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Saudi-Arabien


Susanne Wallner

Eine reise in ein unbekanntes gebiet.
Erst seit 2019 zugänglich für touristen.
Es wird heiß sein, es gibt viel wüste, es gibt viel modernes, und vor allem: es gibt verschleierte frauen.
Was sieht man dort? Eine oft gestellte frage.
Und dann: eine geführte reise dorthin ist sehr hochpreisig.

Meine erwartungen: hotels im oberen preissegment, ein schöner bus, eine reiseleitung, welche über alle belange informiert – geschichte, politik, gesellschaft, natur, …

Das KSA (Kingdom of Saudi-Arabia) möchte, dass touristen kommen – mit der initiative „saudi vision 2030“ (der jahreszahl) öffnet es sich. Unkompliziert, mit wenigen auflagen.
Das e-visum ist schnell erhalten, wenn man ein bildbearbeitungsprogramm für das hochzuladende foto bedienen kann.
covid19-maßnahmen sind auch alle gefallen, also muss auch keine APP hochgeladen werden.
Kleidungsvorschriften: alles möglich, solange es nicht zu freizügig ist. Soll heißen: die meisten touristinnen tragen jeans, auch eng anliegende. Herren sollten keine kurzen Hosen tragen.
Ich nehme meine weiten sommerkleider aus Tadschikistan und trage dazu eine weite hose.
Auch das gepäck wird nicht durchsucht. Habe aber keine religiösen schriften oder artikel sowie keine medien mit abbildungen von nackten menschen mit.
Alles easy.

Nur im luftraum vom staate Israel – o-ton der Lufthansa 15 min vor überfliegen desselben: „der staat, den wir überfliegen werden, verlangt von allen passagieren und der crew, dass sie während dieser zeit angeschnallt sitzen“.

Schon beim anflug auf die hauptstadt Riyadh erkennt man die gigantomanie: 120 km (!!) weit erstreckt sich das stadtgebiet (zum vergleich: die Strecke Wien-Amstetten beträgt 130 km. Es gibt unendlich lange gerade strassenzüge mit jeweils 5 fahrspuren in eine richtung. Parallel noch ausweichstrassen. Es ist alles bunt beleuchtet, ich kann einen vergnügungspark erkennen.

Saudi-Arabien ist ein land der autofahrer*innen: man geht kaum zu fuß. Angesichts der enormen hitze von april bis oktober ist dies verständlich. Man fährt von laden zu laden und dann nach hause.
Die straßenzüge verlaufen ohne ausfahrtsmöglichkeit geradeaus. Ein abbiegen ist durch jeweiliges umkehren in 1 – 1,5 km-abschnitten im U-Turn möglich.
So sammelt man auf einer fahrstrecke eine beträchtliche zusätzliche anzahl von kilometern an -

In Riyadh wird gerade eine U-Bahn fertig gestellt, welche das eine mit dem anderen ende verbinden soll. Die U-Bahn-Stationen wurden von namhaften architekt*innen gestaltet, auf die immer wieder beim vorbeifahren hingewiesen wird – obwohl noch nicht fertiggestellt.
Ob diese U-Bahn von der bevölkerung angenommen wird, ist noch zu sehen.
Trotz der horrenden Verkehrsstrafen, die bei Falschparken, falschem Wenden etc. drohen (einige 100 €)!

Am 1. tag unserer reise sollen wir den königspalast besuchen – er ist jedoch geschlossen, die gründe sind nicht offensichtlich. Dies passiert derzeit noch mit einigen anderen sehenswürdigkeiten. Daher besuchen wir u.a. den Kingdom-Tower, der direkt an einer der magistralen steht. In unterschiedlichen farben wird er bestrahlt und ist teil einer „Mall“, derer es unzählige gibt.
Der Tower zählt 99 stockwerke mit hochgeschwindigkeitsaufzug natürlich – der ticketverkauf mit kreditkarte – alles easy. Oben gehen wir über die gebogene „Skybridge“. Daher der volkstümliche name „flaschenöffner“, so ragt der turm in den himmel.

Saudi-Arabien

Wir besuchen eine weitere Mall und darin ein modernes café – ein stück kuchen kostet dort stolze € 8,--! - aber die heiße schokolade dazu lässt sich sehen.
Lokale von amerikanischen ketten werden favorisiert. Immer wieder werden wir zu einigen hingebracht, lehnen jedoch ab, wir wollen landestypische gastronomie kennenlernen!

Die Saudierinnen tragen vermehrt den Nikab – ein dünnes schwarzes tuch vor dem gesicht, das am hinterkopf zugebunden wird und nur die augenpartie freilässt. Diese sticht ob der starken schminke hervor und reicht, um einen freundlichen, wohlwollenden kontakt aufzunehmen.
Nichtsdestotrotz nehmen sie am gesellschaftlichen leben teil wie wir auch, so scheint es. Sie gehen ohne männliche Begleitung in der mall herum, sitzen im café, fahren auto, arbeiten an diversen schaltern.
Dass ich dieses faktum hier extra herausstreiche, sehen die saudierinnen wahrscheinlich als unverständlich an.

Es kommt auch immer wieder zu gesprächen, vor allem, wenn die damen englisch lernen. Und antworte ich auf arabisch, sind sie sowieso nicht mehr zu halten und WIR werden fotografiert!

Wir gehen auch auf den allgemeinen markt sowie den speziell eingerichteten frauenmarkt, in welchem hauptsächlich frauen verkehren und ihre stände betreiben. Gerne werden uns all die gewürze und kleidungsstücke vorgeführt und erinnerungsfotos gemacht.
Hier ist es ganz ruhig und sauber. Einige kinder sind auch dabei.
Die Damen heißen zum Beispiel Reem, Fauz und Shumana.
Wenn ich meinen namen, Susanne, auf Arabisch sage – Sausan – sind sie immer begeistert.

In der hauptstadt gibt es einige wenige alte bauten. Teilweise werden Reste davon ergänzt, um ein komplettes ensemble, wie es früher gewesen war, herzeigen zu können.
Die besichtigung erfolgt ganz modern – mit kurzvideos, Guide in deutsch, kaffeeprobe mit mitarbeiter*innen in saudischer tracht.

Auch das restaurant für unser mittagessen mutet international an – die speisekarte kann man per QR-Code scannen. Die speisen werden vom personal genau erklärt. Wunderbar!
Und wieder sitzen 3 saudische frauen gemeinsam an einem tisch und unterhalten sich köstlich.

Wir haben auch einen besichtigungstermin in einer der größten moscheen des landes. Ein englischlehrer führt uns. Ein moderner bau erwartet uns sowie ein video, kleine snacks und getränke. Es ist auch möglich, unserem Guide private fragen zu stellen – was wir sofort tun – vor allem die gesellschaftlichen begebenheiten hier interessieren uns. Wir erfahren, dass folgeehen normal sind – unser Guide ist zum beispiel der 3. mann seiner 2. frau…
Alles ist sehr weitläufig hier. Es gibt gratis literatur zur moschee in sechs verschiedenen sprachen (auch europäischen).
Im frauenbereich im 1. Stock nehmen wir platz und verfolgen das nachmittagsgebet. Es ist faszinierend, wie sich reihe um reihe mit männern und buben füllen – ich zähle an die 500 menschen in kurzer zeit.
Weiters ist auch gerade ein begräbnis im gange. Einen kurzen moment wird das tor zur aufbahrungshalle geöffnet und wir sehen die leichname in tücher gewickelt aufgebahrt.

Saudi-Arabien

Drei inlandsflüge mit der regionalen fluglinie Saudia sind für uns gebucht, da das land so riesig ist (über 2 Mio km²) und wir zumindest 4 der 13 provinzen kennenlernen möchten.
Alles funktioniert reibungslos. Das flugpersonal rekrutiert sich aus dem asiatischen raum.

In Ha´il im nordwesten sehen wir auf dem pilgerweg nach Medina die felszeichnungen von Jubbah. Die aufbereitung der geschichtlichen stätten gestaltet sich großzügig, mit Boardwalks zu den oft erhöhten felsen.
An Maraya, einer ultramodernen konzert- und veranstaltungshalle, fahren wir leider nur vorbei. Diese ist voll verspiegelt und in der wüstenlandschaft nicht erkennbar! Trotz mehrerer interventionen würden wir nur einen tisch um teures geld erhalten und könnten keine aufführung sehen, da alles bis 2024 ausgebucht ist. Schade –

Ein weiteres highlight ist Al ´Ula, ein gebiet mit fantastischen felsformationen und felsengräbern der Nabatäer, welche teilweise noch immer ausgegraben werden (Mada´in Saleh in Saudi-Arabien war einst die hauptstadt des reiches, bevor Petra in Jordanien zum zentrum aufstieg). Man wandelt eben dahin, ein freilichtmuseum.
Die „Al ´Ula-Experience“ ist schon ein schlagwort für die Saudis geworden und wir werden mehrmals danach gefragt. Für sie eine errungenschaft, für uns eine fast schon dekadente neuauflage eines vorzeitlichen Disney-Parks. Durch eine teilweise nachgebaute alte lehmstadt werden wird mit „Carts“ transportiert, bei den einzelnen felsen in der wüste jeweils von englischsprachigen weiblichen Guides begleitet.
Beim berühmten Elephant-Rock erwarten uns in den wüstenboden eingelassene runde sitzgelegenheiten mit lagerfeuer in der mitte, man ist vor dem kalten wind geschützt und kann mit einem cocktail ohne alkohol auf den in verschiedenen farben beleuchteten felsen blicken und chillen. Auf dem weg dorthin mit palmenblättern abgezäunt ein gebetsraum für frauen und daneben für männer. Natürlich darf ein VIP-bereich nicht fehlen mit einer atemberaubenden aussicht auf die steinschätze der wüste.
Die nacht verbringen wir in einer bungalow-anlage, welche direkt in einen arm des anliegenden tales gebaut ist. Ebenerdig, die fenster mit blick auf die umgebenden felswände. Ein schauspiel!

Saudi-Arabien

Dieser blicke nicht genug, wandern wir am nächsten tag durch die wüste und sehen von einem berg herab beeindruckende, ob der weite, ausladende kürzlich geschaffene kunstwerke: palmen angeordnet in kreisen, mehrere kegelförmige sandformationen gleicher höhe in kreisen angeordnet – unerwartet, mitten in der wildnis, wunderschön!

Mit dem bus fahren wir weiter nach Tabuk, in die nächste provinz; die reisestrecken betragen 3-5 h einfach. Wir passieren an ortsein- und ausfahrten immer beachtlich gestaltete kreisverkehre, in deren mitte ein landestypisches symbol prangt: eine kaffeekanne, ein ausrangiertes flugzeug.

Beachtliche felsformationen beherbergen immer auch interessante schluchten und täler, Wadis genannt – durch das Wadi Qaraqir werden wir teilweise durch den fluss mit 3-reihigen jeeps gefahren. Unser blutjunger, fescher fahrer mit Shimak auf dem kopf heißt Adha und freut sich über arabische konversation.

In unserem 3*-hotel wird kein frühstück angeboten, daher begeben wir uns, natürlich mit dem bus, um die nächste straßenecke zu einem einheimischen lokal, das nur von männern besucht wird – darunter sehr viele gastarbeiter.
Es gibt die kleinen kabinen links, mit teppichen ausgekleidet, davor die schuhe schön aufgereiht, rechts einen offenen bereich mit teppichen und in der mitte wird für uns eine tafel hergerichtet mit plastiktischdecke, darauf diverse köstlichkeiten – eierspeis, Ful (bohnenmus), gemüseeintopf, süßes bananen-nuss-mus und dazu riesige fladenbrote, frisch aus dem ofen. Kein teller, kein besteck. Dazu tee, kaffee, wasser.
Netterweise erhalten wir einen löffel, so groß wie ein kaffeelöffel, aus plastik.
Ich nehme mein brot als unterlage und löffle alles darauf. Die hände können hinten beim großen waschbecken gereinigt werden.
Wir dürfen die frühstückenden fotografieren, sie sind sehr offen und freundlich.
Ein wc gibt es hier nicht, wir müssen nachher zu einer tankstelle fahren - „die tankstellen sind immer super ausgestattet“, o-ton unserer reiseleiterin - was wir vorfinden, natürlich ohne papier, möchte ich nicht schildern...

Mittagessen müssen wir oft an tankstellen, wo diverse ketten kaffeestände anbieten, mit kreditkarte einfach zu bezahlen, qualität top. Sandwiches erhält man dort ebenso.
Die damentoilette wird hier als „Women´s Watercycle“ gekennzeichnet.

Abends sind wir in diversen einheimischen restaurants zu gast, selbstverständlich am boden sitzend, in einem abteil für uns. Riesige tafeln werden für uns aufgetragen auf dem teppich – Kebse (reis mit huhn obendrauf), Makhlube, Feitoush, Hummus, Laban, Manakish, Tabouleh, Falafel... herrlich. Für fleischesser und für vegetarier gleichermaßen interessant. Und danach kleine süßigkeiten, zb. Gnafi (eine creme).
Das essen am boden will jedoch gelernt sein – zum abstützen der ellenbogen gibt es kleine „teppichquader“.

Die toilettensituation hier: ein wc für alle geschlechter! Nur mit analdusche.

Touristen sind noch immer selten. Wir müssen für viele fotos posieren, jede*r gibt freundlich auskunft. Ich hoffe, dies bleibt noch lange so, wenn vermehrt besucher*innen das land entdecken möchten...

Saudi-Arabien

Auf den langen strecken begleiten uns immer wieder kamelherden, teils geführt, teils wild. Auch ziegenherden sind häufig zu sehen. Mit einem dunkelhäutigen hirten aus Khartoum im Sudan komme ich ins gespräch, er hat auch einen hirtenhund bei sich.
Es werden eigentlich nur Salukis geduldet. Katzen jedoch, so konnte ich wohlwollend feststellen, haben highlife hier. Sie sind wohlgenährt und können sich ohne scheu sonnen.

Nach dem Anblick des roten meers, an deren stränden sich auch touristinnen nur vollbekleidet tummeln dürfen und den 12 quellen des propheten Moses geht es per flug in die nächste provinz: Jeddah. Wir überfliegen Medina und die heilige Kaaba, was auf unseren bildschirmen vermerkt wird: „… noch 5,4,3,… sekunden bis Mekka“. Ich schaue – die fluggäste ändern ihr verhalten jedoch nicht –

In Jeddah ist ein wahres Juwel zu sehen: die etwas heruntergekommene, jedoch vorhandene: altstadt! Herrlich dazwischen zu wandeln und die schiefen 2-3-stöckigen Häuser zu bewundern und zu betreten. Unzählige katzen und einige regentropfen begleiten unseren Weg.

Die regenmenge wächst an, wir müssen uns in einer passage des marktes unterstellen. Kleine rinnsale bilden sich – den regenmantel (in Saudi-Arabien??) ließ ich zuhause. Regenschirme werden angeboten.
Wir werden nass, flüchten zum nächsten teil des Bazaars. Und dort: kein entrinnen mehr. Sturzfluten ergießen sich über die gebäude und verwandeln die verkehrswege in Bachbette.
Die polizei gebietet den inhabern, ihre geschäfte zu schließen. Die kinder der fliegenden händlerinnen bringen ihre ware mit einkaufswagen ins trockene.

Unsere reiseleiterin schiebt uns von einem stromkasten weg. Das dach des marktes ist brüchig, es bilden sich auch hier rinnsale, wir ziehen unsere schuhe aus, erbitten große plastiksäcke zum drüberziehen… das restaurant, wo wir fisch probieren wollten, können wir nicht mehr erreichen. Wir treffen 2 Jemenitinnen aus London, welche ihre Saudischen verwandten besuchen. Sie sind halb durchnässt.

Von einem traum an spaziergang in einer der wunderbarsten alten stätten direkt ins chaos – durch fehlende kanalisationssysteme und undichte gebäudeteile in minutenschnelle möglich.
Es gelingt, unseren bus durch die engen gassen herbeifahren zu lassen – wir huschen hinein, die beiden Jemenitinnen bitten inständig, mitgenommen zu werden, die situation ist ihnen zu brenzlig geworden. Durch die scheibenwischer sehen wir nur bruchstückhaft, dass wir fast schwimmen.

Aber dieser zustand bei regengüssen ist den ortsansässigen nicht fremd.
Ich recherchiere im internet, und entdecke eine ähnliche situation in Jeddah im vergangenen november mit 5 toten, massiven erdrutschen und gesperrten strassen, auch der zum flughafen…

Unser hotel erwartet uns mit tüchern am boden, obwohl 7 stufen hoch, hat sich auch hier das wasser seinen weg gebahnt.
Unser fischrestaurant möchte die speisen in 1,5 h ins hotel liefern… bis dahin ausruhzeit. Es werden jedoch 2,5 h… aber das köstliche mahl entschädigt uns für die unbill.

Weiters steht fest: der ausflug am kommenden tag in das 3 h entfernte Ta ´if, einem liberalen ort in den bergen, muss gestrichen werden, da nicht sicher ist, ob wir dorthin gelangen können, geschweige denn, ob wir dann abends pünktlich unseren flug erreichen.

So lernten wir doch noch die ursprünglichen strukturen Saudi-Arabiens, wenn auch in form einer sintflut, kennen.

Und die zukunft? Abgesehen von der technologisierten hauptstadt Riyadh -
sie ist schon angekommen, heißt NEOM – eine wortschöpfung aus Neo und M (Mustaqbal – arabisch für zukunft) und soll eine 170 km lange, 500 m hohe, autarke, emissionsfreie, liberale, hypermoderne systemische stadt werden. Vom roten meer quer durch die wüste. Die bauarbeiten laufen schon. Für viele Saudis ist NEOM der inbegriff von ersehntem leben in der zukunft, die abhängigkeit von fossilen energieträgern hinter sich lassend.

Susanne Wallner
Dezember 2022


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