Mit deutlicher Mehrheit beschloss der Gemeinderat nachstehende Resolution für einen Verhandlungsstopp über eine GATS-Abkommen. Die Liste Baum begrüßte die Antragstellung durch Bürgermeister Karl Schlögl.
RESOLUTION
Derzeit wird von den Mitgliedsstaaten der WTO (World Trade Organisation), darunter auch Österreich, das GATS-Abkommen (General Agreement on Trade in Services) verhandelt.
Laut GATS sollen Öffentliche Dienstleistungen wie Wasser- und Energieversorgung, Bildung, Gesundheit, öffentlicher Verkehr, Kanal, Müllentsorgung, Postdienste usw. liberalisiert und in der Folge weitgehend privatisiert werden. Das würde letztlich bedeuten, dass nicht mehr Bund, Länder und Gemeinden und deren demokratisch legitimierte Organe weitgehend für die Basisversorgung aller Bürger in Österreich verantwortlich sind, sondern dass einige wenige Großkonzerne über ehedem öffentliche Leistungen bestimmen. Damit ist für die Unternehmen natürlich aus - absolut verständlichen - Wettbewerbsgründen der Zwang zu einer ausschließlich betriebswirtschaftlichen Orientierung und die Pflicht zur Gewinnmaximierung verbunden. Nicht mehr Gemeinnützigkeit und Kostendeckung, nicht mehr die Qualität der Grundversorgung und ein flächendeckendes Angebot, nicht mehr eine volkswirtschaftliche und solidarisch-soziale Orientierung wären in Hinkunft vorrangig. Viele derzeit noch für alle Menschen selbstverständliche Versorgungsleistungen würden für große Teile der Bevölkerung zu Luxusgütern mutieren oder müssten von der öffentlichen Hand teuer zugekauft werden.
Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Purkersdorf appelliert daher dringend an die zuständigen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung, offen zu legen, welche Dienstleistungen Österrreich in der derzeit laufenden "Offer-Phase" der GATS-Verhandlungen zur Liberalisierung freigeben wird
einzutreten.
- für einen GATS-Verhandlungstopp bis zur erfolgten Evaluierung der Folgen bisheriger Privatisierungen
- für eine Verbesserung statt einen Ausverkauf öffentlicher Dienste zur allgemeinen Grundversorgung (Public Services)
- und für eine Offenlegung des Verhandlungsergebnisses bei internationalen Wirtschaftsabkommen
Weiters appelliert der Gemeinderat der Stadtgemeinde Purkersdorf dringend an die niederösterreichische Landesregierung, ein Konzept zu erstellen, nach dem die Aufgaben und Dienstleistungen des Landes und der Gemeinden in den Bereichen der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge auch in Zukunft gemeinwirtschaftlich und solidarisch sowie auf einem hohen Niveau in punkto Qualität und Versorgungssicherheit und doch erschwinglich für alle Bevölkerungsgruppen wahrgenommen werden können.
Begründung:
Durch die drohende Liberalisierung und in weiterer Folge Privatisierung der Grundversorgung der Bevölkerung mit wichtigen Dienstleistungen wie Wasser, Bildung, Gesundheit, Abfallentsorgung usw., die bisher in einem hohen Ausmaß von den Städten und Gemeinden in ausgezeichneter Weise erbracht worden sind, werden übergeordnete Ziele wie etwa eine hochwertige und preiswerte Basisversorgung auf solidarischer Basis für alle Menschen, auch für einkommensschwächere, zweifellos vernachlässigt. Dadurch gehen auch die politisch-demokratischen Kontrollrechte für die Bevölkerung verloren. Eine Aktiengesellschaft beispielsweise lässt sich eben nicht von allen Bürgerinnen und Bürgern, sondern nur von ihren Aktionären kontrollieren.
Werden durch GATS bei den öffentlichen Dienstleistungen auch der Städte und Gemeinden weltweit Liberalisierungsverpflichtungen eingegangen, so würden dadurch die Gestaltungsmöglichkeiten der Politik, also der demokratisch legitimierten Gemeindevertretungen, Landtage und des Parlaments massiv eingeschränkt. Dann würde das WTO-Schiedsgericht, dessen Entscheidungen über EU-Recht, österreichischer Bundesverfassung und Gesetzgeber stehen, entscheiden ob staatliche Regeln GATS-konform sind oder nicht. Hinzu kommt, dass bei negativen Auswirkungen durch Liberalisierungen die im GATS-Vertrag eingegangenen Verpflichtungen faktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.
Durch die laufenden GATS-Verhandlungen werden in hohem Maße auch Landeszuständigkeiten berührt, wobei die Länder derzeit auf die Festlegungen des Bundes in diesen Verhandlungen nur sehr wenig Einfluß nehmen können. Diese derzeit fehlende Einbindung der Länder und die gleichzeitig fehlende Verpflichtung des Bundes auf Einbeziehung der Länder in die genannten Verhandlungen widerspricht gerade in einem für die Zukunft so immens wichtigen Bereich weitgehend demokratischen Grundsätzen. Dem könnte etwa dadurch gegengesteuert werden, dass für alle Angelegenheiten bei den GATS-Vertragsverhandlungen, die in die Zuständigkeit der Länder fallen, eine Position der Landtage zu erarbeiten ist und diese Positionierung für den Bund und dessen Verhandler die Grundlage und den inhaltlichen Rahmen bildet.
LIB GR Dr. Ingo Riß