Im September ein 4-stündiger Workshop in Wien für Folkdance aus Frankreich.
Eine Erwähnung des Grandbal de L´Europe in Frankreich … im Sommer … wo findet man diesen?
… gegoogelt, festgestellt, es gibt auch „kleine“ Bälle, zum Beispiel „P´tit Bal d´Automne“, im Herbst und nach genauerem Hinsehen: er fällt just in die kommenden Herbstferien von Donnerstag bis Sonntag.
Ich könnte alle
Tage daran teilnehmen; würde aber allein fahren…
Wie hinkommen?
Der nächstgelegene Flughafen ist Lyon. Es gibt einen Direktflug, dann Leihauto
nehmen – jedoch Fahrtzeit 2,5 h bis zu dem kleinen Örtchen Gennetines bei
Moulins.
Viel Zeit zum Überlegen ist nicht –
Ich nehme es in Angriff.
Die erste Hälfte der Herbstferien bin ich auf einem Bauernhof in Österreich mit meinem Partner, dann fliege ich nach Frankreich.
Die Autofahrt verläuft problemlos, lediglich die neue Mautverrechnung auf der A 79 ist speziell - eine Überkopfanzeige bedeutet, dass diese abgebucht werden soll, ein neues System „Péage en Fluxe Libre“. Da ich hiefür nicht eingeloggt bin, muss ich es erst einmal sein lassen.
Ich frage beim Tanzfest einen Franzosen: für Ausländer*innen ist dies nur mit American Express bezahlbar, nur an bestimmten Parkplätzen an einem bestimmten Automaten… dies klingt für mich schon wieder undurchführbar. Mal schauen…
Das Fest findet traditionell auf einem riesigen Landgut, der „Ferme des Gauthiers“ (Bauernhof) statt. Der Wegweiser ist nicht sichtbar, so muss ich Ortsansässige befragen – obwohl es 4 Mal jährlich stattfindet, kennt nur eine Person den genauen Ort. Die Beschreibung im Dialekt der Auvergne ist auch eine kleine Herausforderung, aber es klappt. Ich finde den „Schotterweg, der von der Straße abgeht“, folge ihm vertrauensvoll und siehe da – ich bin angekommen!
Diesmal nehmen nur 108 Teilnehmer*innen teil, die meisten aus Frankreich…
Im Sommer finden sich hier rund 3.000 Tanzende ein, da ist die Herkunftsvielfalt ein
wenig größer.
Ah, Österreich! Aber ja, kennst du die Wiener*innen, die vor 3 Monaten da waren…?
Wahrscheinlich schon, denke ich, sie waren sicher bei meinem Kurs im September dabei…
Einige Leute campieren immer noch, es ist viel Platz, ich habe mich in einem 2-Stern-Hotel in der Nähe von Moulins einquartiert. Einfachst eingerichtet, etwas kühl, aber ausreichend. 20 Minuten weit entfernt über Landstraßen.
Die Teilnahmegebühr ist nicht sehr hoch, dafür wird Mitarbeit beim Kochen, Servieren etc. miteingerechnet. Es wird vegetarisch frisch gekocht, schmeckt gut. Die meisten Tänzer*innen sind in meinem Alter, kommen eher aus der alternativen Szene. So ist es nicht schwer in Kontakt zu kommen und die halbe Zeit spreche ich Französisch :-)
Ich
interessiere mich hauptsächlich für die Workshops, welche täglich angeboten
werden und jeweils 2-3 Stunden dauern. Deren Levels sind gekennzeichnet mit *,
**, ***. So weiß man, auf was man sich einlässt…
Zu Beginn eines Workshops versammeln sich die Tanzenden in einer Traube vor
einer Landkarte wo von der/die Workshopleiter*in genau gezeigt wird woher der
jeweilige Tanz kommt.
Grundsätzlich kann hier jede/r mit jede/r/m tanzen! Mann/Mann, Frau/Frau oder
klassisch Paarweise. Die den meisten bekannte Tanzweise „Mann führt Frau“ ist
aufgelöst, es gibt nur eine/n „Leader“ und „Follower“, die Einteilung macht
sich das jeweilige Paar zu Tanzbeginn aus.
Ich glaube, nur 1 x nahm ich an *** - Workshops teil, der Kopf schwirrt einem
danach. Die komplexen Schritte wären zu erlernen sowie die jeweilige fordernde
Tanzabfolge (Drehungen, Partner*innenwechsel, Paartausch etc.), jedoch würde es
hier kontinuierlicher Übung bedürfen.
Viele Tänzer*innen filmen die Tänze, welche am Ende der Workshops nochmals
komplett und in richtiger Geschwindigkeit von den Expert*innen gezeigt werden,
um dann zuhause in ihren wöchentlichen Tanzkursen diese ins Repertoire
aufzunehmen.
Nach den Workshops gibt es ab circa 20 Uhr den eigentlichen „Bal“ zu dem alle
eingeladen sind. Auch Leute von außen. Und dieser dauert… bis in die
Morgenstunden.
Nachdem ich täglich alle Workshops besucht hatte ab jeweils 10 Uhr 30 fuhr ich
geschafft nach dem Abendessen nach Hause.
Was wurde getanzt?
Bourree, Mazurka, Schottisch, Polska, Gavotte, Branle de
Barbatre, Rond de L´ Epine, Demi-Rond de L´ Ile D´Yeu etc.
Viele Tänze eben auch aus den verschiedenen Regionen Frankreichs.
Einiges kannte ich schon von Wien wo es eine sehr lebendige Folktanz-Szene gibt.
Es gab immer Livemusik mit Geige, Harmonika, Mundharmonika (!) und so weiter.
Es gibt eingefleischte Tänzer*innen, die nur anreisen, wenn ihr/e
Lieblingstanzmeister*in mit dabei ist.
Und Tänzer*innen die immer dabei sind, weil dies ihr Lebenselixier ist.
Ich genoss es. Die Tage vergingen geschwind. Es wurde viel gelacht, sich angestrengt, teilweise verausgabt und gelernt.
Tagsüber
schien die Sonne, man konnte noch mit kurzen Ärmeln höhere Temperaturen genießen.
Abends fuhr ich auch durch den Nebel heim; nur 30 km/h auf den schmalen
Landstraßen.
Einmal stand ein riesiger Hund um 22 Uhr 30 vor mir auf der Fahrbahn!
Im
Hintergrund bereitete ich mich schon geistig auf die zweieinhalb Stunden lange Heimreise am
Sonntag früh vor.
Ich stellte mir den Nebel am Morgen und auch am Abend vor, keine Sicht und ich
verlegte meine Abfahrtszeit um zwei Stunden früher, auf 5 Uhr 30.
Der Wetterbericht beschied mir gutes Wetter am Morgen sowie der Rezeptionist
ebenso. Ich hoffte auf das Allerbeste…
Sonntag war es stockdunkel natürlich, aber es war klar! Ich war erleichtert.
Die Fahrt verlief wieder problemlos, ich erinnerte mich wieder an die
„besondere Maut“ und beschloss die Autovermietung darob zu befragen bzw. diese
zu bitten, es für mich zu bezahlen.
Kaum war ich ausgestiegen eilte auch schon ein Mitarbeiter herbei, der das Kraftfahrzeug
abnahm – alles in Ordnung, meinte er – er brauche nichts mehr von mir und ich
flog nach Hause.
Im Dezember erhielt ich ein E-Mail von Alamo. Es war eine Ankündigung für eine Zahlungsaufforderung, welche demnächst folgen würde. Ich erinnerte mich… das konnte nur die „spezielle“ Maut sein. Ich erwartete eine Strafzahlung in gewisser Höhe.
Zwei Wochen später dann das eigentliche Mail von der Firma Aliae
für die Einhebung der Télepéage:
„Sie waren im Oktober auf der Autobahn unterwegs und haben auch die neuen
Mautstellen passiert. Wir verstehen, dass Ihnen als Ausländer*in unser neues
Bezahlungssystem nicht geläufig ist beziehungsweise Sie sich nicht damit auseinandersetzen
konnten“ – so der ungefähre Inhalt. „Daher haben wir, da sich dieses System
erst in der Einführungsphase befindet, eine spezielle Möglichkeit geschaffen:
Sie können hiermit 4,10 € bezahlen und Ihre Mautgebühr ist damit getilgt.“ …
Ich verstand, obwohl das Schreiben in Amtsfranzösisch abgefasst war, recht gut
worum es ging, konnte es jedoch nicht recht glauben… Ich ließ es von einem
Französischen Bekannten durchlesen, ja, stimmt so, er war auch ein wenig
ungläubig ob des Inhalts ;-)
Im Juli 2025 besuchte ich auf Anraten eines befreundeten Tänzers aus Deutschland Vialfrè in
Piemont wo eine Woche lang auf einem riesigen Naturparkgelände in vier Riesenzelten
französische und italienische Tänze einstudiert wurden.
Dorthin fuhr ich vom Flughafen nur 30 Minuten lang mit dem Leihauto, allerdings
bedrängt von den eifrigen, über Geschwindigkeitslimits fahrenden
Italiener*innen ;-)
Dann gäbe es noch den „Boombal“ in Belgien usw. usw.
Nach diesen aufwandreichen Solo-Ausflügen vergnüge ich mich in Zukunft in Österreich, wo
zum Beispiel der traditionsreiche europäische „Folk-Marathon“ über Sylvester just in
Wien stattfand!
Wie angenehm, mit öffentlichen Verkehrsmitteln von einem Workshop in einem
Lokal in einem U-Bahnbogen zum nächsten Workshop in einer Location in Ottakring
fahren zu können und anschließend zuhause auszuruhen um noch kurz am „Bal“ im
1. Bezirk zu tanzen… ;-)
Susanne Wallner
Oktober 2024