Im Zuge der Koalitionsverhandlungen wurde vor kurzer Zeit ein „Erfolg“ gemeldet, wie Infrastrukturprojekte trotz begrenzter Mittel realisiert werden könnten. Allerdings Details dazu sind derzeit noch nicht veröffentlicht worden. Es steht daher zu befürchten, dass bereits im Bau befindliche Projekte zu Gunsten politisch gewollter Bauvorhaben „verlangsamt“ werden könnten, um die Finanzierung der Wunschprojekte zu ermöglichen. Anhand eines konkreten Beispieles soll hier erörtert werden, was das in der Praxis für Auswirkungen haben könnte:
Dieses Bauwerk ist eines der größten und teuersten Einzelbauprojekte in Österreich. Der Baubeginn war 2000, die Inbetriebnahme der Neubaustrecken ist für 2013 vorgesehen, die teilweise Inbetriebnahme des Kreuzungsbauwerkes (viergleisiger Betrieb im Abschnitt Wien Hütteldorf bis Unter Purkersdorf) für das Fahrplanjahr 2008 (im Dezember 2007) müsste möglich sein. Immerhin kostet alleine dieser Knoten über 430 Millionen Euro, von denen bereits mindestens 80% ausgegeben sein müssten.
Um den Bau durchführen zu können, war es notwendig ab Baubeginn den Bahnbetrieb auf nur zwei verbleibenden Streckengleisen abzuwickeln, was unweigerlich zu empfindlichen Angebotsrücknahmen in der Frühspitze im Nahverkehr führte und die Störanfälligkeit des Planbetriebes drastisch erhöhte. Der Grund der Störanfälligkeit ist die Notwendigkeit alle Zugarten, die in die gleiche Richtung fahren, auf demselben Streckengleis zu führen, obwohl sie sich mit verschiedenen Durchschnittsgeschwindigkeiten bewegen. Wenn nun z.B ein Eurocity mit Verspätung den Wienwaldabschnitt durchfährt, muss der meist nachfahrende Nahverkehrszug diesen Zug abwarten, um dann mit genau dieser Verspätung seine Fahrt zu beginnen bzw. fortzusetzen. Wenn es aber die nun fehlenden zwei Gleise nach Fertigstellung wieder gibt, können diese Züge nebeneinander fahren, der Nahverkehrszug wird keine oder zumindest eine geringere Verspätung haben.
Die Inbetriebnahme zweier Streckengleise im Zuge der „alten“ Westbahn durch den neu errichteten unterirdischen Streckenteil würde eine Entflechtung von einerseits Personenfernverkehr und Güterverkehr über die neuen unterirdischen Gleise und andererseits des Personennahverkehrs über die derzeit benützten Gleise an der Oberfläche bewirken. Das ermöglicht, dass durchfahrende Züge, die an allen Stationen haltenden Schnellbahnzüge im Parallelbetrieb ohne gegenseitige Behinderung überholen können. Das heißt, dass ein verhältnismäßig geringer Einsatz von weiteren Finanzmitteln eine sprunghafte Verbesserung der Verkehrssituation bewirken wird.
Das folgende Bild zeigt das Ostportal aus Wien Hütteldorf in den unterirdischen Bereich des Bauwerkes. Hier werden bereits die Streckengleise errichtet, auf denen der im Bild rechts erkennbare IC aus Salzburg künftig teilweise unterirdisch fahren wird:
Derzeit fahren täglich 10.000 Pendler auf der Westbahn über die Wienerwaldstrecke nach Wien, allerdings über 60.000 über die A1 und B1. Um die schon in diesen Zahlen dargestellte Unattraktivität der Bahn merklich zu heben, sollte zum ehest möglichen Zeitpunkt dieses Nadelöhr beseitigt werden. Viele Pendler fahren nur deshalb mit dem eigenen PKW, weil das Bahnangebot zu dürftig und unverlässlich ist.
Schon, wie weiter oben erwähnt, die Inbetriebnahme der zwei Gleise durch das Kreuzungsbauwerk würde einerseits ermöglichen gerade in der Frühspitze die Nahverkehrsintervalle zu verdichten und weiters mehr betrieblichen Spielraum zuschaffen, dass verspätete Fernverkehrszüge nicht derart, wie derzeit, die Nahverkehrszüge „aus dem Takt“ werfen und daher Pendler und Schüler oft ihren Bestimmungsort verspätet erreichen.
Allerdings mit der eingangs erwähnten Befürchtung könnten nun noch weitere Verzögerungen drohen, so dass zwar bis heute viel Geld verbaut wurde, aber der Nutzen dieser Investition für die Reisenden weiterhin nicht vorhanden ist. Arbeitnehmer und Schüler werden weiterhin oft zu spät an ihrem Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz eintreffen und gleichzeitig werden die Staus auf der A1 und der B1 immer länger, weil viele Kunden diese Verspätungen nicht mehr tolerieren.
Auf diesem Bild ist das Westportal von Richtung Unter Purkersdorf aus zu erkennen. Hier gibt es nur ein provisorisches Gleis, dass für den Aushubtransport der Baustelle des Wienerwaldtunnels der Neubaustrecke nach St.Pölten dient.
Auch wegen dieser Erdaushubzüge, die dreimal pro Tag Aushubmaterial auf eine Deponie bringen, kann angeblich die Teilinbetriebnahme nicht stattfinden! Es ist höchste Eisenbahn auch in Infrastrukturprojekten die richtigen Prioritäten zu setzen, nämlich die des größtmöglichen Nutzens der Reisenden, in dem auch die Verlässlichkeit des Angebotes ermöglicht wird.
Bis jetzt wurde sehr viel Steuergeld in Beton gegossen, der Nutzen ist jedoch (bis auf die Neuerrichtung von drei Schnellbahnhaltestellen, was um ein Bruchteil des ausgegebenen Geldes möglich gewesen wäre) nicht erkennbar. Hiermit sind alle verantwortlichen Politiker aufgerufen, die bereits eingesetzten Finanzmittel endlich auch verkehrswirksam werden zu lassen, in dem sie der ÖBB Infrastruktur Bau AG das Ziel setzen, die oben geforderte Teilinbetriebnahme so schnell wie möglich durchzuführen. Und auch die dazu erforderlichen restlichen Finanzmittel bereitstellen!
Dabei kann es eigentlich nur Gewinner geben:
Andreas Offenborn