Liebe LIBlerinnen und LIBler! 15.4.00
Eine folgenreiche Entscheidung ist nun verantwortungsbewusst zu treffen!
Wie die Dinge liegen, kommt unserer Gruppe nun tatsächlich die Aufgabe zu, die Weichen für Purkersdorf für die nächsten 5 Jahre zu stellen. Die anderen Parteien warten auf unsere Entscheidung. Wir müssen und werden auch entscheiden, sonst würde letztlich wahrscheinlich über uns hinweg entschieden werden.
Irgendwie komme ich mir derzeit vor, wie in einem Schwarzenegger-Film (Pardon, ich sah nur Szenen), wo der Held gerade stolpert, seine Waffe verliert und plötzlich irgendwelchen „Schurken" ausgeliefert ist. Klar ist aber, dass der Held früher oder später, jedenfalls zum Schluss wieder die Oberhand hat......
Meine Utopie bezüglich Bürgermeister ist die Schweiz. Dort gibt es keinen Meister der Bürger. Nicht von ungefähr gibt es im geistig noch immer irgendwie feudal geprägten Österreich das Wort „Ortskaiser". Ich will jedenfalls kein irgendwie feudalähnliches System. Ich möchte kein System, wo die Leute um Selbstverständliches knien kommen. Entweder steht einem(r) etwas zu oder nicht. – Unsere Orientierung sollte daher jedenfalls sein, mit unserer Entscheidung das Ortskaisertum tendenziell abzubauen.
Wir haben derzeit verschiedene Meinungen. Einige haben sich klar festgelegt, andere haben noch etwas Spielraum. Ich glaube, daß alle vorgebrachten Argumente in dieser schwierigen Lage wichtig sind und ihre Berechtigung haben. Ich glaube auch, dass wir schließlich nach der Menge, sondern nach der Bewertung und Abwägung aller Argumente zu einer klaren Entscheidung kommen. Ich danke allen bisher für die faire Diskussion und die Einhaltung des von uns schon wohlweislich vor der Wahl festgelegten Entscheidungsprozesses. Möglicherweise, ja sogar sehr wahrscheinlich sind mit der endgültigen Entscheidung so oder so einige nicht glücklich. Ich denke jedoch, dass die jetzige Vorgehensweise mit der Berücksichtigung möglichst vieler Meinungen und gleichzeitigen Flexibilität der Verhandlungsgruppe einerseits sehr demokratisch ist und andererseits sehr gute Verhandlungsergebnisse bringen wird. Ich glaube auch, dass wir in jedem Fall durch die Vielfalt unserer 58 KandidatInnen, durch das Wahlergebnis und durch das klare Programm so oder so gut weiterkommen, wenngleich es sicher auch immer wieder kritische Situationen geben wird.
Nicht ganz neu, aber noch real wäre die Variante, Schlögl zwar nicht zu wählen, aber durch Enthaltung auch im letzten Wahlgang bei der BGM-Wahl ihn letztlich als Bgm zuzulassen. Allerdings wäre es für diese Möglichkeit sehr wichtig – und von Seiten der SP auch möglich - genauso umfangreiche schriftliche Absprachen über viele wichtige Projekte von uns zu treffen. Der Vorteil: Wir hätten ihn nicht direkt gewählt und so die Distanz aufgrund seiner Verantwortung für den jetzigen Zustand der Gemeinde ausgedrückt. Ein Nachteil ist, dass da plötzlich , wenn PUL nicht Schlögl wählt, die F doch eine Rolle spielen könnte bzw. dass die Bevölkerung diese Feinheiten ev nicht so wahrnimmt. Es könnte auch sein, dass Schlögl nicht alle Stimmen der SP-Fraktion erhält, da wären wir auch die Mitblamierten.
Zur Wiederholung: Gegen eine Enthaltung ohne klare Absprachen spricht jedenfalls aber Folgendes:
Das Ganze zeigt jedoch auch, dass wir eine Grundsatzdiskussion führen müssen. Was wollen wir langfristig? Oder sind wir nur die „Putzerfische"? Mit wem und für wem wollen wir langfristig was und wie ordnet sich das letztlich global ein? Leider hatten wir viel zu wenig Zeit dafür. Aber die jetzige Entscheidung ist für mich letztlich an diesen Maßstäben zu messen. Ohne eine klare Sicht in Grundsatzfragen bleiben wir kein Faktor, vergeht uns der notwendige lange Atem und werden uns – wie schon viele vor uns – bestehenden Machtstrukturen anpassen oder diversen Verlockungen nicht widerstehen. – Das wär jedenfalls was für den Sommer....
Das grundlegende unterschiedliche Herangehen, das uns auszeichnet, behaupte ich liegt, in der längerfristigen Orientierung: wir wollen eine ökologischere, demokratischere und sozialere Welt, und das „nachhaltig". Dagegen leben andere, etwa der „Populismus" vom kurzfristigen Effekt, von der Anpassung an Machtstrukturen, die letztlich am Kommando über Geld und Kapital beruhen. Welchen Beitrag können wir mit unserer Entscheidung in diesem Sinn leisten? Was tun wir, damit unsere Kinder, die Leute in 20 oder 40 Jahren sagen, daß das die richtige Entscheidung war? Sicher nicht leicht.
Halten wir fest:
Ich habe unsere Zeitungen der letzten 17 Jahre durchgesehen: zweimal die wesentlichen Beiträge zur Überwindung einer absoluten Mehrheit zu leisten, war eine Anstrengung, die ich aus heutiger Sicht trotz des jetzigen Erfolgs nicht mehr machen würde. Zweimal sprang die jeweilige zweite Partei nach langjährigem Arrangement schließlich argumentativ auf „unseren Zug" auf. Zweimal war bzw. ist die zuletzt übermächtige Partei uneinig. Zweimal bieten uns die jeweiligen Königsanwärter fast alles an.
Faktum ist, das die Auseinandersetzung zeitweise mit einer politischen Brutalität geführt wurde, die im nachhinein lustig und lächerlich erscheint (Ich werde Kopien einiger Artikel anfertigen), aber aktuell durchaus nicht so empfunden wurde. Ich bestreite nicht, dass unsere(meine) Kritik oft auch hart war. Faktum ist aber auch, daß ich von meinen ca. 10 (Presse)Rechtsverfahren noch keines verloren habe und auch noch nie einen Schilling an Rechtsanwälte, Gerichte oder Gegenseite zahlte.
Faktum ist, daß sich die Leute, die die Periode von 1989 bis etwa 1991 mitgemacht haben und sich äußerten, - mit inzwischen einer Ausnahme - vor der Wiederholung mit Schlögl eindringlich warnen.
(Für viele verständlicher dürfte nach alldem, was in den letzten Jahren geschah, übrigens nun auch sein, warum ich jahrelang als der „Böse" hingestellt wurde, ohne alles viel „leichter" gehen würde. Ich bin froh, daß ich mich trotz etlicher Angebote nicht arrangiert habe.)
Faktum ist für mich ist, daß das „rotgrüne" Experiment nicht nur nicht geglückt ist, sondern trotz vieler Einzelerfolge geradezu in die Gegenrichtung ging. (siehe dazu „Memorandum"). Es fand eine Umpolung von einer Art rotgrüner Zusammenarbeit hin zu einer Politik der Öffnung zum Rechtpopulismus statt, die sich insbesondere in den letzten Jahren auf einer höheren Ebene voll entwickelte. Die damalige Bürgermeisterwahl war so gesehen eine Art Sprungbrett zu einer Öffnung der Politik in die entgegengesetzte Richtung. Daher rührt eine große Vorsicht vor einer Wiederholung. Wir können daher nicht umhin als von der angesprochenen Seite klare Zeichen zu verlangen, die eine Wiederholung dieser bitteren Erfahrung erschweren. Es müsste eine Art „back to the roots" geben. – Natürlich sind dabei auch Fehler unsererseits zu sehen. Die Folgen sind jedoch unvergleichlich: Zerbrochene Erwartungen und Illusionen, Verbitterung, finanzielle Verluste.
Gleichzeitig checkte Schlögl für viele vieles.
Was geschah ab 1989:
Vor der GR-Wahl vereinbarte er übrigens mit dem VP- Kandidaten Matzka, daß derjenige mit den meisten Stimmen Bürgermeister werden solle. Schlögl hatte weniger Stimmen. Übrigens bezeichnete sich Schlögl schon damals selbst als Populist. April 89: Wahl Schlögls mit SP (wie heute 12 Mandate), damaliger Liste Baum(2 Mandate) und Grün-Alternativer-Liste (1 Mandat). - Schlögl unterschreibt vorher ohne besonderes Federlesen die Durchführung von etwa 20 Forderungen der LIB und ca. 60 Forderungen der Galp. Ein Teil davon wird eingehalten, ein Teil pro forma, ein Teil wird nicht realisiert, ein Teil ins Gegenteil verkehrt. Die LIB-Forderung nach fairer Behandlung der ÖVP entwickelt sich praktisch zu einer Beschlusskoalition VP-SP. Mit dem quasi hauptberuflichen Einsatz Schlögls kann niemand mithalten. LIB und GALP hätten sich zumindest eine faire Behandlung erwartet. Schlögl arrangiert sich schnell mit Mächtigen wie z. b. Pfeil. Ein typischer und wichtiger Streitpunkt war die Nutzung des Amtsblatts, über das der Bürgermeister das ganze Gemeindegeschehen fast ausschließlich auf sich bezog. Schließlich wurde noch vor der Wahl 1990 ein Statut bezüglich Ausgewogenheit beschlossen, das jedoch niemals zum Einsatz kam.
- Der erste Antrag der SPÖ nach Erringung der absoluten Mehrheit 1990 war die Aufhebung dieses Statuts. Bei den 90er Wahlen ereichte die GALP kein Mandat mehr. LIB blieb bei 2 Mandaten. Ich wurde noch zum Vorsitzenden des Prüfungsausschusses. Die diesbezüglichen Erlebnisse mit SP-Leuten wie z. B: Gindl in diesem Ausschuss gehören zu den unerquicklichsten Erlebnissen meines Lebens. - Wir schlossen zwar mit der SP wieder ein Kooperationsabkommen, das aber nicht nur nicht verwirklicht, sondern bezüglich etlicher Maßnahmen ins Gegenteil verkehrt wurde. Schlögl konnte sich übrigens 1995 nicht einmal mehr erinnern, dieses abkommen geschlossen zu haben. Eine Bezügeregelung wurde genauso ausgetüftelt, daß wir den maximalen Nachteil hatten. Die Umweltoffensive kam zum Stillstand, bzw. verkam zu einem Werbeinstrument für den Aufstieg des Bürgermeisters.
1995 fühlte sich Schlögl – das ist sein schwerster Vorwurf mir gegenüber – durch ein Gedicht in der Faschingsausgabe gekränkt. Bei der Wahl griff Schlögl zu einem Trick: er schrieb im Amtsblatt: „Sie können aber auch eine Kombination aus beiden Stimmzettelarten wählen, indem Sie beispielsweise den amtlichen Stimmzettel für die Nennung einer Partei und den nichtamtlichen Stimmzettel für die Nennung eines Gemeinderatskandidaten Ihres Vertrauens verwenden. (Dabei trete) die Partei vollkommen in den Hintergrund"
Das kostete uns und wahrscheinlich jeder Partei ein Mandat. Wir gingen bis zum Verfassungsgerichtshof, bekamen aber nicht recht, weil sich die Verfassungsrichter vereinfacht ausgedrückt nicht für das Purkersdorfer Amtsblatt zuständig fühlten. Schlögl war wieder böse. Vor der Konstituierung wurde folgendes unverblümt übermittelt : Falls Baum abtritt, darf die Liste Baum wieder den Prüfungsausschussobmann machen. Ansonsten wird der Fler gewählt, was auch geschah. Bis 1998 – als Mag. Scholz auch mangels Alternativen bei der F wieder Vorsitzende wird, versäumt der Prüfungsausschuss laut Kontrollbericht des Landes grundlegende Pflichten. - 1995 war überhaupt ein Machtrausch anzutreffen. Obwohl die SP durch den Trick wahrscheinlich wirklich nie mehr als 60 % der Stimmen hatte, wurde die Ausschüsse, Stadträte und andere Machtverteilungen mit 5: 1 festgesetzt! Das war in Wirklichkeit der Keim der heutigen Niederlage. Uns kostete der Verlust des Obmanns ca. 100 000 S.
Auch 2000 versuchte Schlögl wieder den bewährten Trick. Man könne ihn „parteiübergreifend" wählen
Eine wichtige Frage ist, welche Mittel wir haben, wenn sich unsere Partner nicht an die Vereinbarungen halten. Dazu folgende „technische" Information: ein Bürgermeister kann nur mit 2/3 Mehrheit abgewählt werden. Sowohl ÖVP wie SPÖ können das verhindern(, wenn ihre Fraktion einig ist), womit das sehr unwahrscheinlich ist. Gleichzeitig hat der Bürgermeister eine starke Stellung und punktet in der Regel mit einem „Bonus". - Umgekehrt kann ein Gemeinderatsneuwahl mit einem Drittel der Stimmen herbeigeführt werden. Auch das könnten ÖVP oder SPÖ, wenn sie als BGM-Partei die Gunst der Stunde nutzen wollen oder als Nicht-BGM-Partei die Karten neu mischen lassen wollen. – Schriftliche Vereinbarungen können letztlich nicht „eingeklagt" werden (jedenfalls gibt es dafür keine Beispiele). Es bleibt uns eigentlich nur die öffentliche Meinung bzw. das Aufzeigen des Bruches von Zusagen in unserer Zeitung. Erfahrungsgemäß interessiert das aber nur einen größeren Kreis von Leuten, wenn sie selbst unzufrieden sind. Somit bleibt letztlich nur das Vertrauen. Daher die Schwierigkeiten in der Beurteilung der möglichen Partner jetzt.
Klar ist, daß jedewede Entscheidung nicht Ausdruck eines Liebesaktes, sondern sich aus der Situation ergibt. Daher kann es nicht verwundern, daß bei beiden Kandidaten die Kontraargumente überwiegen.
Argumente pro und contra Schlögl
Reihenfolge zufällig. Ohne Gewichtung!
Contra
Mit mangelnder Zeit kann dies jedenfalls nicht entschuldigt werden, da er für viel unwichtigere Dinge in Purkersdorf sehr wohl viel Zeit hatte.
Dass Schlögl (fast) von jedem SP-Gemeinderat ein unterschriebenes Blankorücktrittsschreiben hat, ist nicht sehr außergewöhnlich, liegt aber auf dieser Linie
Pro
Vielleicht bringen ihn diese einschneidenden Erlebnisse – mit unseren Verhandlungen als Tüpfchen auf dem I tatsächlich zu einem Umdenken.
Argumente pro und contra Fuchs
Reihenfolge zufällig. Ohne Gewichtung!
Contra
Pro
Zurück zum Schwarzenegger-Film: Neueste Filme lassen bekanntlich per Knopfdruck die Entwicklung der Filmhandlung in verschiedene Richtungen hin zu. Es könnte also doch sein, das der Ausgang des Films wirklich offen ist. Prinzip Hoffnung!