Die Wienerwaldkonferenz

 Bericht von einer Veranstaltung der Wienerwaldkonferenz


Effiziente Siedlungsstruktur
Ist eine nachhaltige Siedlungsentwicklung im Wienerwald möglich?

(Wie) Sollen weitere 81000 im Wienerwald wohnen?

 Wir leben im Biosphärenpark Wienerwald. Was nun bei uns dadurch genau anders sein soll, ist allgemein wenig bekannt. Gemäß der Sevilla-Strategie der UNESCO ist es ein zentrales Ziel eines Biosphärenparks, als Modellregion eine Vorbildfunktion für ein harmonisches,
"nachhaltiges" Miteinander von Mensch und Natur einzunehmen. Gerade im
Biosphärenpark Wienerwald, der mittlerweile seit Jahrzehnten einer intensiven
Verstädterung des Umlands der Großstadt ausgesetzt ist, stellt dieser Anspruch punkto Siedlungsentwicklung eine große Herausforderung dar. Denn das über weite Strecken, vor allem entlang der großen Verkehrsachsen) chaotische Siedlungswachstum in diesem Raum hat zu einer chronischen Überbelastung der Verkehrsinfrastrukturen geführt. Von Modellregion ist bis dato nichts zu merken; ja noch unerfreulicher, es wird daran von den Hauptentscheidungsträgern auch nicht gearbeitet, ja es gibt daher auch wenig ernsthafte Planungen.
Ein wesentlicher Punkt ist für ein harmonisches, "nachhaltiges" Miteinander von Mensch und Natur ist das (zukünftige) Wohnen. Wohnen im Einklang mit der Natur heißt vor allem niedriger Energieverbrauch, bzw. Nutzung erneuerbarer Energien; und vor allem ob, wo und wie gebaut werden soll.
Natürlich wäre es sehr verkürzt, wenn (kürzlich) in den Wienerwald Gezogene keine weiteren Bauten mehr wollen. Oft vergessenes Faktum ist aber, dass etwa in Purkersdorf mit derzeit ca. 9000 HauptwohnsitzerInnen auf Grund des geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan viele weitere (Aus)Bauten möglich sind , die insgesamt zu einer Einwohnerzahl von insgesamt ca. 25000 führen.
 
D.h. es stellt sich real die Frage, ob und wie in Zukunft die Nutzung der beträchtlichen
Baulandreserven gesteuert werden soll.
Am 28. Oktober 2010 fand nun dazu im Cafe Jugendstil eine Veranstaltung mit Dr. Robert Musil von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften statt. "Effiziente Siedlungsstrukturen. Ist eine nachhaltige Siedlungsentwicklung im Wienerwald möglich?" Der Vizebürgermeister von Purkersdorf, Dr. Christian Matzka begrüßte und kam hinsichtlich der geschichtlichen Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert schnell zur Sache. Er schrieb ja schon vor einiger Zeit auch eine Arbeit darüber, wie etwa in den 70er Jahren parteipolitische Interessen über Wohnbaugenossenschaften die Entwicklung von Purkersdorf gesteuert haben.
Im Vortrag berichtete Dr. Robert Musil über ein mehrjähriges Forschungsprojekt im Rahmen von „Man and Bioshpere“ zur Siedlungsentwicklung im Biosphärenpark Wienerwald.
 
Er führte u. a. aus, dass im Wienerwald bei Fortdauer der gegebenen Trends das Bevölkerungswachstum – auf Basis der Freiflächen und möglichen Verdichtungsflächen in den jeweiligen Siedlungskörpern errechnet –sich bis 2050 auf rund 81.000 Personen belaufen würde (gegenwärtige Einwohnerzahl: 288.000). Diese Zahl entspricht dem Bevölkerungsanstieg der letzten vier Jahrzehnte.
 
Das Ziel einer vorausschauenden Raumordnung ist gerade auch im Wienerwald der sparsame Flächenverbrauches, aus ökologischen Gründen, aber auch aus ökonomischen Gründen, denn Verkehr und Infrastruktur kostet auch, und hängt von der Siedlungsstruktur ab.
Robert Musil stellt auch die Verschiedenartigkeit der Siedlungsstruktur und die vorhandenen Baulandreserven im Wienerwald dar.
 
Abschließend stellte Musil Ergebnisse nach der „ABC-Methode“ der niederländischen Raumplanung in ihrer Anwendung auf die Baulandreserven des Wienerwaldes als mögliche Bewertungs- und Lösungsansätze vor. Dies klassifiziert das Bauland nach der Nähe zum Ortzentrum und zu öffentlichen Verkehrsmittel. In Zentrumsnähe und nahe öffentlichen Verkehrsmittel könne auch dichter gebaut werden, da so Verkehrs-, Energie- und Infrastrukturkosten sowie Umweltauswirkungen optimal gestaltet werden können. Aufbauend auf diesen Grundlagen kann dann an „Schrauben“ der Raumordnung wie Umwidmung, Bebauungshöhe, Bebauungsabstand zur Grundgrenze usw. gedreht werden. Allerdings nicht willkürlich, sondern eben nach einem gerechten System, sonst können „Entschädigungen“ verlangt werden. Genau dazu lieferte der Vortrag Grundlagen.
Die lange Diskussion unter den Anwesenden, oft selbst einschlägig tätig, zeigte den Bedarf sich über diese oft verdrängten oder vordergründig behandelten Grundsatz- und Zukunftsfragen auszutauschen. Und es wurde auch klar, dass bei einem politischen willen Änderungen auch schnell erreicht werden können: wenn z. B. die Wohnbauförderung nur mehr im sinne nachhaltiger Ziele eingesetzt wird.
 
[Die Präsentation des Vortrags ist auf der Homepage der Wienerwaldkonferenz einsehbar. <weiter>]
 
Josef Baum

Aus der Presse:    NÖN vom 28.10.2010

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