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Re: Das Schandmal auf der Feihlerhöhe
Ich hab`mir die Feihlerhöhe sehr genau angesehen: Super
gemacht von der
Stadtgemeinde - indes: ein hinweis auf die
austrofaschistische und
nationalsozialistische vergangenheit von j. weinheber fehlt!
Dr. Manfred Bauer
Auch ich finde die Umgestaltung als gelungen und einen
Gewinn. Wiesen
und freie Sicht sind bei uns doch rares Gut.
Das Denkmal auf der Feihlerhöhe erachte ich als Schandmal,
das einer
neuen Kontextualisierung bedarf.
Ich will es nicht dabei belassen, auf einer Tafel die
Tragödie des
faschistischen Propagandisten Weinheber zu beschreiben.
Das liegt ein dreivertel Jahrhundert zurück.
Vor halb so langer Zeit haben im Zuge der Stadterhebung die
damaligen
"Stadtväter" dem Josef Weinheber dieses Denkmal gewidmet,
haben ihm
damit die Ehre erwiesen - ohne sich in gebotenem Maß von der
Gesinnung
des Geehrten zu distanzieren. Das ist die Purkersdorfer
Variante des
Falles Waldheim.
In der Ablehnung des Nationalsozialismus wird man sich in
Österreich
heute schnell einig. Die Ablehnung des Austrofaschismus ist
schon nicht
mehr so einhellig. Spannend wird dann die jüngere
Zeitgeschichte, die
sich mit dem späteren Umgang mit den faschistischen
Verbrechen und den
Tätern auseinander setzt. Wie gehen wir in Purkersdorf
mit diesem
historischen Ballast um?
Eine gewisse Hoffnung habe ich da in den Historiker
Christian Matzka,
der ja auch Vizebgm. und Kulturstadtrat ist.
Die andauernde Ehrung Weinhebers in dieser Form ist eine
Last für jeden
Menschen mit demokratischer Gesinnung. Lassen wir uns auf
Auseinandersetzung und Veränderung ein!
Ich halte für gleichermaßen wichtig, Weinhebers Gesinnung
mit einer
Zusatztafel zu thematisieren wie die "Rezeptionsgeschichte"
(Coppyright
Dr. Christian Matzka)des "Denk"mals aufzuarbeiten: 1967
beschloss
immerhin eine seltsame politische Liaison, bestehend aus einem
sozialdemokratischen Bürgermeister Hein, einem
ÖVP-Vizebürgermeister
Schlintner und einem kommunistischen Gemeinderat Czernoch, die
Aufstellung des Weinheber-Denkmals. Czernoch war übrigens
ein glühender
Verehrer Weinhebers. Seltsam, oder?
Manfred Bauer
Mag. Dr. Kurt Schlintner nimmt Stellung zum Beitrag von Dr.
Manfred
Bauer in „Purkersdorf - online-Feihlerhöhe / Weinheber“ vom
30.Oktober
2011.
Weinheber, missbraucht, als Extremist verunglimpft, zerrüttet,
verfolgt: eine Größe!
Als einziger noch Lebender des diffamierten Trios von 1967,
Ing. Hein
(S), Dr. Schlintner (V), Alfred Czernoch (K) muss ich
festhalten und
auch korrigieren:
Es ist unwahr, daß Weinheber schlichtweg als Fanatiker von
1934-1945,
als ein NS-Poet, ein rabiater faschistischer Reimeschmied zu
bezeichnen ist.
Wahr ist viel mehr (um es mit Schiller auszudrücken): “Von der
Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein
Charakterbild in der
Geschichte.“
Unwahr ist, daß er sich als Propagandist unbeirrbar in den
Dienst der
NS-Ideologie gestellt hat, als Nazikünstler.
Wahr ist viel mehr, daß er, der unruhig Suchende, die
erwähnte Zeit
über wohl mehrmals mit den Systemen sympathisiert hat, in
erster Linie
aber als Dichter österreichischer Sachlichkeit mit
außerordentlicher
Sprach - und Formbegabung bemüht war, in Tradition der
deutschen Lyrik
wie der Antike die hohe Kunst der Vergangenheit zu erneuern, ohne
dabei seine österreichische, seine wienerische Eigenart, die
Sprache
des Volkes, preiszugeben (verkürzte Würdigung 2162 lt.
Bescheid des BM
für Unterricht und Kunst 1981).
Unwahr ist daß er sich die übrige Zeit gegenüber dem Regime
nur still,
quasi billigend verhalten hat, angepasster Ideologe des „Dritten
Reichs“ war.
War ist viel mehr, daß er gegebenenfalls Kritik am System
geübt hat,
man denke nur an seinen energischen Widerspruch, seine furchtlose
Auseinandersetzung mit dem bald sprachlos -erstarrten
Goebbels vor
versammelter Prominenz in aller Öffentlichkeit.
Und unwahr ist schließlich, daß die mundflink angefeindete
Errichtung
des Weinheber-„Schandmals“ ein Alleingang der erwähnten
„seltsamen
politischen Liaison“ war.
War ist vielmehr, daß die Erinnerungsstätte 1967 ein Werk
der Gemeinde
Purkersdorf war ( nach einem Geschenk der Schlaraffia
Burkhardia),
einem Weinheber-Relief von Prof. Rudolf Pleban, Präsident der
bildenden Künstler Niederösterreichs); und daß die Gemeinde sich
mehrmals zu Weinheber bekannt hat, vor 1967 und nachher,
auch zu einer
Zeit, da Dr. Bauer schon Mitglied des Purkersdorfer
Gemeinderats war.
An Schillers Gedichtzeilen muß ich denken, während ich dieses
niederschreibe: „Es liebt die Welt das Strahlende zu
schwärzen und das
Erhabene in den Staub zu ziehen“.
Da sei Gott vor: Weinheber war weder strahlend noch
erhaben. Er war
ein vielfach fehlender, vielfach büßender, letztendlich
unglücklicher
Autor in Irrungen des 20.Jhdts. Und war trotz alledem von
beeindruckender Größe. Der Lebende wie der Tote lässt, bei
all seinen
Missgriffen – Aktionen wie Bildersturm, Index oder
Bücherverbrennung verabscheuungswürdige Exzesse unseliger
Perioden
nicht zu, und wir dürfen auch nicht zulassen, daß so etwas ihm
gegenüber Platz greift.
Drei Bemerkungen darüber hinaus:
Daß Sitzungen von Gemeinderats-Ausschüssen, da nicht
öffentlich, der
Verschwiegenheitspflicht unterliegen, das scheint für Lg
Bina nichts
zu bedeuten;
das für Frau Dr. Grete Aschermann das Weiheber Denkmal „ein
Schlag ins
Gesicht für alle Antifaschisten“ ist, verwundert, hat doch
1967 ihr
inzwischen verstorbener, von uns allen hochgeschätzter Mann
sich sehr
(allerdings erfolglos) um den Auftrag zur Errichtung des Denkmals
bemüht;
daß Herr Dr. Bauer, der so ziemlich alles, womit er
aufwarten kann,
seinem Onkel Alfred Czernoch verdankt, jetzt über ihn
herzieht, wirkt
menschlich befremdend.
Dr. Kurt Schlintner
In Antwort auf den persönlich an mich weitergeleiteten
Diskussionsbeitrag Herrn Dr.
Schlintners:
Als ich noch 6 km von hier entfernt im 14. Wiener Randbezirk
wohnte (vor 23 Jahren), waren
viele kommunalen und politischen Aspekte des städtischen
Zusammenlebens für mich
reichlich abgerückt, geradezu abstrakt.
Wie überraschend war es dann für mich, in Purkersdorf eine
ganz andere Möglichkeit und
Qualität des Eingebundenseins in persönliche und politische
Zusammenhänge zu spüren und
zu begreifen.
Nun ist seit kurzem durch die geglückte Gestaltung der
Feihlerhöhe eine "neue Sicht" auf
Purkersdorf möglich. (Sogar die Vielfalt der Streuobstwiese
könnte auf den Betrachter als
Inspiration wirken...)
Beim Blick auf das Denkmal des Dichters Josef Weinheber und
dem Versuch, seinem
tragischen und mit dem NS-Regime verstrickten Lebensmosaik
nach zu gehen, kommt viel
Betroffenheit, viel Schmerzliches auf.
Angesichts des immensen Anspruches des "wortgewaltigen"
Dichters, "das Volk zur Sprache
zu führen", scheint es mir nicht richtig, sich nur hinter
seine dichterisch-formale Virtuosität
und leutselig klingende Volksverbundenheit zu stellen.
Als "Nachgeborene" bin ich nicht direkt involviert in die
beklemmenden Geschehnisse der
faschistischen Regime der Vorkriegs- und Kriegsjahre.
Dennoch bin ich ein kleiner Teil des
familiären, historischen und menschlichen "Kontinuums". Es
geht mir nicht um überhebliches
Besserwissen! Es geht nicht um "Bildersturm", sondern um
Stellungnahmen - und um ein
Stück von etwas, das möglicherweise als "Trauerarbeit"
bezeichnet werden könnte.
So halte ich eine das Denkmal begleitende Stellungnahme für
angemessen. Heilsam. -
Merke an mir selbst, wie mich dieser Anlass ein weiteres Mal
herausfordert, mich mit meiner
persönlichen Haltung zu diesem Thema auseinander zu setzen.
Das differenzierte Bild, welches in den vielfältigen
Sichtweisen dieses Purkersdorf-Forums
entsteht, finde ich ermutigend.
Ermutigend in einer Zeit, die Mut nötig braucht.
P.S. Bitte keine anderen Denkmäler auf der Feihlerhöhe
greta aschermann
Lieber Herr Schlintner
Weder bin ich über meinen Onkel, wie sie formulieren; "hergezogen",
noch stimmt ihre apodiktische Behauptung, alles, womit ich
heute "aufwarten" kann, habe ich Hr. Czernoch zu verdanken. Den Mythos,
den Sie und andere um Czernoch weben, könnte ich sehr rasch auflösen,
wenn ich mir die Realität, wie ich sie im Haushalt Czernoch erlebt
habe, vergegenwärtige: Da waren etwa Ohrfeigen (Onkel nannnte sie
euphemistisch "Dachteln") oder "Kopfnüsse" an der Tagesordnung. Und
meinen akademischen Grad, womit ich heute "aufwarten" kann, habe ich
mitnichten Alfred Czernoch zu verdanken, sondern einzig mir alleine,
der sich das Studium als Vertragsbediensteter des Bautenministeriums
(40-Stunden-Woche) selbst finanziert und abgeschlossen hat.
Ich ersuche Sie, auf dem Hintergrund aller Schönfärberei betr.
Czernoch, dies zur Kenntnis zu nehmen und verbleibe mit respektvollen
Grüßen
Manfred Bauer
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