Purkersdorf Forum Archiv 2010-2013
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manfred bauer ® sagt am 17.11.2011 12:30 zu grete aschermann ®:Erster Beitrag

Re: Das Schandmal auf der Feihlerhöhe


Ich hab`mir die Feihlerhöhe sehr genau angesehen: Super gemacht von der Stadtgemeinde - indes: ein hinweis auf die austrofaschistische und nationalsozialistische vergangenheit von j. weinheber fehlt! Dr. Manfred Bauer


Auch ich finde die Umgestaltung als gelungen und einen Gewinn. Wiesen und freie Sicht sind bei uns doch rares Gut.
Das Denkmal auf der Feihlerhöhe erachte ich als Schandmal, das einer neuen Kontextualisierung bedarf. Ich will es nicht dabei belassen, auf einer Tafel die Tragödie des faschistischen Propagandisten Weinheber zu beschreiben. Das liegt ein dreivertel Jahrhundert zurück. Vor halb so langer Zeit haben im Zuge der Stadterhebung die damaligen "Stadtväter" dem Josef Weinheber dieses Denkmal gewidmet, haben ihm damit die Ehre erwiesen - ohne sich in gebotenem Maß von der Gesinnung des Geehrten zu distanzieren. Das ist die Purkersdorfer Variante des Falles Waldheim.
In der Ablehnung des Nationalsozialismus wird man sich in Österreich heute schnell einig. Die Ablehnung des Austrofaschismus ist schon nicht mehr so einhellig. Spannend wird dann die jüngere Zeitgeschichte, die sich mit dem späteren Umgang mit den faschistischen Verbrechen und den Tätern auseinander setzt. Wie gehen wir in Purkersdorf mit diesem historischen Ballast um? Eine gewisse Hoffnung habe ich da in den Historiker Christian Matzka, der ja auch Vizebgm. und Kulturstadtrat ist.
Die andauernde Ehrung Weinhebers in dieser Form ist eine Last für jeden Menschen mit demokratischer Gesinnung. Lassen wir uns auf Auseinandersetzung und Veränderung ein!

Ich halte für gleichermaßen wichtig, Weinhebers Gesinnung mit einer Zusatztafel zu thematisieren wie die "Rezeptionsgeschichte" (Coppyright Dr. Christian Matzka)des "Denk"mals aufzuarbeiten: 1967 beschloss immerhin eine seltsame politische Liaison, bestehend aus einem sozialdemokratischen Bürgermeister Hein, einem ÖVP-Vizebürgermeister Schlintner und einem kommunistischen Gemeinderat Czernoch, die Aufstellung des Weinheber-Denkmals. Czernoch war übrigens ein glühender Verehrer Weinhebers. Seltsam, oder? Manfred Bauer
Mag. Dr. Kurt Schlintner nimmt Stellung zum Beitrag von Dr. Manfred Bauer in „Purkersdorf - online-Feihlerhöhe / Weinheber“ vom 30.Oktober 2011.

Weinheber, missbraucht, als Extremist verunglimpft, zerrüttet, verfolgt: eine Größe!
Als einziger noch Lebender des diffamierten Trios von 1967, Ing. Hein (S), Dr. Schlintner (V), Alfred Czernoch (K) muss ich festhalten und auch korrigieren:
Es ist unwahr, daß Weinheber schlichtweg als Fanatiker von 1934-1945, als ein NS-Poet, ein rabiater faschistischer Reimeschmied zu bezeichnen ist. Wahr ist viel mehr (um es mit Schiller auszudrücken): “Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte.“
Unwahr ist, daß er sich als Propagandist unbeirrbar in den Dienst der NS-Ideologie gestellt hat, als Nazikünstler.
Wahr ist viel mehr, daß er, der unruhig Suchende, die erwähnte Zeit über wohl mehrmals mit den Systemen sympathisiert hat, in erster Linie aber als Dichter österreichischer Sachlichkeit mit außerordentlicher Sprach - und Formbegabung bemüht war, in Tradition der deutschen Lyrik wie der Antike die hohe Kunst der Vergangenheit zu erneuern, ohne dabei seine österreichische, seine wienerische Eigenart, die Sprache des Volkes, preiszugeben (verkürzte Würdigung 2162 lt. Bescheid des BM für Unterricht und Kunst 1981).
Unwahr ist daß er sich die übrige Zeit gegenüber dem Regime nur still, quasi billigend verhalten hat, angepasster Ideologe des „Dritten Reichs“ war.
War ist viel mehr, daß er gegebenenfalls Kritik am System geübt hat, man denke nur an seinen energischen Widerspruch, seine furchtlose Auseinandersetzung mit dem bald sprachlos -erstarrten Goebbels vor versammelter Prominenz in aller Öffentlichkeit.
Und unwahr ist schließlich, daß die mundflink angefeindete Errichtung des Weinheber-„Schandmals“ ein Alleingang der erwähnten „seltsamen politischen Liaison“ war.
War ist vielmehr, daß die Erinnerungsstätte 1967 ein Werk der Gemeinde Purkersdorf war ( nach einem Geschenk der Schlaraffia Burkhardia), einem Weinheber-Relief von Prof. Rudolf Pleban, Präsident der bildenden Künstler Niederösterreichs); und daß die Gemeinde sich mehrmals zu Weinheber bekannt hat, vor 1967 und nachher, auch zu einer Zeit, da Dr. Bauer schon Mitglied des Purkersdorfer Gemeinderats war.
An Schillers Gedichtzeilen muß ich denken, während ich dieses niederschreibe: „Es liebt die Welt das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu ziehen“. Da sei Gott vor: Weinheber war weder strahlend noch erhaben. Er war ein vielfach fehlender, vielfach büßender, letztendlich unglücklicher Autor in Irrungen des 20.Jhdts. Und war trotz alledem von beeindruckender Größe. Der Lebende wie der Tote lässt, bei all seinen Missgriffen – Aktionen wie Bildersturm, Index oder Bücherverbrennung verabscheuungswürdige Exzesse unseliger Perioden nicht zu, und wir dürfen auch nicht zulassen, daß so etwas ihm gegenüber Platz greift.
Drei Bemerkungen darüber hinaus:
Daß Sitzungen von Gemeinderats-Ausschüssen, da nicht öffentlich, der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, das scheint für Lg Bina nichts zu bedeuten;
das für Frau Dr. Grete Aschermann das Weiheber Denkmal „ein Schlag ins Gesicht für alle Antifaschisten“ ist, verwundert, hat doch 1967 ihr inzwischen verstorbener, von uns allen hochgeschätzter Mann sich sehr (allerdings erfolglos) um den Auftrag zur Errichtung des Denkmals bemüht;
daß Herr Dr. Bauer, der so ziemlich alles, womit er aufwarten kann, seinem Onkel Alfred Czernoch verdankt, jetzt über ihn herzieht, wirkt menschlich befremdend.

Dr. Kurt Schlintner

In Antwort auf den persönlich an mich weitergeleiteten Diskussionsbeitrag Herrn Dr. Schlintners:
Als ich noch 6 km von hier entfernt im 14. Wiener Randbezirk wohnte (vor 23 Jahren), waren viele kommunalen und politischen Aspekte des städtischen Zusammenlebens für mich reichlich abgerückt, geradezu abstrakt. Wie überraschend war es dann für mich, in Purkersdorf eine ganz andere Möglichkeit und Qualität des Eingebundenseins in persönliche und politische Zusammenhänge zu spüren und zu begreifen. Nun ist seit kurzem durch die geglückte Gestaltung der Feihlerhöhe eine "neue Sicht" auf Purkersdorf möglich. (Sogar die Vielfalt der Streuobstwiese könnte auf den Betrachter als Inspiration wirken...) Beim Blick auf das Denkmal des Dichters Josef Weinheber und dem Versuch, seinem tragischen und mit dem NS-Regime verstrickten Lebensmosaik nach zu gehen, kommt viel Betroffenheit, viel Schmerzliches auf. Angesichts des immensen Anspruches des "wortgewaltigen" Dichters, "das Volk zur Sprache zu führen", scheint es mir nicht richtig, sich nur hinter seine dichterisch-formale Virtuosität und leutselig klingende Volksverbundenheit zu stellen. Als "Nachgeborene" bin ich nicht direkt involviert in die beklemmenden Geschehnisse der faschistischen Regime der Vorkriegs- und Kriegsjahre. Dennoch bin ich ein kleiner Teil des familiären, historischen und menschlichen "Kontinuums". Es geht mir nicht um überhebliches Besserwissen! Es geht nicht um "Bildersturm", sondern um Stellungnahmen - und um ein Stück von etwas, das möglicherweise als "Trauerarbeit" bezeichnet werden könnte. So halte ich eine das Denkmal begleitende Stellungnahme für angemessen. Heilsam. - Merke an mir selbst, wie mich dieser Anlass ein weiteres Mal herausfordert, mich mit meiner persönlichen Haltung zu diesem Thema auseinander zu setzen.
Das differenzierte Bild, welches in den vielfältigen Sichtweisen dieses Purkersdorf-Forums entsteht, finde ich ermutigend. Ermutigend in einer Zeit, die Mut nötig braucht.
P.S. Bitte keine anderen Denkmäler auf der Feihlerhöhe greta aschermann

Lieber Herr Schlintner
Weder bin ich über meinen Onkel, wie sie formulieren; "hergezogen", noch stimmt ihre apodiktische Behauptung, alles, womit ich heute "aufwarten" kann, habe ich Hr. Czernoch zu verdanken. Den Mythos, den Sie und andere um Czernoch weben, könnte ich sehr rasch auflösen, wenn ich mir die Realität, wie ich sie im Haushalt Czernoch erlebt habe, vergegenwärtige: Da waren etwa Ohrfeigen (Onkel nannnte sie euphemistisch "Dachteln") oder "Kopfnüsse" an der Tagesordnung. Und meinen akademischen Grad, womit ich heute "aufwarten" kann, habe ich mitnichten Alfred Czernoch zu verdanken, sondern einzig mir alleine, der sich das Studium als Vertragsbediensteter des Bautenministeriums (40-Stunden-Woche) selbst finanziert und abgeschlossen hat. Ich ersuche Sie, auf dem Hintergrund aller Schönfärberei betr. Czernoch, dies zur Kenntnis zu nehmen und verbleibe mit respektvollen Grüßen Manfred Bauer

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