Petition zur „Sozialhilfe neu“ an Bundesregierung beschlossen!
GR äußert einstimmig dringende Bedenken gegen eine Umwandlung der Notstandshilfe in Sozialhilfe!
Nach eingehender Diskussion hat der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 30.September einstimmig eine von den MandatarInnen der Liste Baum mit Dringlichkeitsantrag eingebrachte Petition an die Bundesregierung verabschiedet.
In dieser wird die Sorge geäußert, dass durch die im ÖVP/FPÖ-Regierungsübereinkommen vorgesehene Umwandlung der Notstandshilfe in eine „Sozialhilfe neu“ die Situation der Betroffenen weiter erschwert wird und die Gemeinden mit hohen zusätzlichen Budgetbelastungen zu rechnen haben.
Ähnliche Beschlüsse und Petitionen haben auch bereits zahlreiche andere Gemeinden und Städte gefasst. Vertreter der Länder, des Städtebundes und des Gemeindeverbandes haben ebenso massive Bedenken gegen das Vorhaben der Bundesregierung angemeldet wie Gewerkschaft und Arbeiterkammern. Die Purkersdorfer Petition hat die vom Grazer Gemeinderat im Juli einstimmig beschlossene Petition zum Vorbild.
Aus dem Purkersdorfer Gemeinderatsprotokoll vom 30.9.2003:
GR-869
der GemeinderätInnen der Liste Baum
zur Gemeinderatssitzung der Stadtgemeinde Purkersdorf vom 30.9.2003:Gemäß § 46 Abs. 3 der NÖ Gemeindeordnung 1973 ersuchen wir um Aufnahme folgenden Gegenstandes in die Tagesordnung des Gemeinderates am 30.9.2003:
PETITION ZUR GEPLANTEN UMWANDLUNG DER NOTSTANDSHILFE IN „SOZIALHILFE NEU“
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Österreichweit liegt die Arbeitslosenquote bei etwa 7 Prozent, in Wien als Hauptarbeitsplatz der PurkersdorferInnen bei rund 9 Prozent. An die 40 Prozent der als arbeitslos gemeldeten Personen sind NotstandshilfebezieherInnen; in Niederösterreich derzeit über 13.200 Menschen.
Notstandshilfebezug bedeutet schon heute vermehrte finanzielle Entbehrungen für die Familie, massiven Druck auf Annahme auch nicht ausbildungsadäquater Arbeit und soziale Demotivierung. Dennoch aber sind NotstandshilfebezieherInnen kranken- und pensionsversichert und haben Zugang zu den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des AMS.
Statt nun offensiv den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aufzunehmen, werden durch neue geplante Maßnahmen seitens der Bundesregierung die Betroffenen zusätzlich finanziell beschnitten und sozial gedemütigt - durch die geplante Umwandlung der Notstandshilfe in eine „Sozialhilfe Neu“. Die Zahl der SozialhilfeempfängerInnen würde sich mit einem Schlag in etwa verachtfachen.
Eine „Sozialhilfe neu“ würde eine Gesamtbelastung für das Land Niederösterreich und seine Gemeinden von 74 Mio. Euro bedeuten (Berechnungen der AK NÖ), wobei nach dem NÖ Sozialhilfegesetz die Kosten für die Sozialhilfe zur Hälfte von den Gemeinden aufzubringen sind. Die Mehrbelastung für die Gemeinden würde sich von bislang rund 8 Mio. Euro fast verfünffachen.
Dies hätte für die Betroffenen einerseits, aber auch für die Gemeinden gravierende Auswirkungen:
·Die Betroffenen werden gleichsam zu AlmosenempfängerInnen degradiert – und das, obwohl sie in das Sozialversicherungssystem eingezahlt haben.
·Die Sozialhilfe ist deutlich niedriger als die Notstandshilfe und beträgt derzeit nur zwischen 382 und 496 € je nach Bundesland. SozialhilfebezieherInnen sind nicht kranken- und pensionsversichert.
·Von SozialhilfeempfängerInnen wird verlangt, dass sie ihr eigenes „Vermögen“ zur Abdeckung der Notlage verwenden. Es könnte somit der Verkauf von PC oder Auto erwartet werden, was die vom Arbeitsmarkt geforderte Mobilität weiter einschränkt, oder auch eine Belehnung der Wohnung. Zudem muss die Sozialhilfe rückerstattet werden, wobei auch Angehörige zum Rückersatz herangezogen werden. Und das, obwohl diese SozialhilfebezieherInnen vielleicht Jahre oder Jahrzehnte in das Sozialversicherungssystem eingezahlt haben!
·Dadurch, dass SozialhilfeempfängerInnen der Familie finanziell zur Last fallen, werden sie zum Teil auf Anträge verzichten. Damit wird eine neue Armutsfalle eröffnet.
·SozialhilfeempfängerInnen fallen nicht mehr in die Zuständigkeit des AMS, wodurch eine Unterstützung bei der Jobsuche wegfällt. Seitens des BM für Wirtschaft und Arbeit wurde aber zuletzt (Ende Juli 2003) eingeräumt, dass eine Beratung und Vermittlung durch das AMS in der Reform „zu berücksichtigen“ sei.
·Zudem wäre die Umwandlung der Notstandshilfe in Sozialhilfe auch ein Abschieben der sozialen Verantwortung und ein Überwälzen der Kosten auf die Sozialhilfeverbände. Die Gemeinde als basisnächste Gebietskörperschaft hätte mit vermehrten Ausgaben zur Abfederung der neuen Armut zu rechnen. Mit der „Sozialhilfe Neu“ will der Bund auf Kosten der Länder und letztlich der Gemeinden beim AMS einsparen.
Zahlreiche Städte und Gemeinden haben bereits gegen diese Mehrbelastung für die Gemeindebudgets und gegen einen sozialpolitischen Kahlschlag Stellung bezogen. Die Stadtgemeinde Purkersdorf erwartet vom Bund Unterstützung bei der Schaffung neuer, krisensicherer Arbeitsplätze und Hilfe für die Betroffenen gegen ein Hinausfallen aus dem Erwerbsleben. Die Umwandlung der Notstandshilfe in eine bloße Sozialhilfe ist keine Hilfe.
Die GemeinderätInnen der Liste Baum stellen daher den DRINGLICHKEITSANTRAG,
der Gemeinderat der Stadtgemeinde Purkersdorf möge mittels Petition im Sinne obiger Ausführungen die Bundesregierung auffordern, von der Umwandlung der Notstandshilfe in eine „Sozialhilfe Neu“ Abstand zu nehmen.
Dazu sprachen:
Riss, Orthofer, Grossmann, GrafendorferAbänderungsantrag Grossmann:
Die Bundesregierung wird ersucht, die Argumente, wie im Sachverhalt dargestellt, bei einer Gesetzesinitiative „Sozialhilfe Neu“ zu bedenken und keinesfalls die Gemeinden finanziell zu belasten.GR Riss zieht seinen Antrag zurück.
Abstimmungsergebnis Abänderungsantrag:
einstimmig