von Dieter Armerding
Transition: Change, alteration, metamorphosis, transformation, transmutation, development, evolution, conversion, modification, metastasis. The Oxford Thesaurus, Oxford University Press, New York, NY, 1992
Es ist ein grundsätzlicher Irrtum anzunehmen, dass ein Biosphärenpark Wienerwald eigentlich nur eingrenzt, was Natur ausmacht oder naturnah ist. Im Rest der Region könnte dann so weiter machen wie bisher. Wir können die Kernzonen verbessern, restaurieren oder so lassen, wie sie sind. Auch, was da als Puffer- und Pflegezonen ausgewählt wurde, ist in der Regel alles andere als perfekt und würde Verbesserungen brauchen. Aber es ist wohl eher der Bereich des Wienerwaldes außerhalb oder zwischendrin, der konkret und unbedingt Änderungen nötig hat.
Natürlich ist der ganze Wienerwald Kulturlandschaft. Ziehen wir aber davon oben erwähnte Zonen ab und picken wir vom Verbleibenden die Rosinen heraus, vielleicht Brauchtum, Geschichtliches, sonst wie Reizvolles, dann bleibt immer noch eine Menge Wienerwald-Region übrig, die mit dem Konzept eines Biosphärenparks nicht nur nicht konform geht, sondern ihm direkt widerspricht. Schutz von Wald und Wiesen, sogar die Sanierung der Landwirtschaft, sind machbar. Warenzeichen Biosphärenpark Wienerwald, Selbstvermarktung von Wienerwaldprodukten, Förderung von Brauchtum und anderem Hergebrachtem, Begünstigung von – sanftem – Tourismus, auch das kann man alles in den Griff bekommen. Aber speziell Letzteres ist doch wohl eher nur Kosmetik im Angesicht der unermesslichen Probleme der Wienerwald-Landschaft.
Jeder Bau von Autobahnen und Schnellstrassen provoziert
einen neuen Siedlungsboom.
Vergessen wir auch nicht: die Natur im Wienerwald ist nicht dazu da, denen die in der Entwicklungszone leben zum Überleben zu verhelfen. Das Gegenteil ist der Fall. Es geht um die Erhaltung der biologischen Ressourcen, um die Konservierung des biogenetischen Erbes um fast jeden Preis. Die, die in der Transition-Area leben, sind aufgerufen, alle Störungen der Kern-Regionen sowie der Puffer-/ Pflegezonen abzuwehren oder zumindest zu mildern. Der Appell geht natürlich auch an alle Verantwortlichen für den Wienerwald, besonders an die, die schon lange den Wienerwald für eigennützige Zwecke ausnützen und ihn ausbeuten, und deren Absichten und Ziele denen des Biosphärenpark-Konzepts genau entgegengesetzt sind.
Die Zersiedelung des Wienerwaldes hat viele Gründe. Aber es ist überwiegend der Siedlungsdruck von Wien ins Umland und speziell in den Wienerwald hinein mit allen katastrophalen Konsequenzen der Hauptgrund, warum ein Biosphärenpark Wienerwald nicht funktionieren, wenn man diese Probleme eher ausklammert als sie effektiv anzugehen.
Die Siedlungen metastasieren mit Vorliebe in den Wald
hinein.
Da herrscht aber nach wie vor große Ratlosigkeit. Die meisten Wienerwald-Bewohner und die offiziell mit der Region Befassten betrachten die Siedlungsentwicklung im Wienerwald als etwas Schicksalhaftes. Dabei sind alle, die es heute in den Wienerwald treibt oder die erst gestern hingezogen sind, mit Schuld an der Misere. Warum bleiben die Wiener nicht in Wien? Hat die Stadtpolitik dort versagt? Warum ist es nach wie vor so leicht, fast überall im Wienerwald zu siedeln? Wozu brauchen wir so etwas wie die PGO und andere ähnliche beamtete Institutionen, wenn die doch eigentlich nur den Untergang registrieren und Statistiken erstellen, die das belegen. Wir brauchen doch eher Leute, die gestaltend in die Zukunft hinein planen können, die Ideen und Konzepte haben, die uns aus der Zwickmühle heraushelfen. Die gegenwärtigen Politiker und ihre Hilfskräfte können dies augenscheinlich nicht, und vielleicht kann man von ihnen auch nicht erwarten, dass sie über den Schatten ihrer eigenen Einfallslosigkeit springen. Eine effektive Biosphärenparkplanung sollte Lösungen für alle Probleme im Wienerwald erarbeiten. Die Konzepterarbeitung für Wald, Offenland und Landwirtschaft ist ein Kinderspiel, und damit es auch funktioniert, arbeiten genügend Experten und Engagierte mit.
Ortschaften expandieren überall hin, wo das Land billig ist.
Gedankenlosigkeit der Gemeindevertreter und skrupelloses
Spekulantentum sind die Basis eines unkontrollierten
Siedlungsbooms.
Trotzdem wäre es einfacher gewesen, wie es von uns und dem WWF vorgeschlagen wurde, einen Nationalpark Wienerwald und mehr Naturwaldreservate einzurichten und sich mehr um den Schutz der Wienerwaldwiesen zu kümmern. Geld sollte da keine Rolle spielen in anbetracht der Alternative für die sich die Regierenden entschieden haben. Ein Biosphärenpark bedeutet unendlich mehr Probleme, die zu lösen sind, und er wird sehr viel teurer werden. Ein Biosphärenpark kann nur funktionieren, wenn alle drei Zonen: Kern- Zone, Puffer-/Pflege- Zone und Transition Area, sowie alle in ihnen Lebenden miteinander harmonisieren.Vielleicht erkennen die politisch Verantwortlichen nicht, was das wirklich bedeutet. Hier sind die Notwendigkeiten:
- Absoluter und sofortiger Baustopp, keine weitere Ausweitung der Siedlungs-
grenzen.
- Weitgehende Rückwidmungen von Bauland und Industrieerwartungsflächen.
- Verbot jeder Boden- und Immobilien-Spekulation.
- Eine geschicktere Aufteilung von Steuermitteln unter den Wienerwaldgemeinden im
Sinne eines Finanzausgleichs.
- Eine sinnvolle, übergeordnete Raumordnungspolitik.
- Dazu gehört auch der Stopp weiterer Zerschneidung des Wienerwaldes durch Schnellstraßen.
- Straßenrückbau anstatt weiterem Ausbau, besonders Rückbau der in den letzten zehn Jahren neu errichteten Waldstraßen und der zu Durchgangsstraßen ausgebauten Sackgassen. Dies betrifft auch die Höhentrasse in Wien, so wie dies Bürgermeister Häupl bereits 1991 auf dem letzten Wienerewaldtag in Purkersdorf versprochen hatte.
- Überarbeitung der Wien-Umfahrungs-Straßenprojekte. Jede neue Schnellstraße, die fertig wird, provoziert fast automatisch einen neuen Siedlungsboom im Umland von Wien, und da gehört eben überwiegend der Wienerwald dazu.
- Förderung der Wohn- und Lebensqualität in Wien für alle Wiener, damit die da wohnen bleiben, wo sie sind.
- Stopp jeder Erweiterung der Rohstoffgewinnung .
- Verbot von Freizeiteinrichtungen mit destruktivem Impakt auf die Landschaft, inklusive
weiterer Reitställe.
- Land- und Forstwirtschaft sollten im gesamten Wienerwald nachhaltigkeit, und
ökologiegerecht wirtschaften, nicht nur in Puffer- und Pflege-Zonen.
Allein für die Erarbeitung von machbaren Konzepten*, um die angeführten und weiteren Probleme in den Griff zu bekommen, sind mehr Experten nötig, als für die Planung zur Errichtung der ersten beiden Zonen. Die Baukosten für das Wien-Umfahrungs-Projekt betragen 2,5 Milliarden Euro. Es wird Folgekosten geben für die gesamte betroffene Region, die wohl ein Mehrfaches ausmachen. Die Verkehrsprobleme wird das Unternehmen nicht lösen. Also, warum nicht einen Schritt zurückgehen, und das Geld sinnvoller anderswo ausgeben. Der Wienerwald sollte aber auch nicht zu einer Insel inmitten eines zunehmend unwirtlichen Umlandes werden. Für einen langfristigen Erfolg des BiosphärenparkKonzepts ist es unabdinglich, auch die Gebiete ringsherum in irgendeiner Form mit in die Biosphärenparklanung einzubeziehen.
Bauerwartungsland im Wienerwald.
Ein Biosphärenpark sollte von all denen getragen werden, die in ihm und von ihm leben. Die Wienerwaldbewohner sollen sich mit ihrem Lebensraum identifizieren. Mit von oben verordneten Maßnahmen wird das nie funktionieren. Es ist ein neues Modell der Selbstbestimmung und Selbstverwaltung notwendig. Nennen wir es das „Wienerwald-Parlament“. Es sollten da alle Bürgermeister, Umweltgemeinderäte, NGOs, Wissenschaftler, Biosphärenpark Manager und andere. mitmachen: ein neues demokratisches Forum mit umfangreichen Entscheidungsbefugnis-sen. Es wäre vornehmliche Aufgabe der Landesregierungen, einem solche Gremium die notwendige finanzielle Grundlage zu garantieren, und ja, es bedarf auch eines von den Wienerwaldbewohnern gewählten Wiener-wald-Zentrums - einer Wienerwald-Hauptstadt? Aber dies ist ein anderes Kaptitel.
Purkersdorf 1991: Sitz der Wienerwaldkonferenz und vom
Netzwerk Wienerwald.
* Die Wienerwaldkonferenz hatte von 1984 bis 1994 in zahlreichen Arbeitskreisen und zusammen mit kompetenten Wissenschaftlern die Grundlagen machbarer Konzept für die meisten Wienerwaldprobleme entwickelt, die nach wie vor gültig sind. Man muss also nicht bei Null anfangen. Die Broschüre „Alarm im Wienerwald“ anlässlich des Wienerwaldtages 1991 in Purkersdorf ist nach wie vor erhältlich: