Im Winter einen Winterurlaub machen, was liegt näher?
„Oh, da ist es kalt!“
„Ui, da is aber finster!“, bekam ich vorab zu hören.
Was zieht man an bei vermeintlichen –20 °C, laut Wetterbericht?
An einen Jänneraufenthalt in Stockholm bei – 16 °C erinnerte ich mich, dass meine in Österreich sehr wohlig warmen Moonboots dort nicht vor der Kälte geschützt haben.
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23 Personen haben sich für diese Reise in den wirklich „hohen“ Norden entschieden: von Bodö aus auf die Lofoten und retour nach Tromsö, dem Tor zum Eismeer.
Vom Keller habe ich alle meine dicksten Kleidungsstücke heraufgeholt und gepackt, was Platz hatte. Einen Tag vor der Abreise kam mir die glorreiche Idee, Lammfellsohlen für meine Moonboots zu kaufen, um wenigstens etwas Wärme zu empfinden.
Dann kamen wir an der Westküste Norwegens in Nordland an, wie die nördliche Provinz Norwegens genannt wird, es regnete bei windigen +2 °C. Den Regenschutz hatte ich in Wien extra ausgeräumt …
Weiters hatte es den ganzen Jänner nicht geschneit; der Regen war zu Oberflächeneis gefroren, die Rentiere konnten weder laufen noch Schnee trinken und einige verstarben.
Auf den Lux-Pfoten-Inseln (was Lofoten in Norwegisch bedeutet) ähnliche Verhältnisse, jedoch trocken und fast mild.
Kein Schnee, die Fjorde waren am Landesende gefroren und man konnte die Eisplatten, die sich normalerweise übereinander türmen, bruchstückhaft erahnen.
Das oberste Deck bietet durch riesige Fensterscheiben einen Panoramablick. Man lehnt sich in einen Polstersessel und lässt die Kulisse der Berge und Lichtspiele vorbeiziehen.
Apropos Lichtspiele: allein deswegen sollte man eine Reise in den Norden in den Wintermonaten in Betracht ziehen: es gibt hier Farben, sowohl bei Tag und mit Glück auch bei Nacht, die es in unseren Breiten nur selten gibt: rosa, licht- bis bleiblau, gelb; auch wenn sich die Sonne hinter Wolken versteckt und nach 6 Stunden wieder untergeht, sieht man genug vom Land. Und dieses ist wahrlich bizarr: Berge bis ins Meer, Tundrenlandschaft, einige Eispfützen, Ruhe.
Die abenteuerlich gewundenen, sich an steilen Felshängen vorbei schlängelnden Straßen werden auch im kalten Winter repariert – weil im Sommer zu viele Menschen auf ihnen unterwegs wären. Mal fahren wir an der Innenküste, mal der Außenküste entlang. Immer wieder erfreuen die in derzeit verlassenen, jedoch malerischen Fischerdörfern stehenden, mit Falunrot (Schwedenrot) gefärbten Holzhäuser, das Auge. Diese Farbe macht die Gebäude witterungsbeständig.
In Mortsund haben wir die Gelegenheit, in echten „Roerbuern“ zu übernachten. Diese traditionellen Fischerhütten sind heutzutage komfortabel ausgestattet, mit gemütlichem Aufenthaltsraum, der immer zum Meer schaut. In früheren Zeiten wurde hier sowohl die Arbeit erledigt, das Werkzeug und die Kleidung aufbewahrt als auch gelebt. Multifunktional also.
An jedem Ortsbeginn ragen die 3 m hohen Fisch-Trockengestelle in die Luft: derzeit hängen die Fischköpfe des Kabeljau (Dorsch, oder in Südamerika Bacalhao) dort ab. Diese werden zu Fischmehl verarbeitet. Einige Leckerbissen, die Fischkörper, entdecken wir unter Netzen vor diversen Raubvögeln geschützt. Eine Delikatesse ist die Fischzunge sowie natürlich der Roggen. Besonders schmackhaft ist der Kabeljau, wenn er an frostlosen Tagen auf den Klippen trocknen kann – der sogenannte Klippfisch.
In Svolvaer haben wir die Gelegenheit, in einem typisch Norwegischen Restaurant bei Kaminfeuer – typisch bezeichnet hier nicht nur die Kost, sondern auch die Kosten – zu Abend zu essen. Ich probiere überbackene Fischzunge, meine Begleiter nehmen sich ein Rentiersteak vor. Beides mit Erdäpfeln und Wurzelgemüse serviert. Es ist ein feiner Abend!
Unsere norwegische Reiseleiterin sagte uns, die Norweger seien in 2 Disziplinen wirklich hervorragend: im Schifahren und im Tunnelbau.
In Tromsö fährt man durch einen Tunnel mit 3 Kreisverkehren; dies erinnert an eine unterirdische österreichische, jedoch ausladende Grottenlandschaft, die Mauern wirken unverwüstlich. Kommt man auf der anderen Seite heraus, erwartet einen das Kunstwerk eines einheimischen Skulpteurs in Form eines Trockenfischgestells – anfangs wurde dies als Kunst abgewertet, doch heute ist es als typisch Norwegisch akzeptiert.
Mit der MS „Polarlys“ schipperten wir über Nacht von Svolvaer nach Tromsö.
Um 22.30 h gibt es einen Appell, um den engen Trollfjord im nachtschwarzen Gewand zu sehen. 2 Suchscheinwerfer zeigen den Weg für unsere Augen, eine wunderbare Stimmung. Es würde großen Geschicks bedürfen, in diesem Fjord anzulegen.
Polarlys heißt Polarlicht und dieses suchen wir dann vor Ort am Festland. Um die Wahrscheinlichkeit und Intensität dieses jahreszeitlichen Phänomens beurteilen zu können, sendet die Universität in Anchorage/Alaska (USA) täglich Daten. Auf einer Skala von 1-10 werden Sichtwerte angegeben. Für unseren Ankunftstag ist dies Stufe 1, für den Folgetag Stufe 3. Ausufernde Berichte haben uns schon auf der Überfahrt eingeholt; 4 Tage zuvor konnte man auch auf hoher See die wehenden grünen Himmelsvorhänge beobachten, solch eine Chance gäbe es nicht so häufig …
Vorher geht’s jedoch in die Stadt selbst, wo bezeichnenderweise die „Eismeerkathedrale“ vom gegenüber liegenden Stadtteil ihre Eisschollen-Platten in den Himmel reckt. Wir fahren über eine der unzähligen hohen, bogenförmigen, filigran anmutenden Brücken, welche die großen Befahrer der Meer durchlassen können.
Auch das Ozeanaquarium „Polaria“ weist eine Eisschollen-Bautechnik auf, nur dass das Auge hier das Gefühl hat, die Platten würden im Domino-Effekt aufeinanderstürzen.
In den Straßen brennen in allen Fenstern der roten Häuser je 2 Lämpchen, es gibt selten Vorhänge. Stromkosten sind hier nicht der Rede wert und heimelig wirkt dies bei der doch länger andauernden Dunkelheit im hohen Norden allemal. Im Winter wird viel gestrickt, während man sich am Ofenfeuer wärmt.
In Tromsö hat es im Feber dann endlich geschneit und die Rentiere konnten wieder Rentier sein. Auch die diversen Winterangebote, wie z. B. Schneeschuhwandern, konnten nun durch geführt werden.
Alle Aktivitäten sind perfekt organisiert, um das Maximum an Genuss heraus zu holen.
Unser Abendessen an diesen beiden Tagen wird bereits um 17 h serviert, um um 18.30 h den Bus ins 1,5 h entfernte Landesinnere nehmen zu können und „das Nordlicht zu jagen“, wie der Diktus hier lautet.
Auf einem schneebedeckten Feld inmitten von Wald erwartet uns ein großes Holzzelt mit Feuerstelle in der Mitte, um uns zu erwärmen, zu essen und zu trinken. Ein Lagerfeuer wartet im Schnee. Hier ist es das 1. Mal auf der Reise kalt – Schihose, 2 Anoraks, 2 Paar Handschuhe und 2 Hauben tun ihren Dienst, wenn man reglos, den Körper nach hinten gebeugt (eigentlich müsste man flach liegen), in den Himmel starrt. Der Himmel zeigt sich bedeckt; weiße Wolken kann man ausmachen, noch keine Sterne – es ist 20.30 h. Meine persönliche Prognose ist schlecht. Ein Sami mit Fuchspelzmütze betreut uns gastfreundlichst. Ich tripple vom Kalten ins Warme und wieder zurück, als um 21 h vom Sami ein Ruf ertönt:“In 15 min ist es soweit, dann kommt das Nordlicht!“.
Die Wolken haben sich mittlerweilen an den Waldrand geschoben, Sterne blinken durch die Schwärze. Und dann das 1. Raunen: „It´s here! We can see it!“ und alle gefühlten 50 Businsassen stürzen an ihre zuvor auf Stativen befestigten Kameras, entblößen ihre heißen Finger und sind aktiv. Ein schmaler weißer Streifen schiebt sich aus den Wolken über die Bäume und beginnt sich zu bewegen. Da ich immer noch auf die Farbe Grün warte, bekomme ich nicht so recht mit, dass ich bereits Zeuge dieses heiß begehrten Naturschauspiels bin. Der Himmel wird immer klarer und dann kann er auch mich überzeugen: das Nordlicht ist da! Die Fotografen sind zwischen Hektik und blanken Jubelrufen gefangen. Durch die Linsen der Kameras sehe ich endlich grün. Was für ein Betrug am Auge, denke ich. Dies hat niemand erwähnt, dass die optische Linse hervorbringt, wofür unsere Augen zu langsam sind, zumindest bei Polarlicht der Stufe 1.
Um 23 h reisen wir in die Stadt zurück. Am darauffolgenden Tag haben wir nochmals eine Nordlicht-Safari. Wegen der Wetterbedingungen am gleichen Ort. Da ich nun schon Experte bin (h-hm), postiere ich mich exakt um 21 h vor dem großen Zelt und sehe den Polarlichtkreis aus den Bäumen steigen. Nun rufe ich als eine der ersten: „It´s here!, It´s here!“ Diesmal eindeutig identifizierbar. Und es wird grün! Es schlängelt sich dahin und weht auch über uns! Der typische „Vorhang“ entsteht. Herrlich! Schnell ist es wieder 23 h, wir starten mit unserem Bus zur Rückfahrt und bleiben auf einem Supermarkt-Parkplatz mit Lichtverschmutzung nochmals stehen. Das Nord-Licht begleitet uns. Es wächst aus den uns umgebenden Bergen wie Laserscheinwerfer in den Himmel und weht über unseren Köpfen. Einige Leute liegen auf dem Asphalt.
Was für eine Reise!
Nicht gerade zum Entspannen, da täglich mehrere Abfahrtszeiten, Essenszeiten eingeprägt werden müssen, neue Quartiere warten. Aber ein kompaktes Nordland-Paket, das würde ich sagen!
Susanne Wallner