Vom 9. bis 11. Oktober 2003 fand eine Exkursion ins Biosphärenreservat Rhön, im Dreiländereck Hessen, Bayern und Thüringen gelegen, statt. Wenngleich die sozioökologischen Rahmenbedingungen nicht vergleichbar sind, entspricht die Rhön landschaftlich doch in vieler Hinsicht dem Wienerwald.
Die Ernennung zum Biosphärenreservat (für die Bevölkerung überraschend und "überfallsartig" - die Vorgaben der UNESCO erlaubten dies damals noch) erfolgte 1991. Die beiden Länder Hessen und Bayern - Thüringen war damals noch Teil der DDR! - setzten nach Beschlussfassung eine Trägerorganisation ein, als dessen führender Manager Dieter Popp, der die Exkursion leitete, in den ersten Jahren agierte. Viele der von ihm mitinitiierten Aktivitäten, Projekte und Planungen wurden vorgestellt, besprochen und besichtigt. Übergeordnet hatten alle Projekte eines gemeinsam, nämlich die Dachmarke Biosphärenreservat. Die konsequente Unterstützung vieler Einzelinitiativen und Ideen durch den Trägerverein sowie publizistische Aufklärungsarbeit verhalf nicht nur den Rhönern insgesamt zu mehr Selbstvertrauen, es wurde auch die Akzeptanz des Biosphärenreservates deutlich erhöht. Dabei war natürlich der Erhalt gut dotierter Förderungen (zuerst Grenzregion, dann Wiedervereinigung) kein Hindernis. Während am Anfang - nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass die Bevölkerung erst aus der Zeitung erfuhr, dass sie ab nun im einem Biosphärenreservat leben - ca. 20 Prozent dem Projekt positiv gegenüberstanden, hat sich dies bis heute umgekehrt. Neuesten Umfragen zufolge stehen 80 Prozent der Bevölkerung hinter dem Biosphärenreservat.
Einige jener Personen, die mit ihrem Einsatz maßgeblich zu dieser positiven Grundstimmung beigetragen haben, wurden besucht. In den Gesprächen konnten sich die Exkursionsteilnehmer vom ungebrochenen Pioniergeist und Engagement der Galionsfiguren überzeugen. Natürlich auch davon, dass die auf Initiativen einzelner zurückzuführenden Projekte mit dem Trägerverein einen professionellen Partner zur Umsetzung der Ideen zur Seite hatten und haben. Die Initiativen fanden und finden ihren Ursprung in den spezifischen Bedingungen der Region. Die enge Kooperation mit dem Biosphären-Management über Arbeitskreise, Foren etc. hilft nicht nur der nachhaltigen Entwicklung der Projekte, sondern ermöglicht umgekehrt auch das Leitbild des Biosphärenreservates mehr und mehr zu profilieren. Damit erfolgt nachvollziehbar in der Land- und Forstwirtschaft, dem Tourismus, dem Handwerk, der Kultur etc. automatisch auch eine Förderung des Naturschutzes (im Sinne einer ökologischen Vernetzung).
Natürlich wurden auch Kernzonen (ausschließlich Waldflächen) besichtigt und erfolgte ein intensiver Erfahrungsaustausch der "Forstleute" betreffend spezifischer Probleme des Naturschutzes bis hin zu Haftungsfragen bei bestehenden Wanderwegen (bzw. Straßen!) durch die Kernzonen. Auch viele Maßnahmen, welche innerhalb der Pflegezonen (Offenland) geplant und gesetzt wurden, konnten vorgestellt werden. Jedenfalls beeindruckend war auch hier die konsequente Umsetzung der Maßnahmen, wie z.B. das "Zurückdrängen" des ruhenden Verkehrs aus den Kern- und Pflegezonen (Halteverbote, Parkplätze außerhalb) mit der absolut positiven Auswirkung, dass überall "Landschaft pur" genossen werden kann, insbesondere in den Bereichen, welche prägend für die Bezeichnung "Land der offenen Fernen" sind.
Während der Fahrten zu den einzelnen Programmpunkten konnten sich die Exkursionsteilnehmer beim Blick aus dem Autobus davon überzeugen, dass restriktivere (bzw. die Einhaltung der bestehenden) Vorgaben bezüglich Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung ein Landschaftsbild ergeben, welchem wir im Wienerwald bereits nachtrauern. Obwohl sicherlich die vielen Jahre an der "toten Grenze" diese "Nichtentwicklung" der Zersiedlung begünstigt haben, ist doch in Gesprächen klar zum Ausdruck gekommen, dass es diesbezüglich offenbar einen breiten Konsens zwischen Landes- und Gemeindepolitik gibt. "Das Land genehmigt keine Baulandwidmung außerhalb der Siedlungsgebiete, solange innerhalb noch unbebaute Grundstücke vorhanden sind", wurde uns mitgeteilt. Im Vergleich zu den "zersiedelten" Landschaften bei uns bedeutet eine kompakte Siedlungsform natürlich wesentlich geringere Infrastrukturkosten für die Kommunen. Vielleicht mit ein Grund dafür, dass gerade die Gemeinden der Rhön hier vorbildhaft agieren.
Nun stellt sich natürlich die Frage nach der Berücksichtigung der Erkenntnisse für den Wienerwald bzw. könnte umgekehrt - weil die Schlussfolgerung lautet, dass das Gesehene und Gehörte nicht 1:1 auf den Wienerwald übertragbar ist - auch gefragt werden: "Wenn ohnehin hinter allen positiven Beispielen Eigeninitiativen stehen und davon ausgegangen werden kann, dass auch im Wienerwald genug Potential - Menschen und Ideen - vorhanden ist, reicht da nicht die Marke 'Tourismusregion Wienerwald' aus, um die Erfolge des Biosphärenreservates Rhön auch ohne UNESCO erzielen zu können, zumal bezüglich spezieller Förderungen ohnehin nicht viel zu erwarten ist?" Die einfache Antwort auf diese komplizierte Fragestellung: Nein!
Während manche Gemeinde im Wienerwald ihr "wirtschaften" bereits unter ähnlich nachhaltigem Denken auszuüben bereit ist, sind ja doch im Allgemeinen durchaus noch alte Denkweisen üblich, wie z.B.: "Wir haben noch so viel Wald, da kommt es auf dieses kleine Stück nicht an", oder: "Jetzt haben wir schon so viel in die Infrastruktur investiert, da brauchen wir mehr Einwohner, dass sich das auch rechnet" etc.
Und genau hier kann die Ernennung zu einer 'Biosphere reserve' als große Zukunftschance gesehen werden. Während derzeit häufig die Umsetzung von vielen die Gemeindegrenzen übergreifenden Planungen an eben diesen scheitert, kann mit Hilfe der notwendigerweise - gemeinsam - erarbeiteten rechtlichen Rahmenbedingungen eine wesentlich effizientere Durchführung erwartet werden. Wenn die bisherigen Kontakte mit den Grundeigentümern (vor allem den Land- und Forstwirten) bereits erkennen lassen, dass hier in weiten Teilen ein Konsens über einen gemeinsamen Nenner gefunden werden kann, so ist insbesondere die Diskussion betreffend Raumordnung, Infrastruktur, Energieversorgung etc. erst am Beginn.
C.U.
Internet: http://www.biosphaerenreservat-rhoen.de