Purkersdorf Online

Manifest für zukunftsfähige Gemeinden


Alternativvorschläge österreichischer KommunalpolitikerInnen

Manifest für zukunftsfähige Gemeinden

anlässlich des Österreichischen Städtetages

Mit einem "Manifest für zukunftsfähige Gemeinden" wenden sich anlässlich des 52. Österreichischen Städtetages vom 22. bis 24. Mai 2002 in Graz vier österreichische Kommunalpolitiker aus großer Sorge um die Zukunft der österreichischen Städte und Gemeinden an die Öffentlichkeit.

Der Aufruf wird von Stadtrat Bernhard Amann (Die Emsigen) aus Hohenems (Vorarlberg), Stadtrat Josef Baum (Liste Baum) aus Purkersdorf (NÖ), Vizebürgermeister Walter Ebner (Bündnis für Hallein) aus Hallein (Salzburg) und Stadtrat Ernest Kaltenegger (KPÖ) aus Graz (Steiermark) als Erstunterzeichner unterstützt. Das "Manifest für zukunftsfähige Gemeinden" im Wortlaut:

Die Gemeindeautonomie erhalten!

Im Zusammenhang mit den Verhandlungen des Europäischen Konvents über eine Institutionenreform der EU und einer europäischen Verfassung wurden auch Absichten laut, die Kompetenzen der Gemeinden zu reduzieren bzw. EU-weit zu vereinheitlichen. Derzeit stehen sich sehr unterschiedliche Modelle kommunaler Kompetenzen gegenüber, während in Frankreich oder Italien zentralistische Modelle bestehen, existieren in Deutschland oder Österreich sehr dezentrale Gemeindeverfassungen.

Gerade in Hinblick auf das 40jährige Bestehen der 1962 beschlossenen und von manchen zum Vorbild erklärten österreichische Gemeindeverfassung wäre für die österreichischen Gemeinden eine Einschränkung ihrer in der Realpolitik durch finanzielle und sonstige Zwänge ohnehin wesentlich eingeschränkten Befugnisse ein deutlicher Rückschritt.

Wir lehnen daher alle Pläne zu einer Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung ab. Es würde der wachsenden Entpolitisierung Vorschub leisten, wenn ausgerechnet jene Ebene, wo Politik möglichst bürgernahe stattfindet, maßgeblicher Kompetenzen beraubt würde.

Mehr Geld für die Gemeinden!

Die Finanzlage der österreichischen Gemeinden hat sich in den letzten Jahren unübersehbar verschärft. Maßgebliche Gründe dafür sind vor allem die Auflagen für eine Euro-konforme Budgetgestaltung aller Gebietskörperschaften, die durch die Vorgabe eines Nulldefizits durch die österreichische Regierung weiter verstärkt wurde. Dazu kommen geringere Einnahmen durch die Abschaffung oder Änderung kommunaler Steuern (Getränkesteuer, Werbeabgabe usw.) sowie insbesondere für größere Städte negative Auswirkungen als Folge der Volkszählung 2001.

Während die Gemeinden rund 60 Prozent aller öffentlichen Investitionen leisten, erhalten sie (ohne Wien) nur rund 15 Prozent aus den Mitteln der gemeinschaftlichen Bundesabgaben im Wege des Finanzausgleichs. Eine rückläufige Investitionsquote und gleichzeitig wachsende Verschuldung der Städte und Gemeinden sind sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung. Darüber hinaus verstärken die finanziellen Zwänge den Druck auf die Privatisierung kommunalen Vermögens sowie auf die Erhöhung der Tarife und Gebühren.

Wir halten als Reaktion auf diese Entwicklung nicht einen verschärften Konkurrenzkampf von Städten gegen Landgemeinden oder der Gemeinden gegeneinander als Lösung, sondern eine Erhöhung der zur Verteilung gelangenden Mittel insgesamt durch eine grundlegende Steuerreform, bei welcher die Besteuerung von Kapital und Vermögen zumindest auf den EU-weiten Durchschnitt angehoben wird.

Die Grundversorgung sichern!

Die Rolle der Städte und Gemeinden steht und fällt damit, für ihre BürgerInnen möglichst umfassende Leistungen im Sinne der Grundversorgung anbieten zu können. Die Vorgaben internationaler Organisationen, wie etwa das GATS-Abkommen der Welthandelsorganisation WTO zur Liberalisierung der Dienstleistungen sowie die Vorgaben der EU zielen jedoch darauf, gerade diese Leistungen der Gemeinden dem privaten Markt zu übertragen. Mit einem Wegfall dieser Leistungen aus der Kompetenz der öffentlichen Hand würden aber nicht nur die politischen Kompetenzen der Gemeinden und vor allem der gewählten Gemeinderäte weiter ausgehöhlt.

Damit würden die Gemeinden letztlich zu reinen Standortfaktoren degradiert, die sich auf die Bereitstellung möglichst günstiger Bedingungen für private Unternehmen zu beschränken hätten. Eine solche Entwicklung läuft allen elementaren Ansprüchen einer umfassenden Vorsorge durch die entsprechende Infrastruktur sowie sozialen Ansprüchen zuwider.

Wir lehnen daher eine Liberalisierung der kommunalen Grundversorgung durch Übertragung von der öffentlichen Hand an private Betreiber ab und treten dafür ein, dass alle kommunalen Dienstleistungen für einen abgeschlossenen örtlichen oder regionalen Bereich von derartigen Auflagen zur Deregulierung und Liberalisierung ausgenommen werden.


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Letzte Änderung: 2002-05-22 - Stichwort - Sitemap