Mag. Christian Schlagitweit, geb. 1958 im oö. Mühlviertel. Nach Schulabbruch und Bundesheer Eintritt in die ÖBB (Fahrdienstleiter). 1995 beginnt er in Wien Studium von Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie. Seit 2001 beim WAFF tätig und in Purkersdorf lebend. Seit 2004 Aktivist der Liste Baum & Grüne.
Christian, kannst du dich kurz vorstellen?
Ich bin 46, habe meine erste Berufslaufbahn bei den ÖBB vor 10 Jahren beendet, bin von Linz nach Wien gezogen um im 2. Bildungsweg Geschichte zu studieren. Seit 4 Jahren arbeite ich nun beim WAFF, beim Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds als Bildungsberater. In Purkersdorf lebe ich jetzt das vierte Jahr. Ich bin meiner Liebsten wegen hierher gezogen. Mit der engagierten Hebamme Monika Kristan lebe ich in einem Wohnprojekt am Sagberg. Ich habe eine mittlerweile erwachsene Tochter, sie lebt und studiert in Linz.
Wie kommst du dazu, dich auf kommunalpolitischer Ebene zu engagieren?
Ich bin politisch geprägt von den Emanzipationsbewegungen der siebziger Jahre. Die Erfahrung der erfolgreichen Anti-Atomkraftwerksbewegung hat mich gelehrt, dass es lohnt, sich für BürgerInnenrechte einzusetzen. Dazumal haben die Parteien noch unverschämter die Republik als ihre Firma betrachtet. Und dann haben die Menschen sich immer mehr den Parteien entzogen. Selbstorganisation und Bürgerinitiativen haben dem Prinzip der Ein- und Unterordnung eine neue Organisationsform entgegengestellt.
Und da führt ein direkter Weg zur Liste Baum & Grüne?
Was die Politik betrifft, ja. In meiner Biografie war dieser Weg doch verschlungener, da gab es viele leere Kilometer. Ich denke nur an all meine Sympathien für die Grünen und meine Unterstützung für sie, um dann immer wieder ernüchtert zu werden. In Purkersdorf bin ich sogleich mit www.puon.at konfrontiert worden, eine lebendige und innovative Einrichtung, die ich anfangs fälschlich für eine Seite der Gemeinde hielt; hat mich wirklich beeindruckt. Auch die Purkersdorf Information hielt ich bald in meinen Händen und war erstaunt über diese fundierte Informationsarbeit und Oppositionspolitik. An einem Sommermorgen im Jahr 2001 begab ich mich auf die Gemeinde um mich anzumelden. Gleichzeitig kam ein zerstreut wirkender Mann - so wie ich auf einem älteren Fahrrad im Innenhof der Gemeinde an. Es war Josef Baum, den ich just an dem Tag kennen lernte, an dem ich offizieller Purkersdorfer wurde. Es hat dann aber noch fast drei Jahre gedauert, bis ich bei der LIB&G aktiv geworden bin. Der nötigen Impuls kam dann von Marga Schmidl.
Für welche Anliegen möchtest du dich speziell einsetzen?
Ich halte den Themenkomplex Demokratie und Mitbestimmung für einen Schlüsselbereich, der stark auf das Lebensgefühl der Menschen rückwirkt. Wenn Menschen die Möglichkeit haben, gestaltend an ihrer Umwelt mitzuarbeiten, sind sie zufriedener. Wir sind weitgehend elektronisch vernetzt, die modernen Medien sind interaktiv, da liegt ein enormes Potenzial der öffentlichen Meinungsbildung und Mitbestimmung. Doch in der realen Politik beschränken wir uns auf die Methoden und Institutionen, die mit der Republik von 1918 ins Leben gerufen wurden. Das Gebot nach Transparenz heißt: die Menschen dürfen wissen, was, wie, wann und wo die Kommune etwas vorhat und durchführt. In den Entscheidungsprozessen muss den Betroffenen ein aktives Mitspracherecht eingeräumt werden. Die so weit verbreitete raunzende Untertanenmentalität steht meinem Verständnis vom Citoyen genau so entgegen wie die Arroganz der Mächtigen.
Was hat dich in den vergangenen Jahren besonders gefreut, was besonders geärgert?
Im ökologischen Bereich haben wir in Purkersdorf mit dem Biomasseheizwerk Akzente gesetzt. Auch AST und Stadttaxi sind Innovationen, die manches leichter machen. Auch die kommenden Lärmschutzwände entlang der Eisenbahn werden zahlreiche Menschen enorm entlasten. Die steigende Inanspruchnahme von Purkersdorf-Online ist auch ein Musterbeispiel, mit wie wenig an finanzieller Unterstützung die private Initiative vom Gerhard Bürgmann so eine Breitenwirkung erzielen kann. Das ist moderne Medienarbeit. Wenn ich dagegen das Amtsblatt zur Hand nehme, dann stoßt mir Saures auf. Der Gedanke ist mir einfach unerträglich, dass diese Art von Hochglanz-Hofberichterstattung aus Steuergeldern finanziert wird. Und dann dürfen nicht einmal die Ergebnisse der Wasseruntersuchung darin veröffentlicht werden!
Was machst du, wenn du nicht grad arbeitest?
Ist das die Frage nach Freizeit und Hobbies? So viel, was ich in meiner Freizeit mache, fällt durchaus unter Arbeit, das kann ich nicht so klar trennen. Im warmen Halbjahr beschäftige ich mich überwiegend damit, Haus und Garten zu gestalten. Das ist auch ein wichtiges und kreatives Element in unserer Zweisamkeit. Zum Lesen komme ich eher in der kalten Jahreszeit. Und ich koche gern; vor allem, wenn ich anschließend mit FreundInnen essen kann, die es hör- und sichtbar genießen. Kino, Theater, Konzerte und Reisen kommen viel zu kurz in meinem Leben. Als Tanzpartner würde ich mich nicht empfehlen.
Karl Berger führte das Gespräch mit Christian Schlagitweit