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Eine Wüsten-Tour durch den Sudan


Eine Wüsten-Tour durch den nördlichen Sudan - Ostern 2004

Die Reise war geprägt vom ständigen Wasserkonsum (4l pro Tag ohne Teekonsum!) und von der Wüste. Ausser von den wenigen Städten und umliegenden Dörfern wird der Sudan von der Wüste beherrscht. Das Leben dreht sich um sie. Eine Reise durch dieses Land bedeutet ständiges Queren von Wüsten, das Erleben von Trockenheit und Hitze. Doch arrangiert man sich mit diesen Naturgewalten, eröffnen sich ungeahnte Kulturschätze vorm sonnen geblendeten Auge.

Wir bereisten die Libysche und Bayuda-Wüste nördlich von Khartoum, bis zum 5. Katarakt des Nils. Die Pyramiden von Nuri und Meröe, die historische Stätte Merowe, die Tempelanlage von Kawa waren nur einige Höhepunkte auf dieser Reise.

Rotel

Unsere sudanesische Reisemannschaft war gut organisiert, freundlich und pünktlich. Die Jeeps waren gut gewartet und geräumig. Wir wurden von den uns begegnenden Sudanesen willkommen geheißen, Gastfreundschaft wurde uns gern gewährt und ausführliche Gespräche über die Welt geführt, in ganz passablem Englisch und Arabischen Brocken. Es wurde kein Unterschied zwischen uns Frauen und den mitreisenden Männern gemacht.

Auf unserer Tour sah man öfter Männer mit Krücken, im Rollstuhl oder mit einem Bein - bei Nachfrage erfuhr man, dass diese im Süden im Bürgerkrieg gekämpft hätten. Von Darfur und seinen Problemen höre man nichts. Es lag ein gewisser Frieden über dem Landesteil, das wir bereisten. Der Sudan, mit seiner 7-fachen Größe von Deutschland, hat eben viele Gesichter zur gleichen Zeit.

Erinnerungssplitter

Mittagsrast
Diese wurde in Straßengaststätten gemacht. Es waren Cola-Schilder an die Aussenwand geklebt, vielleicht ein Vorhang an der Eingangstür angebracht, sonst gab es keinen anderen "Schmuck", der dorthin einladen sollte.

Vor den Lokalen fand man eine Wasserstelle in Form eines Blechkanisters mit Hahn und etwas Seife zum Hände reinigen. Dann trat man ein. Sofort eilten der Wirt und seine Helfer - meistens Kinder - herbei, um die Holztische oder die einfachen Plastiktischtücher darüber ab zu wischen und darauf Fladenbrote zu verteilen, sowie Besteck u. eine Miniaturserviette aus Krepppapier. Dann kamen unzählige blecherne Schüsseln (Leichtmetall, etwas verbeult), deren Inhalt gekochtes Gemüse, Kartoffeln, Ziegenfleisch (sehr zäh) und als Hauptgericht, das immer dabei war, Ful - ein Bohnenbrei aus schwarzen Bohnen, enthielten. Man ergötzte sich an der Vielfalt, es war frisch gekocht, teilweise scharf und immer genug. Zum Trinken gabs eisgekühltes Bier und Cola, die Errungenschaften der Zivilisation und natürlich gegen die Hitze, schwarzen Tee, Chai.

In einem Gasthaus war die Küche nicht abgetrennt vom Gastraum und ich inspizierte die 2 m lange gemauerte Theke mit aufgeklebtem Plastikbezug, auf der sich 3 Feuerstellen befanden, darauf verbeulte Leichtmetalltöpfe, davor volle Eierkartons, links und rechts Plastiksäckchen mit Inhalt und div. Flaschen. Die Lehmwand dahinter war rauch geschwärzt.

Das Essen war immer bekömmlich und mit diesem geringen Aufwand herzauberbar.

Notdurft
Wollte man das Örtchen besuchen, musste man die nächst mögliche Gelegenheit dazu vom Wirt erfragen. der dann den kürzesten Weg beschrieb: einmal wars die Polizeistation um die Ecke gegenüber. Man grüßte freundlich und fragte nochmals nach der punktgenauen Örtlichkeit, da WCs nicht angeschrieben sind.

Ein anderes Mal wurden meine Freundin u. ich des gleich an die Gaststätte anschließenden Privateigentums eines gut situierten Familienclans verwiesen. Das eiserne, ein wenig verzierte blaue Tor zwischen mannshohen Lehmwänden deutete nicht darauf hin.Wir gingen durch 2 Höfe; im ersten begrüßte uns ein altes Ehepaar, dann dahinter die Jungen Familienmitglieder.

Mitten im Sandhof dann stand eine gemauerte 1 x 1 m große Zelle, deren Zweck augenscheinlich war. Die Familie war rundherum anwesend und bedeutete uns, nicht scheu zu sein und die Toilette zu benützen. Sehr sauber, mit Papier war diese - meistens findet man lediglich eine kleine Gießkanne mit Wasser vor.

Und kaum fertig, wurden wir, statt unser Mittagessen einnehmen zu können, in die Gemächer der Damen geführt u. zu Tee, Kaffee u. Keksen gebeten. Eine schwarze arabische Dienerin kredenzte dies, die Damen entspannten sich auf den Sofas, ein Schuljunge schaute auch kurz herein.

Rotel

Die Hausfrau war Englischlehrerin an der örtlichen Schule und hatte zu dieser nachmittäglichen Uhrzeit schon Feierabend. Sie ist eine Autorität, nicht allein durch ihre körperliche Erscheinung in den bunten wallenden Gewändern, sondern durch ihre Worte, den Gesichtsausdruck. Woher kommen wir? Wie viele Kinder haben wir? Warum sind wir im Sudan? Er ist so ein schönes Land, doch soooo unerträglich heiß. Wir sollen doch wieder kommen, zu ihnen selbstverständlich. Die Oma lächelt die ganze Zeit gutmütig dazu.

Nach 25 min eisten wir uns ungern los mit vielen Grußbezeugungen, Danksagungen, Wünschen und der Absichtsbekundung, wieder zu kehren. Ein ander Mal befanden wir uns um 22h erst beim Abendmahl in einem kleinen Ort und diesmal führte mich ein mir unbekannter, vom Wirt beauftragter Herr mit Taschenlampe über die holprige Sandstraße zum nächsten Funduq, wie ich in der Finsternis fest stellen konnte. Er wechselte einige Worte mit dem Portier und wir schlichen tlw. unter Mondlicht zwischen den voll besetzten Betten, die in einem Hof unter freiem Himmel verteilt waren, auf einige abseits gelegen Zellen zu, die scheinbar Toiletten enthielten. Mit Taschenlampe in der Hand orientierte ich mich im Plumpsklo, kramte meine WC-Papier-Vorräte hervor u. wurde danach genauso unspektakulär wieder zum Lokal zurück geleitet.

Doch wir lernten auch unter anderen Umständen private Häuser kennen. Wir mussten unseren Getränkevorrat auffüllen und parkten an einem Häuserkomplex. Die 3 kleinen Kinder am Tor waren sogleich eine Staubwolke. Wir durften eintreten, fanden wieder einen Sandhof vor mit Lagerhalle für die Getränke, Maschinen etc. an einer Hauswand war ein kleiner Eingang mit einem Vorhang u. eine Dame winkte uns Damen herbei. Sie bat uns ein zu treten u. wir entdeckten hinter dem Vorraum im Wohnzimmer einen winzigen Säugling neben seiner Mutter. Wir beglückwünschten die Dame u. versuchten mit Arabischen Worten das Alter zu erkunden. Er war 1 Nacht alt.

Auf dem einzigen Sofa lagen die junge Mutter mit Baby, saßen 3 Kinder und eine ältere Dame. Daneben ein Geschirrschrank mit schönem Porzellangeschirr. Es gab kein Fenster hier, um die Hitze draußen zu halten, nur über den Vorraum kam die Luft herein.

Unser Reiseleiter wurde später auch herein gebeten u. nahm sofort den Säuglich hoch, um ihn mit murmelnden Worten zu segnen. Dies war ein feierlicher Akt. Wir erhielten zum Abschied noch Zuckerl.

Wasser
In der Wüste sahen wir auch biblische Szenen: Nomaden, umringt von ihren Kamelen und Eseln und diversen Plastikkanistern, an einer Wasserstelle. Die Sonne ist sengend, rundherum kein Schatten, nur hageres Gesträuch, im Hintergrund ansteigendes Gelände.

Ein Loch im Erdreich ist bedeckt mit dicken Ästen, darunter verbirgt sich ein 30 m tiefer Brunnen. Hagere Männer im Burnus, unterstützt von ihren Söhnen, ziehen von Hand diverse Wasserbehältnisse nach oben. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese als Tiermägen, die durch die Verwendung lederartig geworden waren. Diese haben die Eigenschaft, sich beim Hinablassen in den Brunnen mit Wasser voll zu saugen und sodann von selbst zu füllen. Ein Kübel würde an der Wasseroberfläche aufschwimmen.

Die Seile, die in den Brunnen reichen, laufen an der Kante über einen Holzstamm, der schon tiefe Rillen aufweist ob der langen Beanspruchung. Frauen, Mädchen und weitere Männer des Clans verteilen das Wasser auf Kanister unter ihre Familien oder stehen dabei und beobachten das Geschehen.

Die Frage taucht auf, wo diese Menschen "zuhause" sind, wie weit sie hier her gewandert sind und wie lange das Wasserloch seinen Dienst tut?

Tatsächlich wird unser einheimischer Reiseleiter Ali zu Rate gezogen, ob er nicht seine Verbindungen in der Stadt nützen könne, um einen tieferen Brunnen graben zu lassen - dieser hier habe bald ausgedient. Ein Reiseleiter hat hier mehrere Funktionen - er ist Ortskundiger, Verbindungsmann zur Außenwelt sowie Organisator von Dienstleistungen. Er wird als gebildeter Mann geschätzt und vielen Alltagsgeschehnissen bei gezogen. Seine Meinung zählt und Loyalität ist gefragt.

Rotel

Am anderen Tag treffen wir morgens wieder auf eine Wasserstelle. Diese befindet sich auf flachem Gelände. Diverse Kamel- und Ziegenherden sowie Eselansammlungen, dazwischen eifrig beschäftigte Nomaden.

Das Wasser wird hier mit Hilfe der Esel emporgezogen, an 50 m langen Seilen. Ein 7-jähriges Mädchen in buntem Kleid treibt ein Grautier auf der einen Seite an; auf der gegenüberliegenden Seite marschiert ein Mann mit seinem Esel, ebenfalls eine geraume Strecke hin und wieder zurück. Gleichmütig gehen die beiden hin und her, in der schon sengenden Sonne; die vollen Behältnisse werden von den "Brunnenwächtern" entleert und verteilt. Ein Stimmengewirr liegt in der Luft; einem Kamel wird der Nasendorn eingetrieben unter grässlichem Geschrei - es gibt kein Entrinnen für das Tier.

Nachtlager
Sturmspitzen von 80 km/h sind keine Seltenheit am Abend. Die Zelte müssen trotzdem auf gebaut werden. Manchmal errichten wir eine Jeepwand, hinter der wir die flatternden Stoffungetüme in den Boden rammen. Sand weht umher, sticht ins Gesicht, Augen tränen und Geduld ist gefragt. Steht das Zelt endlich, was durch den sandigen Boden und die Schwierigkeit, eiserne Heringe darin zu versenken, oft wie ein Wunder erscheint, muss es sandundurchlässig gemacht werden. Meistens verebbt der ärgste Wind vor Mitternacht.

Eines Nachts ließ ich die kleine Luke am Eingang offen, um den Mond an zu sehen. Diese wunderbare Aussicht wurde durch Berge von Sand auf meinem Schlafsack, rundherum sowie im offenen Koffer (!) geschmälert. Als ich erwachte, musste ich erst meinen Mund gründlich spülen, da es zwischen meinen Zähnen knirschte. Doch es erschien unmöglich, das Zelt vollständig zu säubern - den Rest des Sudansandes entsorgte ich in Wien auf meinem Wohnzimmerteppich.

Sonst gestalteten sich die Nächte ruhig. Nur in der ersten Nacht raschelten die Zeltleinen meiner Nachbarin - am Morgen sahen wir Fuchsspuren. Die streunenden Hunde, die in der Nähe der Nomaden, aber auf größtem Sicherheitsabstand lebten, beäugten uns aus der Ferne mit Misstrauen. Als der Abfall in einer Feuergrube entsorgt wurde und eine Blechdose daneben fiel, holte sie sich der hochbeinige, dürre Geselle mit Geschick, ohne seinen Kiefer zu verletzen. Wann gibt es so schnell wieder Thunfisch?

Sauberkeit
Wir besuchten zahlreiche Märkte, doch fanden wir stets nur spärliche Örtlichkeiten. Wichtig jedoch war, den sandigen Boden zwischen den Buden feucht zu halten, damit der Staubflug gering gehalten wurde - dies besorgten die Kinder mit Wasser in Plastiksäckchen, die umher geschwenkt wurden. In der Nähe des Nils war solch ein Luxus möglich! Einmal erblickte ich eine Nilkrokodilshaut zum Kauf zwischen Ledersandalen.

Hotel
2 Nächte verbrachten wir in Khartoum im 3-Stern-Hotel. Nach der 6-tägigen Wüstentour war eine Dusche eine heftig herbei gesehnte Wohltat! Es gab auch einen Balkon. Abends sah man am gegenüber liegenden Hausdach die Menschen zur Nachtruhe gehen. Sie schliefen auf den flachen Dächern, mit dünnen Stoffen oder Pappe bedeckt. Dort war es luftig und ruhig. Wenn wir abends zu Fuß in der Hauptstadt unterwegs waren, stolperte man oft über die Steine in den sandigen Randstreifen der Straßen - nur die wenigsten Gehsteige waren geteert.

Rotel

Fähre
Der Transport auf der Tour führte uns 3 mal über den Nil, auf Fähren. Diese wurden bis zum letzten Platz gefüllt; es gab geordnete Warteschlangen, auch die Tiere waren dabei. Die Zufahrtsstraßen zur Fähre waren wie üblich nicht geteert. Ohne Hektik wurde beladen, auch die 2 Kamele zwischen uns waren ruhig.

Eines Abends erreichten wir unsere Fähre nicht in der Zeit. Ausserdem hatte sich unsere 4er-Kolonne aufgelöst. Ohne Straßenbeleuchtung und Handy suchte jeder Jeep für sich den Fährenzugang. Wir Reisenden gaben jede Hoffnung auf und suchten uns vor der herauf ziehenden Kälte und Mückenplage zu schützen. Doch wie ein Wunder, hörten wir plötzlich zumindestens die anderen Jeeps, doch die Fähre war nicht bereit. Am gegenüber liegenden Ufer sahen wir Lichter, die Jeeps sandten Signale und nach 1 Stunde kamen Signale zurück.

Hier verließ uns unsere westliche Logik und Organisationsanbahnung, das musste irgendwie mystisch zugehen? Wie kann der Fährenkapitän wissen, dass zu dieser späten Stunde noch Passagiere warten und im richtigen Moment über den Nil blicken? Nach 2 Stunden des Wartens hörten wir das Tuckern der Fähre und wir erreichten um Mitternacht unser Nachtlager.


Egypt Air brachte uns zur vereinbarten Zeit vom Sudan nach Hause, vom einem Land, von dem wir Österreicher wenig wissen - die Pyramiden dort sind älter als die Ägyptens und auch Wegbereiter für die Baukultur des nördlichen Nachbarlands gewesen.

Susanne Wallner


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