Purkersdorf Forum Archiv 2003
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Karl Berger ® sagt am 17.11.2003 21:39 zu Georg R. ?:Erster Beitrag

Re: Asylanten sind Menschen wie du und ich


S.g. Frau Bürgmann,
ich lebe ebenfalls seit 30 Jahren in unmittelbarer Nähe dieses Hauses. Und ich meine, daß jedes Ding zwei Seiten hat. Vorverurteilung ist die Eine, über die Entwicklung anderer Menschen (und zwar egal welcher) zu bestimmen ist die Andere.
Es ist wahr, es geht hier um Menschen, und wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, ob wir Purkersdorfer(Innen) nicht 40 Personen ein Dach über dem Kopf und ein wenig Schutz verschaffen können. Aber wir müssen uns auch eingestehen, daß hier die eigentliche Arbeit erst beginnt.
Denn abgesehen vom Materiellen benötigen diese Menschen - wie wir alle - auch einen gewissen Bewegungsfreiraum, Ansprache und Kontakte verschiedener Art mit ihrer Umgebung. Sie entstammen einer anderen Kultur und haben somit naturgemäss andere Anschauungen und somit entstehen auch Konfliktpotentiale. Das hat nichts mit dem "Flüchtling" an sich zu tun, bei der Errichtung eines Jugendzentrums gibt es durchaus ähnliche Aufgaben.
Was mich jedoch (erstens) wirklich erschüttert ist, daß diese Herausforderung ganz allein einer kleinen, weit vom Rest des Dorfes entfernten Gasse auferlegt wird, ohne die Anwohner je gefragt zu haben. Das läßt bei mir den bösen Gedanken aufkommen, daß sich Herr und Frau Purkersdorfer gern als Gutmenschen wähnen möchten, die Integration passiert aber praktischerweise "woanders".
Zweitens kann - so meine ich - auch die Integration in so einem kleinen Kreis nicht optimal verlaufen, ich habe die Erfahrung gemacht, daß hier die Insel- oder Gruppenbildung (mir fällt kein besseres Wort ein) kaum aufgebrochen werden kann. Sollte das nicht auch ein Ziel sein, im großen Kreis voneinander zu lernen anstatt Lagerdenken zu fördern? Warum lernen wir aus dem (schlechten) Wiener Beispiel denn so wenig?
Drittens finde ich den Standort an und für sich ungeeignet. Das Haus scheint mir für 40 Personen doch recht knapp und rundum gibt es keine Infrastruktur. Ich werde den Gedanken nicht los, als wollte man diese Menschen absichtlich vom Stadtbild fernhalten..
Summa summarum finde ich die ganze Aktion entweder schrecklich verlogen oder aber zumindest furchtbar schlecht durchdacht. Ich fühle mich - ich sage es offen - mit der Aufgabe ziemlich im Stich gelassen. Ich möchte Herrn Schlögl auch nicht unterstellen, daß er absichtlich diesen Platz für "humanitäre Zwecke" gewählt hat, da er hier vielleicht nur 200 Wählerstimmen riskiert. Das fände ich allen - auch den Flüchtlingen - gegenüber sehr schäbig.
Wesentlich ehrlicher wäre es, eine breitere Diskussion zu starten, wie die Menschen grossflächiger auf die Gemeinde zu verteilen wären, im Sinne aller Beteiligten. Da könnte ich mir sogar eine wesentlich grössere Zahl an Flüchtlingen vorstellen. So wie es allerdings jetzt geplant ist erwarte ich nur wenig Gutes.
Hoffentlich irre ich mich.
Georg R.


die diskussion führt meiner meinung nach an der realität vorbei. der hysterische titel »schlögl macht purkersdorf zu traiskirchen!!!« und die sofort nachfolgende assoziationskette scheinasylanten, drogendealer, herumlungernde frauenbelästiger haben zu einer diskussion geführt, die zwar wichtig ist, mit der realität aber wenig zu tun hat. ich kenne das ehemalige priesterseminar und weiß, dass 40 flüchtlinge dort sehr gut unterzubringen sind, und vermutlich bessere wohnbedingungen vorfinden als in traiskirchen und anderswo. die syrisch-orthodoxe kirche hat das haus unter anderem auch schon mit der absicht gekauft, dort auch verfolgte glaubensschwestern und - brüder unterzubringen. sie werden sich selbstverständlich auch um diese flüchtlinge kümmern. das zusammengehörigkeitsgefühl und die gegenseitige hilfe in dieser kirche ist sehr hoch, davon konnte ich mich selbst schon überzeugen. hätten sie diese tatsachen z.B. einer kleinen notiz im amtsblatt entnommen, sie hätten das vermutlich als selbstverständlichkeit angesehen, ohne darin irgendeine bedrohung zu erblicken. erst der skandalsuchende aufgeregte ton im zusammenhang mit einigen reizwörtern hat offenbar dazu geführt bedrohungen zu halluzinieren und gegen dieses vermeintliche feindbild los zu reiten. leider hat eine bestimmte partei und eine bestimmte zeitung den boden aufbereitet, so dass es leicht ist, seine xenophoben ängste (und zumindest ein kleines bisserl hat die doch jedeR) zu kultivieren statt zu hinterfragen, und die diskussion darüber halte ich, wie gesagt, für wichtig. der konkrete fall sollte aber doch so gesehen werden wie er ist: eine kleeinigkeit, die aber für 40 bis 60 menschen eine ganz, ganz große hilfe bedeutet.

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