). Transportmittel ist immer ein Kanu oder Motorboot. Es sind Nachfahren der Indios. Sie betreiben ein wenig Ackerbau und ernähren sich auch vom Regenwald. Durch die im Jahreskreis immer wieder kehrenden Überschwemmungen wird der Boden schnell erodiert. So wie es für Schnee in den nördlichen Regionen unseres Planeten die unterschiedlichsten Bezeichnungen gibt (je nach Konsistenz), so gibt es auch für die unterschiedlichen Wasserwege des Amazonas eigene Namen. Wenn das Wasser steigt und der Amazonas einen ganzen Wald durchquert, heißt das „Igarapé“; dringt er nur in den Dschungel vor, so nennt man das „Igapó“. Wunderbar.

Wir werden also im Dschungel bei Manacapurú 2 Stunden lang wandern. Milton begleitet uns. Er hat an der Grenze zu Kolumbien 6 Monate lang in Camps gelebt, wo auch die Kämpfer der FARC ausgebildet werden. Das härtet ab.
Als Ausrüstung empfiehlt sich eine lange Hose, geschlossene Schuhe und eventuell lange Ärmel. Die Indios gehen natürlich barfuß, mit Machete bewaffnet. Die Küstenbrasilianer, vergleichbar mit europäischen Touristen, gehen direkt vom Sonnendeck mit Short und T-Shirt und Sandalen in den Urwald. Für diese kurze Zeit reicht dies, meinen sie.

Unser Boot parkt im Schilf und auf nicht erkennbaren Pfaden durchwandern wir ein Urwaldstück. Wir versinken sofort im Uferschlamm, um gleich darauf in der Hitze des Gefechts in den Wald hinauf zu steigen, auf nicht definierbaren Pfaden. Es gibt eigentlich keine „Wege“. Immer neu sind Schneisen zu gestalten. Der Urwald wächst andauernd, in alle Richtungen.
Auf Schritt und Tritt achte ich, an einen Baum anlehnen ist untersagt. Diverse Schlangen, Spinnen oder größeres Getier sind wenige das Problem, sondern diverse Insekten, Milben und Sandflöhe, welche sich in der Haut fest beißen und in diesem Feuchtbiotop schlimme Entzündungen hervorrufen können. Unser Guide Milton spricht wiederholt davon, dass unser  Spaziergang keinen Vergleich mit dem Überleben im Regenwald darstellt. Momentan sehen wir nur die „Sonnenseiten“, das Interessante, Neue und staunen.
Die Wege sind verschlungen, wir scheinen in alle Richtungen zu gehen.
Unsere Guides gehen ohne GPS. Wir befinden uns noch in der „Zivilisation“, wenige Luftkilometer von Manaus entfernt und trotzdem könnten wir uns hier verirren. Dies sei Todesursache Nummer 1. Darauf folgen umstürzende Urwaldriesen, denn deren Wurzelgeflecht ist sehr flach.

HimmelsleiterWir entdecken die seltsamsten Pflanzen, zum Beispiel eine „Himmelsleiter“, eine Liane in Form von Stufen. Milton gräbt eine Vogelspinne aus; in der Linken hält er das giftige Insekt, in der rechten Hand checkt er lässig sein Handy. Raffael entdeckt unter einem braunen Blatt einen gleichfarbigen braunen Frosch. Ich sehe hauptsächlich verwelktes, ledriges Laub und suche mich von den höllisch beißenden Waldameisen zu befreien (Auszug aus „Objektive und subjektive Gefahren im Regenwald“: „..es gibt hier einige leicht reizbare Ameisenarten, welche jeden Feind gnadenlos und schmerzhaft ansprühen…“). Diverse heilende Pflanzen werden erklärt, im ersten Moment erscheint alles grün, doch beim zweiten Blick kann man mehrere leuchtende Farben ausmachen. Vögel, Blumen, Käfer – viele Arten heben sich bewusst ab. Immer wieder fliegen paarweise Aras über unseren Köpfen hinweg mit heftigem, typischem Gekreische. Auch der Bienenfresser, im Englischen Hummingbird oder in Portugiesisch lieblich „Beijá-Flor“ – Blütenküsser genannt, lebt hier.
Dann endlich die Rückkehr zum Boot. Woimio aus Kenia und ich wollen losgehen, werden jedoch an einem Busch mit gefühlten 1.000 Nadelstichen zurück gehalten. Wir können nichts erkennen, halten inne und werden von Milton gedrängt, weiter zu gehen. „Das sind nur Bienen, Ihr müsst da durch!“ - sehr einladend. Ich überlege kurz einen Umweg, folge dann doch meiner Freundin, welche sofort 4 mal gestochen wird und ich ebenso. Auch ein großer weißer Amerikaner kriegt 4 Stiche ab. Alles sehr schmerzhaft. Bis ins Boot verfolgen uns die Insekten. (Auszug aus „Objektive und subjektive Gefahren im Regenwald“: Wilde Bienen und Wespen kommen in zahlreichen Arten in Amazonas vor… Einige sind äußerst aggressiv, schon bei Annäherung stürzen sie sich in großer Zahl auf den Eindringling…“).

Kaum sitze ich, juckt meine Haut bis zu den Zehen. Mein Mund entwickelt Bläschen, meine Ohren schwellen an, ich kann jedoch noch gut atmen. Meine Freundinnen machen auf meinen Zustand aufmerksam – „This lady is not okay!“ -  woraufhin der Bootsführer den schnellsten Gang einlegt, jedoch nicht gleich vom Fleck kommt, wegen der treibenden Baumstämme.

Am Schiff erwartet mich unser deutscher Cruise-Director Manfred, welcher außerdem Krankenpfleger ist. Ich gehe selbständig hinauf zur gut gekühlten Krankenstation, wo mich die brasilianische Schwester schon erwartet. Ich hätte eine heftige allergische Reaktion, so wird mir versichert; es geht mir immer schlechter, ich weiß nicht, soll ich sitzen, stehen, liegen, ich sehe Sterne.
Der Deutsche beruhigt mich sehr. Die Krankenschwester, welche kein Englisch spricht (Oh Unglück im Unglück!) hätte mich nicht verstanden. Ich erhalte Fenergan (ein Antihistaminikum) in den Muskel gespritzt und nach 20 min, als keine merkliche Besserung eintritt, Cortison intramuskulär. Ich atme Sauerstoff, liege 45 min mit einem Leintuch bedeckt neben der Krankenschwester. Ich entspanne mich. Das Ärgste ist überstanden! Immer wieder cremt sie mich mit Fenergan-Creme ein, ich habe am ganzen Körper blutrote Quaddeln, welche jucken.
Ich kann jedoch wieder denken und werde ruhiger. Nach einer Dusche schlafe ich 3 Stunden und erwache voll Hunger! Ich hole die Reste vom Buffet und werde von meinen besorgten Freunden in der Halle erwartet. Sie sind heilfroh, dass es mir wieder besser geht. Man sieht nur mehr 2 cm breite rote Streifen auf meiner Haut. Mein Kreislauf ist normal. Ich solle mich unbedingt beschweren; die Anweisung des Guides sei falsch gewesen, er habe uns in diese Situation gebracht. Beide anderen Gestochenen haben keine Auswirkungen verspürt.

Um 16 h befinde ich mich wieder auf einem Bootsausflug, diesmal zu den großen Wasserlilien.

Am Abend gibt es endlich brasilianischen Tanz in der Disco, meine afrikanischen Freundinnen sowie die schwedische Familie tanzen umwerfend mit mir. Es ist der Abschied für diese, ihre Tour ist an Silvester zu Ende. Sie werden in der Neujahrsnacht im Hotel Tropical am Strand sein, wo wir vor Anker liegen werden und die Feuerwerke bestaunen können.

Für mich gilts nun wieder neue, nette Gesellschaft zu finden. Ich kann mich einer brasilianischen Familie von der 1. Tour anschließen, welche mich wieder an andere Brasilianer weiter vermitteln. Die zweite Reise, auf dem Rio Negro begleiten 130 Personen; 150 würde das Schiff fassen.
Ich sitze mit ihnen in Weiß beim Galadinner zu Silvester und tanze mit den 3 erwachsenen Kindern Isabel, Guillerme und Gustavo zu Live-Musik am mittlerweile „Monddeck“. Viele bekannte Rhythmen, Forro, Samba, Merengue sowie Melodien der Gypsy Kings werden geboten. Um Mitternacht werfen wir zu Ehren der Meeresgöttin (hier: Flussgöttin) Xemanjá weiße Rosenblätter in das Wasser. Dann werden Trauben gegessen und Sekt getrunken. Um 2 h bereits stoppt die Band, zu unserem Leidwesen.

Hauptsächlich spreche ich Englisch und Portugiesisch. Isabel bittet mich an der Reeling, doch ein Wienerlied zu singen! Nachdem ich Deutsch wieder einschalte und dann als Draufgabe noch Dialekt, fällt mir ein Teil von „Drunt´ in der Lobau“ ein. Es gefällt ihr sehr gut! Ich schreibe ihr auch noch Internetseiten zum Weiterhören auf. Dann singen wir gemeinsam „A Garota de Ipanéma“ von Carlos Jobim.

Deutschsprechende entdecke ich auf der 2. Tour in Gestalt von zwei schwulen netten Männern in meinem Alter, welche jedoch über das Wetter hinaus nichts reden. Dann gibt’s noch Heidi, eine Deutsch-Brasilianerin, welche der Schwedin Tina (60) und mir beim Kennenlernen an der Bar sofort über ihre Eroberung berichtet. Sie sei bei der Wahrsagerin gewesen, diese habe ihr Kleidungsvorschläge für den Silvesterabend gegeben und voilá – da ist schon unser Guide Raffael auf ihr gelandet! Drei Stunden dauere das allnächtliche Techtel-Mechtel, man brauche sehr viel Wasser zum Trinken und die halbe Nacht schaue sie Mr. Sixpacks dann beim richtigen Schlafen zu. Das war Wasser auf die Mühlen von Tina und der Engländerin Jainee. Wir ätzten von früh bis spät – zuletzt, als die Tour zu Ende ging:„Mr. Sixpacks must go back to six-beds (das Personal schlief in Sechser-Kajüten)…
Aber dann gabs noch zwei russische Pärchen, eines davon altersgemischt, sprich: sie, gachblond, 22, und er, schwarzer Italiener, 60. Ich konnte herausfinden, was alle brennend interessierte, wo sie sich kennen gelernt hatten: „Yes-ä, we met-ä via thi internet-ä. She cam-ä to Italy“ and there she liked it so much-ä that she stayed-ä.“ War dieses Pärchen noch lustig und kultiviert, verkörperte das andere Paar die ignoranten reisenden Russen par excellence. Kein Grüßen am 8er-Tisch, keine gemeinsame Konversationssprache in Gesellschaft. Sie lebten für sich.
Die Brasilianer jedoch waren die Aufgeschlossenheit in Person: jeder Kellner am Tisch wurde mit Handschlag begrüßt und die Personen am Tisch mit Namen vorgestellt. Ich wurde täglich geküsst von Paulo und unter „Oi, Susanna!“-Rufen mit offenen Armen empfangen. Da kann man nicht allein sein!

Nun, das war meine Reise in die vermeintlich „grüne Hölle“ genannte artenreichste Gegend unserer Erde. Ein tiefes Eintauchen in eine andere Lebenswelt mit neuen Gerüchen, Düften, Geräuschen und sanfter warmer Brise.
Es sollte ein ebenso sanftes Hinübergleiten über den atlantischen Ozean sein, Manus-Sao Paulo 4 Stunden; S.P.-Frankfurt 11,5 Stunden, bis nach Wien.
Doch das plötzliche Erwachen in unserer terminisierten Welt folgte auf dem „Fuß“: eine Thrombose…
Aber das ist eine andere Geschichte.

 

März 2013

Susanne Wallner


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