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Hans-Jürgen Gaugl ® sagt am 17.10.2006 16:34 zu Michl ®:Erster Beitrag

Re: wahl & purkersdorf


Lieber Herr Michl!
Bin ganz auf Ihrer Seite, wenn Sie sich wünschen, dass konstruktiv gearbeitet werden soll - denn alles andere schadet unserer geliebten Heimat. Es muss einzig und allein darum gehen, die Zukunft unseres Landes zu sichern. Es darf einfach nicht passieren, dass uns unsere Kinder und Kindeskinder eines Tages fragen: wie konntet Ihr es nur zulassen, dass Ihr Euch ein schönes Leben auf unsere Kosten gemacht habt, dass Ihr auf Schulden, für die wir nun büßen müssen, alles auf Staatskosten finanziert habt, um Eure Wählerstimmen zu bekommen?
Betreffend Hürden: sorry, wenn ich mich falsch ausgedrückt habe: Nicht die Vorschläge der SPÖ allein sind Hürden - die grundlegend anderen Zugänge von ÖVP und SPÖ zu den beispielsweise geschilderten Themen sind es, die Hürden darstellen. Da liegt der Ball wohl zunächst einmal beim Herrn Dr. Gusenbauer, einen Vorschlag zu machen, wie man diese Hürden überwinden kann. Er hat den Regierungsbildungsauftrag - es ist übrigens gut, dass unser Herr Bundespräsident doch noch in sich gegangen ist, und doch den Stimmenstärksten mit der Regierungsbildung beauftragt hat, wenngleich er zu Zeiten, als die ÖVP in den Meinungsumfragen vorne lag, anderes angedeutet hat -, und den sollte er ernst nehmen und in konstruktive Verhandlungen einsteigen. Es wäre doch vermessen und eine Leugnung des Wahlergebnisses, würde hier die ÖVP die aktive Rolle einnehmen.
Was den "Entschuldigungsreigen" anbelangt: wie wir nun in Ehrenerklärungen der SPÖ, aber auch anhand von Beratern der SPÖ, die sich verplappert haben, erfahren konnten, hat die SPÖ im Wahlkampf tatsächlich nicht davor zurückgeschreckt, auch Lügen dazu zu verwenden, die Regierungsarbeit der letzten Jahre krankzureden oder gegen die Person des Dr. Wolfgang Schüssel oder auch andere Familien hochrangiger ÖVP-Funktionäre loszugehen. Jawohl, die Familien der Funktionäre wurden hineingezogen! Als Funktionär muss man das aushalten, aber was bitte hat da die Familie desjenigen im Wahlkampf zu suchen? Wäre es da nicht selbstverständlich gewesen, sich dafür vor Einstieg in auf Zusammenarbeit und auch Vertrauen basierende Gespräche zu entschuldigen? Eigentlich schade, dass dies "eingefordert" werden musste, was für eigentlich jeden von uns nur allzu logisch ist.
Betreffend die Aussage, es sei ein Entgegenkommen, überhaupt zu verhandeln: für sich allein stehend ist das wirklich starker Tobak. Doch man muss auch sehen, dass sich Wolfgang Schüssel da über die derzeitige Skepsis "seiner" Basis hinwegsetzt. So gesehen also wirklich ein mutiger Schritt, den er hier setzt - er hat es als Entgegenkommen ausgedrückt.
Zum Kommentar, der mir in der Tageszeitung "Österreich" in den Mund gelegt wurde, "der Wähler habe die Politik oder das Programm der ÖVP nicht verstanden": meine Überzeugung ist es, dass die ÖVP in den vergangenen sechs Jahren sehr viel Gutes für unser Land gemacht hat; es wurde auch nicht davor zurückgeschreckt, Maßnahmen zu beschließen, die von der SPÖ auf die lange Bank geschoben wurden, weil sie auf den ersten Blick nicht so populär sind. Dafür werden uns unsere Kinder aber einmal Danke sagen (Pensionsreform etwa). Einige Reformen waren sicher nur ein erster Schritt: es gibt noch unzählige notwendige Verbesserungen, für welche die Zeit einfach zu kurz war. Dies habe ich den beiden Journalisten auch am Wahlabend gesagt, als sie mit mir über das Wahlergebnis sprechen wollten. Auf die Frage, wie ich mir das Wahlergebnis dann erkläre, habe ich geantwortet, dass es der ÖVP, also uns, offenbar nicht gelungen ist, die gesetzten aber auch die zahlreichen geplanten Maßnahmen in Notwendigkeit und Auswirkung ausreichend zu erklären. Es wurde der Opposition überlassen, diese Maßnahmen zu erklären und dabei herunterzureden oder als unmenschlich hinzustellen. Wir haben zu wenig erklärt, warum welche Maßnahme gesetzt wird, welchen Mehrwert sie für jeden einzelnen direkt oder indirekt bringt; wir haben nur gesagt, dass es Österreich gut geht - was zwar stimmt, aber im Einzelfall vielleicht anders wahrgenommen wird und daher abgehoben wirkt. Und da hat die Opposition erfolgreich hineingehauen, indem sie dieses Empfinden durch Kampagnen der Besudelung der objektiven Erfolge verstärkt hat. Es war wohl weniger die inhaltliche Arbeit, die keinen Anklang gefunden hat, sondern viel mehr die Kommunikation mit den BürgerInnen, die nicht ausreichend funktioniert hat. Denn wäre das ein Entscheid für Verschulungspolitik und gegen Reformpolitik, für neue Belastungen (Sozialversicherungsbeitragsanhebung) und gegen Entlastungen (Steuerreform ohne Gegenfinanzierung durch neue Schulden oder Abgaben, sondern durch Verwaltungseinsparungen), für das in den Tag hineinleben und gegen das an zukünftige Generationen denken ...., dann würde ich das nur sehr schwer verstehen.
Das mit dem Erklären sehe ich zum Beispiel so: den wenigsten von uns ist wahrscheinlich bewußt, dass unser Pensionssystem auf dem Generationenvertrag aufbaut, welcher ins Leben gerufen werden musste, um in der Nachkriegszeit jenen Menschen, die unser Österreich wieder aufgebaut haben und damit den Sockel für unseren heutigen Wohlstand gesetzt haben, im Lebensabend ein erwerbsloses Einkommen zu sichern - im Krieg hatten sie ja keine Gelegenheit, Sozialversicherungsbeiträge zu leisten, mit welchen ihre Pension finanziert hätte werden können. Und an Eigenvorsorge war gar nicht zu denken. Im Laufe der Jahrzehnte hat diese Begründung für die nachfolgenden Generationen eigentlich die Bedeutung verloren, gleichzeitig zeichnete sich immer mehr ab, dass schon in naher Zukunft dieses System unfinanzierbar zu werden droht, weil auf jeden Berufstätigen immer mehr Pensionsten kommen. Je länger man zuwartet, wie das Vranitzky und Konsorten hervorragend verstanden haben aus Angst vor den WählerInnen, desto tiefer müssen die Einschnitte sein, um diesem Trend gegenzubauen. Die ÖVP hat sich wohl gerade noch rechtzeitig - siehe Deutschland - getraut, aber, wie gesagt, leider verabsäumt, die Notwendigkeit dieses Schrittes so zu erklären, dass es auch für jeden verständlich ist. Es war für die Opposition daher ein Leichtes, diese Einschnitte als unmenschlich hinzustellen.
Wenn Sie wollen, können wir aber auch von Angesicht zu Angesicht mal miteinander plaudern - rufen Sie mich einfach an - geht irgendwie leichter als übers "Rohr" ;-) Und die anderen hier müssen meine seitenweisen Ergüsse nicht lesen :-)

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