Bericht von Susanne Wallner, Purkersdorf
Ein "Urlaub" der etwas anderen Art: Mitarbeiten an ökologischen Projekten, verstreut auf der ganzen Welt. Arbeiten in einem internationalen Team an einer gemeinsamen Sache.
Ich habe die Flussotter im Süden Brasiliens, Santa Catarina State, Florianopolis, gewählt, um beim ersten Einsatz dieser Art moderate Umweltbedingungen zu haben: z. B. ein für mich als Europäer angenehmes Klima (im August herrscht im Süden Brasiliens Winter mit Temperaturen zwischen 12 und 26° C), keine Plage durch Malaria übertragende Moskitos, nicht allzu große Abgeschiedenheit im Urwald z. B.
Diese Erwartungen haben
sich erfüllt und bewährt.
Dr. Junior Carvalhos, der
das Projekt mit Unterstützung der Univali in Itajai ins Leben
gerufen hatte, stellte uns sein Landhaus direkt am Projektort, dem
Peri-See (Lagoa do Peri) zur Verfügung mit Versorgung durch
einheimisches, frisch gekochtes Essen und sonstigen Annehmlichkeiten
...
Ich war immer an der Natur
interessiert und vor allem an der Vielfalt der Tierwelt. Aber eine
Ahnung über die wahrhaftige Arbeit eines Feldforschers hatte ich
nicht - oder ich hatte noch nicht darüber nachgedacht.
Aufgaben wie "...
your activities will vary and include analysis of the otter´s
frequency at the shelters, monitoring of nests ... most your work
is fieldwork ... ", welche im Beschreibungsbogen des
Projekts im Internet zu finden waren, sagen aus, dass die Arbeit
nicht langweilig ist, dass wir die Otterplätze besuchen und
beobachten und viel in der freien Natur unterwegs sind.
Ein tatsächliches
Tagesprotokoll sieht dann folgenermaßen aus: es nieselt. Der
Himmel ist grau, das Wetter scheint sich tagsüber nicht zu
bessern. Es ist 6 h früh und wir (die drei Ökovolontarier)
brechen auf "Trail 1" (einer der zu benützenden
Wanderwege) auf zum "Tucano um" (Tukan 1, ein
Beobachtungsplatz für Otter), um dort die nächsten 2,5
Stunden bis Sonnenaufgang zu verbringen. Der Weg führt uns über
glitschige Felsbrocken und Laub (Atlantischer Regenwald). Dann sitzen
wir auf einem großen Stein, teilweise ohne Rückenlehne,
vermummt unter unseren Regenponchos, und schauen übers Wasser.
Ich finde zwar eine schiefe Rückenlehne in Form eines unebenen,
mit Strauch bewachsenen Felsen und freue mich, meine Sitzhaltung
variieren zu können. Eine Stunde lang bleibt der See ruhig, dann
heben sich Wellen, welche sogar unseren erhöhten Ausguck
belecken. Wir verlassen unseren Platz und begeben uns zum Frühstück.
In ein kleines Büchlein
werden unsere Ergebnisse eingetragen: "... rainy day, some
waves, NO OTTERS ...".
Nach dem Frühstück
erscheint Dr. Carvalhos und packt uns alle 3 auf seinen Pick Up, um
am nahegelegenen Strand "Praia das Pedras" Wale zu
beobachten, welche in der Brütsaison mit ihren Kälbern zum
Greifen nahe an den Küsten spielen. Ein herrliches Schauspiel.
Dann ein Anruf am Handy,
ein Otter sei nahe einem Restaurant in Lagoa do Concecao gesichtet
worden ... Dr. Carvalhos fährt nicht hin; zu oft solcherlei
Hinweise und dann sind die Otter meilenweit unsichtbar ...
Lunch.
Danach schleppen wir die
Kajaks zum See hinunter, bewaffnen uns mit Schwimmwesten und mit
kurzen Hosen bei 20° C, noch immer leichtem Nieseln, stechen wir
in See zu Tucano 2 und Tucano 3, den weiter entlegeneren
Beobachtungsplätzen der Otter. 1 Stunde paddeln wir zum ersten
Platz, legen an und wandern zum nahen Wasserfall. Wunderschön.
Wir beobachten Kolibris, Geier etc., passieren einsame Wohnstätten
von Fischern, welche ohne Strom leben und Fließwasser durch den
Wasserfall erhalten.
Dann fahren wir weiter
entlang der Küste und beäugen genau alle Felsen, denn sie
könnten Exkremente der Otter aufweisen. Diese sammeln wir ein,
lassen sie trocknen und selektieren die Fischschuppen,
Lobsterteilchen und Vogelfedern (!). Diese werden unter dem Mikroskop
nach Art und Jahr (Fischschuppen enthalten Jahresringe wie die Bäume
beispielsweise) geordnet; Dr. Carvalhos trägt die Ergebnisse im
PC ein.
Am dritten
Beobachtungspunkt sitzen wir 2 Stunden und observieren ... Ein wenig
lugt die Sonne hervor... ich spüre schon jetzt, wie meine
Rückenmuskel gegen das unbequeme Sitzen am Morgen rebellieren
... ich kann mich kaum strecken. Aber noch liegen 1,5 Stunden
Rückfahrt im Kajak vor uns. Die Kajaks sind rund um den Einstieg
nicht bedeckt, so tropft ständig nicht gerade zu warmes Wasser
auf die Oberschenkel ...
Bei Einbruch der
Dunkelheit (18 h) sind wir "zuhause", tragen die Kajaks
wieder hoch in den Garten und entspannen.
Dies sind die immer
wiederkehrenden Details in unserer Arbeit. Einmal im Monat gibt es
die "48 Stunden", welche meist zu Vollmond durchgeführt
werden. Alle 6 Stunden patroulliert man zu den Wohnstätten der
Otter; misst die Temperatur von Luft, Wasser und Wohnbereich. Dadurch
ist die Chance wesentlich erhöht, ein Otter in seinem
Lebenswandel gerade verpasst zu haben bzw. noch genauere Einzelheiten
zu erfahren.
Wir messen auch das Schilf
am Rande des Sees; in der Breite und mit GPS. Es beeinflusst eine
gewisse Fischart, die eine Hauptnahrungsquelle der Otter darstellt.
Weiters fahren wir z. B.
nach Borto Belo Island, wo eine weitere Otterkolonie lebt, die auch
von Dr. C. betreut wird. Oder wir fahren nach Morros dos Macacos, wo
2 Männer im Auftrag des Projekts ihre Pension in einer Holzhütte
ohne Strom und Fließwasser am nahen "Otter"-Fluss
verbringen und nebenbei Kräuter anpflanzen ...
Das Otterprojekt am
Peri-See ist in ein großflächiges Öko-Projekt
eingebettet. Es ist zu klären, warum sich die Otterpopulation so
sehr verringert hat. Die Hauptnahrungsquelle, eine kleine Fischart,
muss zum Laichen durch den Kanal zum offenen Meer schwimmen und
wieder zurück gelangen. Schaffen das die Fische? Oder ist
Umweltverschmutzung daran schuld, dass nur wenige zurück kehren
können? Der Kanal wurde mit sogenannten "Aufstiegshilfen"
(befestigten Steinen im Flussbett) versehen, um den Fischen
den Rückweg zu erleichtern. Aber es muss parallel dazu die
Trinkwasserversorgung der nahen Bevölkerung gesichert sein,
welche den Wasserspiegel verändert usw. Eine Menge von
Parametern, die es beim eigentlichen Otterprojekt zu berücksichtigen
und zu erforschen gilt.
Es wird auch pädagogische
Arbeit in den nahen Schulen gemacht, um das Umweltbewusstsein der
jungen Brasilianer zu stärken.
Es ist eine langsame,
mühevolle Arbeit aus vielen kleinen und großen Bausteinen;
mit vielen Mitarbeitern an verschiedenen Orten. Jedes Detail kann
wichtig sein.
Im Lauf des Jahres 2003
möchte Dr. C. ein Otterpärchen in einem Becken in seinem
Garten ansiedeln, um diese zu züchten. Eine konkretere Form der
Vermehrung ist derzeit (noch) nicht möglich.
Für Information über
die Organisation und weitere Projekte:
http://www.ecovolunteer.org