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Gunnar sagt am 05.08.2001 00:48 h zu karin:Erster Beitrag

Re: Genua geht uns alle an!


Liebe Leute! Mir scheint, daß VERMUMMTE POLIZISTEN in Genua zum Einsatz kamen, um die Demonstranten zur Gewalt aufzustacheln. Dann hatte man den scheinheiligen Grund dazu, in die Menge zu prügeln. Warum das wichtig war? Weil die G-8 Leute jetzt glauben, daß sie uns eingeschüchtert haben. Weil sie glauben, daß wir Angst haben vor ihren feigen Methoden. Weil sie glauben, daß wir ihnen jetzt keine Probleme mehr bereiten und ihren irrwitzigen Globalisierungswahn gut finden werden. Weil sie glauben, daß wir so blöd sind und uns auf die Seite der "scheinbaren" Gewinner stellen. Nur, sie übersehen eines: Manch einer war nicht in Genua, aber zum nächsten G-8 Gipfel werden viele neue Demonstranten hinzukommen. Sie werden nicht alle niederprügeln können und auch die verschlafensten Leute werden aufwachen...
Hier einige Zeitungsmeldungen: AUSZÜGE AUS DEM STANDARD VOM 4./5. AUGUST 2001 Seite 35 "Ich bin ein 18-jähriger Jugendlicher, praktizierender Katholik. Vor einem Jahr war ich mit zwei Millionen Jugendlichen beim Weltjugendtreffen in Rom, um den Worten des Papstes zu lauschen, der zu uns gesagt hat: Ihr sollt nicht resignieren vor einer Welt, in der andere Menschen verhungern, Analphabeten bleiben und arbeitslos sind. Ihr werdet euch mit aller Kraft anstrengen, diese Welt bewohnbar für alle zu gestalten. Ich gab mich der Illusion hin, daß es die Pflicht jedes Christen ist, sich zu engagieren. Ich fuhr nach Genua, um eine gerechte Welt zu fordern. Was ich dort gesehen habe, hat einen ganz irrealen Geschmack. Wenn ich nicht blaue Flecken und Schwellungen auf dem Rücken hätte, würde ich nicht glauben, brutal geschlagen worden zu sein, während 50 Meter von mir entfernt drei Mitglieder des schwarzen Blocks (vermutlich VERMUMMTE POLIZISTEN Anm.G.P.), die mit Stöcken bewaffnet waren, zusahen, lachten und ganz ungestört waren. Ich war Teil jener Gruppe von Pazifisten, die auf dem Lungomare von der Polizei eingekesselt worden sind. Ich war einer jener Demonstranten, die hofften, die Schläge der Exekutive zu stoppen, indem wir mit erhobenen Händen am Boden saßen und "Friede" riefen. Die Polizei hat uns trotzdem attackiert. Ich habe versucht, mich an einer Mauer zu schützen. Um mich herum flogen Tränengasbomben, die vom Hubschrauber abgefeuert worden waren. Ich hörte Schreie und dumpfe Schläge... Ich lag am Boden, ein Mitglied der Guardia di Finanza schlug auf mich ein. Ich weinte, aber er schlug mich. Sonntag habe ich den ganzen Tag geweint. Abends bin ich in die Messe gegangen. Als ich unter Menschen war, hatte ich Angst. Mehr als der Rücken tut mir das Herz weh."
***
Besonders drastisch ist die Schilderung von Gian Paolo Ormezzano, der seinen Sohn nach dreitägiger Isolationshaft mit einem gebrochenen Wirbel, einer mit acht Stichen genähten Platzwunde im Gesicht und Spuren von schweren Mißhandlungen von Gewehrkolben und Fußtritten am gesamten Körper wiedersah. "Was soll ich meinem Sohn sagen? Jetzt höre ich nur sagen, daß er nicht nach Genua hätte gehen sollen. Er hat doch nichts Schlechtes getan. Er hat als neugieriger, angehender Kammeramann die ereignisse gefilmt (die Kamera ist verschwunden). Sie haben meinem Sohn die Freiheit wiedergegeben, aber nicht den inneren Frieden. Was soll ich tun? Wie soll ich mit ihm sprechen über Legalität, ein ehrliches Leben, freiheit, Demokratie, über den Respekt vor den menschenrechten und über Pflichten? Ich kann nicht so eingebildet sein zu glauben, daß nicht auch ich am Aufbau dieser schmutzigen Welt in einer gewissen Weise beigetragen habe. So bin ich bereit, mit eine schwere Verantwortung auf mich zu nehmen. Ich habe Mühe, die langen und konfrontativen, aber auch positiven diskussionen mit meinem Sohn wieder aufzunehmen. Ich schaffe es nicht, für ihn, aber auch für mich, Haltegriffe zu finden."
DIE PRESSE SA.4.8.2001
Seite 5 BERICHT DES GENERALKONSULATS Ein Mitarbeiter des österreichischen Generalkonsulats Mailand führte Gespräche mit den männlichen Mitgliedern der Volxtheather-Karawane, die in Genua inhaftiert sind. In einem Bericht, den er am 2.August an das Außenministerium sandte, faßte er die Mißhandlungsvorwürfe zusammen. "In einem Gang mußten sie stundenlang auf einem Steinboden sitzend warten, mit angezogenen Beinen (...). Wer aufblickte, wurde geschlagen (meist mit der flachen Hand ins Gesicht, gelegentlich auch mit Knüppeln). Wer sich weiter aufsetzte, wurde ebenfalls geschlagen." "Während der Leibesvisitation schauten auch andere, junge beamten zu und machten sich lustig. Einer mußte nackt mit dem Gesicht zur Wand Kniebeugen machen. Bei jeder Beuge Richtung Boden wurde ihm dabei in den Hodenbereich geschlagen." "We sich hinlegen wollte, wurde geschlagen. wer schlafen wollte, wurde sofort aufgeweckt. Einer wurde auf die Toilette geführt. Dort wurde ihm beim Urinieren zugeschaut. Als er sich beim Hinausgehen die Hände waschen und etwas Wasser trinken wollte, wurde em mit einem Schlag auf den Kopf verweigert."

La Repubblica schilderte am Freitag den Fall eines Unternehmers syrischer Abstammung. Der Mann, dem ein Bein fehlt, sei nach der Verhaftung in der Polizeistation von Bolzaneto stundenlang gezwungen worden zu stehen, ohne sich setzen zu dürfen. Mittlerweile untersuchen Oberinspektoren des italienischen Innenministeriums die Vorgänge in Genua.

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