Purkersdorf Online

Ich fahr gern nach Litschau


„This was my home“ zeigt mir Ahmed ein Foto seines Elternhauses auf seinem Handy, ein Haus, einstöckig, mit Garten. „And this is what it looks like now“. Er scrollt weiter, bis zu einem Steinhaufen, einer Ruine.

Seit kurzem lebt Ahmed in Litschau. Er ist einer von 15 jungen Männern, denen in der kleinen 2274 Einwohner*innen zählenden Stadtgemeinde im nördlichen Waldviertel ein Dach über dem Kopf geboten wird.

Beim heurigen 9. Schrammel–Klang Festival  war viel zu hören von Emigranten. Zum Beispiel vom Österreicher Hermann Leopoldi, eigentlich Hersch Kohn, dem Meidlinger Kabarettisten, der Dachau und Buchenwald überlebt hat und es schließlich doch noch ins Ausland geschafft hat.

„Da wärs ned schlecht, wenn ma Englisch könnt“ meinte jener im Exil in New York. Aber er hat es nicht leicht gehabt mit dem Erlernen, denn im Emigranten-Viertel „Washington Hights“, nördlich von Harlem, sprach man nur Deutsch.

Am heutigen Abend ist Ahmed ein Star. Beim Schrammel-Klang Festival hat er auf Initiative des Intendanten Zeno Stanek mitgewirkt. Als Hilfe beim Tische abräumen. Wenn hunderte Festivalbesucher*innen gleichzeitig bewirtet werden wollen, sind die Burschen eine große Unterstützung. Da geht auch das eine oder andere Wort aus dem neuen Wortschatz.  „Brauchsdno?“ „Gehdscho? “ und „Cool“.

Jetzt stehen sie mit allen Helfer*innen auf der Bühne, werden beklatscht und grüßen und strahlen in die Menge wie Fußballer nach dem gewonnenen Match.

In ihrem Schrammel-Klang T-Shirt gehören sie alle zur Crew. Scherzen schon mit einheimischen Jugendlichen, „Every day Party in Litschau“. „Wait for the Winter, it beginns in September“ wirft ein eingeborener Litschauer  ein. Matthias hängt öfter ab mit den Irakis, empfindet sie als Bereicherung, überhaupt jetzt in den Ferien. Und er lernt bereits Arabisch. Ilse hat zwei Bücher „Deutsch für Araber“ aufgetrieben, in arabischen Buchstaben, die schenkt sie den Jugendlichen.

„Klar, bei uns gibt’s auch solche, die blöd reden“, meint Robert, der ortsansässige Grafiker, „aber wenn ich dann red mit ihnen, kommst bald drauf, dass sie unsicher werden in ihrem Vorurteil. Wenn die im eigenen Sumpf dümpeln geht halt a nix weiter“, ist er überzeugt.

Ich fahr gern nach Litschau, auch außerhalb der Festivalzeit, wegen der Natur und wegen meiner Freunde. Jetzt noch lieber.

„Wenn jede Gemeinde 15 Flüchtlinge aufnehmen würde, gäb’s kein Problem“ sagt Zeno im Schlusswort. Und dass er stolz ist auf die Litschauer.

„Das wär i auch gern, auf uns Purkersdorfer“ sage ich zu meinem Begleiter und denke an die vielen Möglichkeiten, die sich bei uns bieten würden, um Menschen, die alles verloren haben bei einem ersten Schritt in eine Zukunft zu helfen.

 

von Luzia Bäck


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Letzte Änderung: 2015-07-27 - Stichwort - Sitemap