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dicampi ® sagt am 07.07.2007 09:41 zu Schlagitweit ®:Erster Beitrag

Re: Filmabend in der Bühne: "1. April 2000" am 6.7


Morgen gibts in der Bühne ein Filmschmankerl. Ein Staatsfilm, gedreht in den frühen 50er Jahren, mit allem, was Rang und Namen hatte. Ironisch gesehen kann man lachen. Doch ist er auch ein Lehrbeispiel, wie die österreichische Nachkriegsidentität konstruiert wurde. Am Ende des Films wissen wir: Österreich ist unschuldig und war immer redlich. Und wer gut ist, kriegt den Lohn, die Freiheit.

Noch einige ergänzende Informationen zum Film "1. April 2000":
Originaltitel: 1. April 2000 Produktionsland: Österreich Erscheinungsjahr: 1952 Länge (PAL-DVD): 105 Minuten Originalsprache: Deutsch
Stab Regie: Wolfgang Liebeneiner Drehbuch: Ernst Marboe, Rudolf Brunngraber Produktion: Karl Ehrlich Kamera: Sepp Ketterer, Karl Löb, Fritz Arno Wagner
Besetzung Hilde Krahl: Präsidentin Josef Meinrad: Ministerpräsident Waltraut Haas: Mitzi Judith Holzmeister: Ina Equiquiza Curd Jürgens: Capitano Herakles Hans Moser: Komponist Paul Hörbiger: Augustin Erik Frey: Prinz Eugen
1. April 2000 ist ein Science-Fiction-Film von Regisseur Wolfgang Liebeneiner, der im Jahr 1952 im Auftrag und durch Finanzierung der österreichischen Bundesregierung hergestellt wurde. Dem Regisseur stand bei diesem zu Recht häufig als „Staatsfilm“ bezeichneten Werk ein Starensemble zur Verfügung: Hilde Krahl, Josef Meinrad, Curd Jürgens, Hans Moser, Paul Hörbiger, Helmut Qualtinger. Autoren des Drehbuchs waren Ernst Marboe und Rudolf Brunngraber. Der Film ist einer von 50 Filmen, die in der Edition „Der österreichische Film“ als DVD veröffentlicht wurden.
Nach unzähligen, ergebnislosen Verhandlungen mit den alliierten Siegermächten über die Unabhängigkeit Österreichs fordert der österreichische Ministerpräsident seine Landsleute auf, ihre viersprachigen, von den Alliierten ausgegebenen Personalausweise zu zerreißen, um ein Signal zu setzen. Österreich wird daraufhin von den Alliierten vor dem Weltgericht des Bruchs des Weltfriedens angeklagt. Die implizite Botschaft ist eindeutig: So wie Österreich bereits zwei Mal in seinen Augen unschuldigerweise des Bruchs des Weltfriedens bezichtigt wurde (nämlich 1914 und 1939), so geschieht dies nun, im fiktiven Jahr 2000, wieder. Das Weltgericht schwebt mit seiner Rakete in Wien ein und landet vor dem Schloss Schönbrunn. Die Österreicher müssen nun beweisen, dass sie ein derartig liebenswürdiges Volk sind, dass sie niemals den Weltfrieden brechen könnten. Von Mozart über Prinz Eugen, Kaiserin Maria Theresia, dem Wiener Wein, dem Wiener Walzer, den Bergen, Musikkapellen etc. wird alles hervorgebracht, was Österreich angeblich liebenswert macht. Als das Land schließlich dennoch kurz vor einer Verurteilung steht, findet man die (nicht fiktive) Moskauer Deklaration von 1943, die besagt, Österreich die Unabhängigkeit wieder zu geben, was als Schlusspunkt des Films auch geschieht. Wieder zurück in der Gegenwart wird allerdings beklagt, dass dies ja alles erst im Jahr 2000 geschehen werde.
Es handelt sich um einen Science-Fiction-Film, der einerseits dazu dienen sollte, den Österreichern nach der Trennung Österreichs von Deutschland im Jahre 1945 ein spezifisches „österreichisches Bewusstsein“ zu vermitteln, das sich von Deutschland und damit auch vom Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust abgrenzte. Pikanterweise vertraute man diese Aufgabe einem Regisseur an, der während der Zeit des Nationalsozialismus erheblichen Einfluss auf das Filmschaffen hatte. Der Film arbeitet sehr argumentativ mit der landes-typischen Mentalität und retouchierter Historie (und neu gefundener Identität?), die nicht nur von innen heraus konstruiert, sondern durchaus auch beispielsweise durch die britische Besatzungsmacht verbreitet wurde. Diesen Ausgangsvorteil machte sich das Zweier-Gespann Brunngraber-Marboe dienlich, scheinbar um das nach Außen hin bereits existenten Bild des feucht-fröhlichen wie friedfertigen Österreichers zu propagieren. Mit dieser Voraussetzung argumentierend, sollte durch den Film andererseits auch ein starkes Signal an die Alliierten gegeben werden, Österreich endlich einen Staatsvertrag zu geben, der dem Land seine Souveränität zurückgeben würde. Diesem Wunsch wurde schließlich auch im Jahre 1955 mit dem Österreichischen Staatsvertrag stattgegeben. Die politischen Auswirkungen des Films diesbezüglich können als äußerst gering eingeschätzt werden, da selbst zahlreiche österreichische Zeitungen, im Vordergrund hierbei vor allem die kommunistischen Blätter, jene "österreichische Komödie" als dem Staatsvertrags-Prozess wenig dienlich einstuften.
Ernst Kieninger, Nikola Langreiter, Armin Loacker, Klara Löffler (Hrsg.): 1. April 2000, Wien, 2000 Beate Hochholdinger-Reiterer: Kap.Scherz, Sexismus und Science-Fiction: 1. April 2000 - ein Staat inszeniert Geschichte in Maske und Kothurn, Wien, 2003

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