Im August blühen im Gebiet um Sault die Lavendelfelder.
Ich liebe diese Heilpflanze.
Also, ein Flug muss her sowie ein Fortbewegungsmittel und ein Quartier.
FlyNiki fliegt nach Nizza, telefonisch ein kleiner 4-türiger Chevy gebucht und an einem Maiensonntag um 9 h morgens ein Bauernhofquartier telefonisch reserviert.
5 Tage, konzipiert für 2.
Und da manches anders kommt, als man denkt, steh´ ich Anfang Juli mit diesem Arrangement allein da. Nicht verzagt, mach´ ich mich trotzdem auf Tour.
Ich bin nicht der Typ, der vor der Reise Entfernungen akribisch misst oder ein Navi besorgt.
In Nizza hol ich den Leihwagen, muss telefonisch einen kaputten Aussenspiegel noch reklamieren – die Telefonnummer am Zettel des Mietbüros funktioniert! - und ab geht’s. Ich nehme die Route über die Berge, z. B. über Entrevaux, wo sich eine mittelalterliche Stadt, malerisch zwischen die Berge gezwängt, präsentiert. Es sind an die 300 km (hmm)bis zu meinem Urlaubszuhause. Die Autobahn über Aix en Provence zu nehmen wird mir angeraten, mit diversen Zahlstationen. Doch auch über Land erreiche ich um 18.30 h mein Ziel, nach 4,5 h Fahrt durch Schluchten, über Bergpässe und schöne Landschaften. Ich bin von ätherischen Düften unterschiedlichster Provenienz umgeben, wie in einer Parfümfabrik. Diese kommen von den umliegenden Feldern. Was für ein Genuss!
Madame erwartet mich schon und zeigt mir mein 3er-Zimmer. Kein Problem, allein zu kommen – Notlüge: die 2. Person ist plötzlich erkrankt.
Um 19.30 h ist Abendessen angesagt – 3-gängig; aus Erfahrung weiß ich, dass das Gelage mindestens 2 Stunden dauern wird und sich der Beginn mindestens um 30 Minuten verzögern kann.
So ist es. 3 Leute kommen erst um 20.15 h, da beenden wir gerade unseren extra deshalb eingeschobenen Apperitiv.
Es sind noch 7 Gäste da, welche mich neugierig beäugen, und das alles selbstverständlich in Fränzösisch! Sie sind schon 2 Wochen in Urlaub hier und kennen den Hausgebrauch.
Altersgruppe: 60+.
Schon ab dem 2. Satz der Konversation offenbart sich mir ein Chevalier, ein Kavalier eben, der sich um mich, die Princesse, kümmern müsse (neben seiner Ehefrau). Am Morgen würde ich ihn dann fragen, ob er schon mein Pferd gesattelt hätte - .
2 Ehepaare besuchen ihre Freunde in der Umgebung, ein Ehepaar mit Schwager die erkrankte Schwägerin/Ehefrau in Marseille im Krankenhaus. Ausserdem ist dieser Monsieur Ukrainer und ganz verzückt plaudert er mit mir Russisch und lehrt mich Ukrainische Ausdrücke.
Nach dieser anstrengenden Anreise ist es ein Wunder, dass ich Französisch produzieren kann, geschweige denn zusätzliche anders sprachliche Ausdrücke.
Um 21 h schon werden meine Augen müde und trocken. Ich blinzle unentwegt und entschuldige mich um 21.45 h mit einem melodiösen „Bonne nuit!“
Übrigens: Madame kocht frisch, mit Zutaten aus Garten und Umgebung. Die herrlichsten Patés und Fleischvariationen werden, gefolgt von der obligaten Käseplatte mit Früchten, kredenzt. Geduldig wird mir jedes Gericht erklärt, leider kann ich mir nur die Grundzutaten merken (Zucchini, Melanzani usw.). Es wird Rotwein dazu gereicht und für mich ein Fruchtsaft.
Ich wohne auf einer Schaffarm. Die 200 Schäflein befinden sich gerade auf der Hochweide bei den Schäfern. Am Hof sind jedoch die 10 Trüffelhunde, die jegliche Annäherung, da an der Kette gehalten, mit lautem Bellen quittieren.
Ich schlafe herrlich.
Mein 1. Ziel am neuen Tag ist eine Wanderung durch die Lavendelfelder. Der Bauer empfiehlt mir eine Tour um St. Christol und ich mache mich mit meinem Bergauto dorthin auf.
Es ist alles sehr gemütlich hier in der Gegend, einige Touristen, natürlich auch Chinesen. Man spricht Französisch, und sollte es doch mal anders sein, in der Creperie, z. B., so wird dies aufklärend erwähnt: „English spoken“.
Ich wandere völlig allein an Höfen vorbei und bergab und -auf durch Lavendel. Ich passiere eine weitere Farm und bereue es, nicht vorausblickend einen Stock dabei zu haben, um die wachsamen Hunde zu vertreiben. So bleibt mir nur übrig, diese keines Blickes zu würdigen und stetig meinen Weg fort zu setzen. Nach einigem Nachlaufen bis zur Gebietsgrenze geben sie schließlich auf.
Am Nachmittag besuche ich eine Lavendeldestillerie in Sault und das Trüffelmuseum in Monieux. Alles gratis. Sehr interessante Einblicke; es gibt auch Trüffelfliegen, die den Fundort von Trüffeln anzeigen. Ich schlendere durch die Straßen, mittelalterlich, esse in einer Bar zu Mittag. Restaurants sind hochpreisig – Menü ab € 25,--. Aber die Gastgärten sind voll!
Abends wieder Diner. Die Konversation wird erweitert, man kommt einander näher.
„Was, Sie sprechen Englisch?“ - Im Deutschen gibt es viele Französische Wörter, wie z. B. Trottoir, Destillerie, Niveau usw. - „Selbstverständlich ist das so!“ – Es wird nachgefragt, welch´ politisches System wird hätten – „Ah, eine Demokratie! „- -
„Ah, sie spricht wirklich sehr gut Französich!“ - Wobei der Akzent hier sehr gewöhnungsbedürftig ist. Es klingt ein wenig Italienisch; z. B. wird statt „manger“ nasal „mandje“ mit a gesagt. Dergleichen auch „Lavand“ statt nasal „Lavande“.
Am 3. Abend, ich gehöre jetzt schon zum Inventar, hat sich eine große Gesellschaft von 14 Personen, welche einen 60er feiern, angekündigt. Der ganze Speisesaal ist eingedeckt. Mir wird mulmig ob der Menschenmassen, welche 5 mal so viele französische Spässe machen könnten als die bereits anwesenden Franzosen. Doch Madame beruhigt mich, indem sie auf einen familiären 6er-Tisch an der Saalwand deutet: „Der ist für uns!“
Am 2. Tag fahre ich auf den Mont Ventoux, den Hausberg der Gegend. Er ist ein Bestandteil der Tour de France und unter diesem Zeichen wälzt sich eine Kolonne an Rennradfahrer/innen die 26 km zum Gipfel hoch. Sogar mit meinem Kleinstwagen ist es schwierig, neben den Radlern die Kurven zu bewältigen und zur Krönung treffe ich 5 Kehren vor dem Ziel auf den obligaten Nebel, der die unbeleuchteten Radler völlig meiner Sicht entzieht.
Aber wir kommen alle glücklich an - „Lasst uns die Straße teilen“ ist das auf einem Schild angeschriebene Motto der letzten Meter.
Der Mistral bläst unaufhörlich und nachdem es beim Gipfelsieg keine Toilette gibt (unerhört), mache ich mich wieder auf den Retourweg. Dort treffe ich auf 2 Schäfer. Ich steige aus und sehe einen Teil der 2.000 Schafe im kargen Gelände. Die Hütehunde kommen gerade zurück und lassen sich, ausgelassen, von mir streicheln.
Nach einer Mittagsrast bis 17 h mache ich mich auf in die fast hauseigene Schlucht der Nesque. Wunderbar im verblassenden Sonnenlicht zu wandern. Hinunter zur Kapelle St. Michel und auf der anderen Seite wieder hoch. Leider verliere ich die rotweiße Markierung und finde mich auf einem mannshohen Felsen wieder, von dem ich keinen Weiterweg ersehen kann. Ich kann nicht hinunter (zu steil), nicht hinauf (Gestrüpp) und links von mir die Schlucht.
Was ist zu tun? Mein Handy habe ich im Rucksack.
Plötzlich höre ich Stimmen. Ich rufe auf Englisch: „Hello!“ Es wird geantwortet. „Hello, I need help!“ - Wait, I come to you! Jetzt sehe ich die Person dazu. Sie ist ca. 100 m entfernt. „I don´t know where to go!“ - Go up! There is the way! - Ich bin unschlüssig. „Really?“
Mit all meiner Muskelkraft ziehe ich mich auf den nächsten Felsen – eine große Schramme und ein Bluterguss auf meinem Knie lassen grüßen – und durch das Dickicht hindurch lotst mich eine Frauenstimme auf den Weg. Es sind jüngere Deutsche. Gott sei Dank! Geschafft. Allein hätte ich diesen möglichen Schritt nicht gesehen.
Auf dieses Erlebnis hin gehen die 3 Personen nicht mehr in die Schlucht hinunter. Sie monieren ebenfalls die schlechte Auszeichnung des Pfades. Ich bedanke mich herzlichst, sie winken ab. - Ich habe ziemlich gleich erkannt, dass die Situation für Sie ernst ist!
Gemeinsam gehen wir die Serpentinenstraße nach Monieux zurück.
Um 20 h komme ich auf meiner Farm an und berichte aufgeregt in – Französisch.
Am 3. Tag, es herrscht wolkenloser Himmel, nehme ich mir das Lavendelmuseum in Coustellet vor. Ich fahre Richtung Apt. Auf einem „Lookoutpoint“ sehe ich den Mont Ventoux ohne Nebel! Sofort wende ich und mache mich wieder auf den Gipfel auf. Diesmal wandere ich von dort zum untenliegenden Bergteil, es sind nur Steine und arktische Vegetation vorhanden. Aber trotz Mistral ist es nicht kalt.
Zu Mittag gibt’s Pizza vom mobilen Pizzabäcker in Sault, welche ein Hund namens Django mit mir teilen möchte. Er stößt mit seiner Schnauze immer wieder an die Pizzaschachtel, zeigt aber nach Maßregelung Manieren.
Unterwegs pflücke ich Lavendel für zu Hause. Es ist fast niemand im Bergland unterwegs. Herrlich.
Weiter geht’s zum Lavendelmuseum. Hauptsächlich befinden sich dort diverse Alambics (Destillierhelme) zur Gewinnung des Lavendelöls. Man muss unterscheiden zwischen dem echten oder feinen Lavendel (Lavande vraie, Lavande fine) und dem Lavandin, einem Hybrid aus der Lavendelpflanze. Letzterer wird für Kosmetika verwendet und ist wesentlich billiger als der herrlich duftende Lavendel.
Um 18 h komme ich daheim an und ruhe bis 20 h.
Denn eine Megasache steht mir am darauffolgenden Tag bevor: die Rückkehr nach Österreich, verbunden mit der 300 km-Anreise zum Flughafen nach Nizza!
Ich plane sorgfältig alle Eventualitäten. Erkundige mich genau nach der kürzesten Strecke, Dauer, Kilometeranzahl.
Um 8 h möchte ich den Wagen zurück geben, um 10.55 h ist der Flug. 1 Stunde Puffer. Ich brauche was zu trinken – nein, ich koche mir keinen Tee mehr, sowie von Madame vorgeschlagen, und etwas zum Knabbern.
Was könnte noch passieren? Getankt habe ich, Bargeld für die Autobahngebühr ebenso; das Licht am Auto funktioniert ausreichend – keine Beleuchtung auf den Bergstraßen! Eine Polizeikontrolle. Eine Ausfahrt verpassen. Ich beschließe, um 4 h los zu fahren. Stelle 2 Wecker.
Das letzte Abendessen gestaltet sich leise: Madame hat keine anderen Gäste, diese essen mit Freunden auswärts, so lädt sie mich zum einfachen Essen ihrer Familie ein. Es gibt Spiegeleier und die köstlichen Reste vom Vortag. Sehr nett! Es folgt das obligate 3-fach-Küssen auf die Wange und der Wunsch einer guten Heimkehr!
Um 22 h bin ich im Bett; ich wache alle 2 Stunden auf, schlafe gut und bin um 3 h wache. Ich fahre los. Nehme die vom Bauern vorgeschlagene Route gleich vom Haus weg übern Berg. Sternenhimmel, klare Luft, nicht heiß. Ein kleines Wildschwein und ein Hase kreuzen meinen Weg. Um 4 h in Coustellet die Polizeikontrolle. Mir wird ein Plastiktrichter entgegengehalten, welcher mit einem Affentempo an Französisch begleitet wird. Mir ist nicht gleich klar, ob ich auch meine Papiere zeigen soll. So erwähne ich, dass ich nur langsam Französisch spreche, aus Österreich komme. „Sprechen Sie Englisch?“ Auch Deutsch. Und weiter wird in Französisch die Handhabung des Alkotestgeräts erklärt. Nun verstehe ich es, aha! Ne pas toucher! Und darf gleich wieder fahren. „Ist ok!“
An einem Bahnübergang, in meinem Rücklicht fährt ein Franzose, werde/n ich (oder er oder wir beide) geblitzt. Statt 70 km/h fuhr ich 80 km/h. Bald bin ich auf der Autobahn. Diverse Zahlstationen. Ich wünsche mir, dass die Sonne langsam aufgeht. Dann geht sich der Tank um eine Einheit nicht aus, 60 km vor Nizza. Es dämmert schon. Ich fahre zur Säule, es tut sich nichts. Ich parke um. Wieder nichts. Also muss es einen anderen Grund geben. Ich entdecke einen angeklebten Papierzettel, auf dem in Französisch steht:Tanken gegen Vorauszahlung! Also an der Kasse € 10,-- Gutschein geholt. Die Sonne ist aufgegangen und steht so tief, dass man wieder Sichtschwierigkeiten hat ...
Am Flughafen finde ich nicht gleich meinen Abstellplatz. Aber Punkt 8 h (!) befinde ich mich beim Vermieter im Flughafengebäude und gebe die Schlüssel zurück. Dann noch das Terminal wechseln. Wow! Geschafft. Ich bin gar nicht müde! Jetzt mal ein kleines Frühstück.
Schwarztee und Schokocroissant sind gerade recht.
Susanne Wallner