...ist nicht nur EINE Geschichte, sondern sie gliedert sich in viele kleine Geschichten, erzählt von unterschiedlichen Akteuren.
Im Mai konnte ich mir einen lang gehegten Wunsch erfüllen: ich fand für den August eine Almhütte zur Miete in luftiger Höhe, die mit dem normalen PKW erreichbar war. Und außerdem eingezäunt.
In Kärnten, in der Nähe des Millstättersees, auf 1.600 m Seehöhe, umgeben von einigen anderen Hütten mit unterschiedlichen Funktionen.
Der Besitzer der Hütte im Ort hatte uns mit Kaffee und Kuchen willkommen geheißen, in unser bis zu meiner Nasenspitze voll bepackte Auto noch einen 1 m hohen Sack mit Holzspänen dazugeladen. Alles andere sollte einSelbstgänger sein.
Ich lernte eine Therme anzuwerfen für das warme Duschwasser sowie den Wohnküchen-Ofen mit den Spänen zu beheizen für etwaiges Teewasser.
Die Lage des WC mussten wir nach langem Suchen telefonisch erfragen – es war einen kleinen bergan steigenden Pfad hinter einer hohen Fichte versteckt, ein Plumpsklo; da die Tür nur mit großer Anstrengung zu schließen war, empfahl es sich, den Zusatznutzen in Anspruch zu nehmen: einen wunderbaren Blick ins Tal auf den silbern glänzenden Millstättersee.
An den Wochenenden waren viele Einheimische in den anderen Hütten zugange, gelegentlich fuhr ein Auto vorbei.
Gegenüber befand sich unser Hauswirt, der Wildspezereien anbot.
Nebenan zwei Meiereien mit jeweils 15 Milchkühen. Dazu noch eine Menagerie aus zwei Hunden, Kaninchen, Katzen und Mini-Meerschweinchen.
Schon bei unserem ersten Ausgang in die Höh weiter hinauf erblickte ich die beiden Hunde, dann nicht mehr. Man hörte auch kein Gebell.
Wir gehören zum Michlhof drunten im Ort und verbringen 2 Monate hier oben. Früh und abends warten wir schon an der Stalltür auf die Gabi, die uns melkt. Da kann´s schon mal laut werden. Dann gehen wir, die Greta zuerst, dann die Zenzi und Liesl, dann die anderen, zu den beiden Brunnen vor der vermieteten Hütte. Die Luzi will sich oft vordrängen, aber da schubsen wir sie schon weg, wo kämen wir denn dahin! Meistens wartet sie eh 5m weiter entfernt, bis sie dran ist.
Wir trödeln dann auf der oftmals schlammigen Straße herum und schauen auch mal auf das saftige Gras, das rund um die Hütte wächst. Es ist leider durch einen massigen Zaun vor uns geschützt Warum eigentlich? Kommt niemandem zugute.
Ich kann mich noch erinnern, als die neuen Mieter mit dem silbernen Auto die Hütte gesucht haben, sie wollten die Straße rauf fahren und sind dann in unserer Gruppe stecken geblieben.
Was kümmert uns schon ein Auto! Noch dazu von jemand Fremdem! Sie haben uns schon zugerufen und mit den Händen gedeutet.
Es ist dann ein Radler gekommen, der uns mit seinen bloßen Händen auf die Seite getrieben hat...
Wie sie dann schon den 2. Tag da waren, sind sie nicht mehr auf der Straße gewandert, sondern haben unsere Viehwege bergan verwendet, es ist ja genug Platz auf der saftigen Alm. Da kommen wir schon aus miteinander.
Auf jeden Fall fühlten wir uns gleich wohl. Haben schöne Wanderungen bis auf 2.200 m Seehöhe gemacht, mitten bei einer im Hang neu erbauten Almhütten mit Solarzellen gerastet und die Gämsen im Geröll gesucht. Eine hat jämmerlich geschrien, wir konnten sie jedoch ohne Fernglas nicht ausmachen.
Im Bergsee waren Lurche und Kaulquappen zuhauf.
Unterwegs haben wir kaum jemanden getroffen.
Zurück auf einer bewirtschafteten Alm wurde auf die HarmonikaspielerInnen gewartet, die traditionell am 15.August aufspielen.
Es kamen dann einige unter 15-jährige Musikerinnen; die eine in der gaggerlgrünen Lederhose, welche wunderbar quetschte.
In der Hütte schlief der Foxterrier auf der Bank neben der frisch gemachten Sachertorte.
Daheim angekommen sah ich unsere Nachbarhunde erneut und ich beschloss, mit den Besitzern Kontakt aufzunehmen. Die Labradormischlinge Cora und ihr Sohn Zeus hüpften vor Freude. Wir kamen gleich in ein nettes Gespräch. Auch die Kalberlbox daneben wurde mir erklärt.
Da schon Mitte August war, ist der Fritz aus dem Tal gekommen mit seinem LKW, um seinen Teil der Herde wieder heimzuholen.
Das war uns gar nicht recht. Wir beschwerten uns lautstark und warteten nicht direkt vor der Meierei, sondern verstreut auf der Alm, was da jetzt kommen möge.
Unser Kleines wurde mithilfe der Kinder direkt vom Stall in den Lastwagen gepackt. Es bekam eine eigene Absperrung, dass es nicht von uns während der rumpeligen Fahrt zerdrückt würde. Dann mussten noch die trächtige Elsa, Bärbel und 2 andere mit. Elsa, ok. Aber wir anderen?
Wir trauerten um sie, indem wir laut und anhaltend muhten, denn schließlich gehören wir alle zusammen.
2 Stunden später würde er die anderen alle abholen.
So schön war es hier oben auf der Alm! Freiheit, super Essen und immer was Neues zu sehen und zu hören!
Eines Morgens gingen wir wieder zum Brunnen vor der Miethütte, das silberne Auto stand auf der Wiese. Nach dem Trinken schauten wir gedankenverloren ins Tal. Die letzten Nebelfetzen stiegen gerade auf.
Plötzlich erklangen so schöne Basstöne! Was für eine Wohltat. Wie abgesprochen drehten wir unsere Köpfe zur Hütte hinter uns und lauschten. Herrlich! Ein Frühstückskonzert sozusagen. Nur für uns!
Wir kamen näher ran. Die Zenzi und die Liesl stiegen sogar den rechten Hang an der Hütte hinauf, entlang vom Zaun; am liebsten wären sie hineingegangen! Da saß er, der Mieter. Er spielte Tuba am geöffneten Fenster und sah, dass es uns gefiel. Er sprach auch zu uns.
Musik ist für uns ein Elixier. Der Michlbauer weiß das und lässt deshalb immer das Radio im Stall spielen beim Melken. Dann freuen wir uns.
Wir hatten diverse Musikinstrumente zum Üben mit. Dass unsere Musik solch eine Resonanz finden würde, hätten wir nicht gedacht! Nicht nur unsere Nachbarn fragten nach, wir hatten täglich Publikum! Tuba und Steirische Harmonika, das gefiel den Kühen. Wie angewurzelt hörten sie vor unserer Hütte zu.
Am nächsten Tag kam der Michlbauer mit seinem LKW. Ich war schon gefasst darauf, dass wieder ein Muhen und Beschweren losgehen würde ob der bevorstehenden Fahrt ins Tal.
Und dann ist unser Michl gekommen! Seinen Traktor mit dem Hänger kennen wir natürlich und sind ihm sofort freudig hinterher gegangen. Die Lara, unser Hund, ist auch mitgekommen. Jede von uns wollte die erste auf dem Hänger sein, die Greta hatte da natürlich das Vorrecht. Da hatte der Michl nicht viel Arbeit. Wir sind ein gutes Team. Die Zeit hier oben war schön, aber im Tal dürfen wir ja auf unsere saftige Weide, das ist auch fein.
Ja, ich hol jetzt meine Mitarbeiterinnen ab! Jetzt geht’s wieder talwärts. Und die Lara tut so gern Traktor fahren.
Alle sollen's gut haben bei mir, solang sie bei mir sind. Irgendwann kommt dann die Zeit, so is es halt, wir müssen davon leben.
Heute waren die Lara und Zeus nicht in ihrer Weide, sie streiften auf der Alm umher! Das fand ich sehr mutig. Als das Zurückrufen nicht funktionierte, fuhr der Sohn mit seinem Moped zum äußersten Gatter, und siehe da, als wir in diese Richtung spazierten, kamen sie uns schon entgegen, alle drei – die bewirtschaftete Hütte plus Artgenossen draussen mit dem verlockenden Bratlduft war also der Anziehungspunkt gewesen!
Am Abend erfüllte ich mir noch einen Wunsch: ich wollte in der Dämmerung auf einem Hochstand sein und das Wild beobachten. Gut eingepackt, mit Decke und Fernglas, schauten wir von dort aus auf einen Hang. Eine Stunde lang tat sich nichts. Es wurde immer dunkler, bis nur mehr Umrisse zu erkennen waren. Plötzlich konnte ich auf dem Hang einen sich bewegenden Schatten ausnehmen. Er hoppelte talwärts, und noch drei Riesenhasen gesellten sich dazu. Herrlich!
Dies sind also die Geschichten von der kleinen Welt hier oben, die einen Sommer lang genügt.
Wien, 9.11.2016
Susanne Wallner