Zusammenfassung der Ergebnisse der StudieIn der neuesten Studie "Das erste Mal" (Weidinger, Kostenwein, Drunecky) bringt die Österreichische Gesellschaft für Familienplanung Licht in ein Thema, das Focus vieler Klischees ist. Jugendliche Sexualität ist nicht nur in pädagogischen Kreisen, sondern auch für Eltern und andere, die mit Jugendlichen leben und arbeiten, ein Reizthema. Leicht zugängliche Pornos in Zeitschriften, Fernsehen und Internet machen Sex zum Thema Nummer eins - nicht nur für die Jugendlichen selbst, sondern auch für diejenigen Erwachsenen, die mit ihnen konfrontiert und oft mit den daraus erwachsenden Fragen auch überfordert sind.
Die Studie zeigt auf, dass
Mit diesen Ergebnissen kann der Eindruck entstehen, dass Jugendliche großzügiger und offener in ihrer Sexualität als noch vor zehn Jahren sind, sich trotz mangelndem Wissen leichter auf intime Beziehungen einlassen und vor allem immer früher bereit sind "es" zu tun.
- praktisch alle Jugendlichen Kondom und Pille als geeignete Verhütungsmittel kennen, aber nur 6% der Mädchen und 4% der Burschen über die "Pille danach" informiert sind,
- sich 94% aller 14-Jährigen in sexuellen Dingen ganz oder ziemlich aufgeklärt halten,
- aber vier von fünf Jugendlichen nicht wissen, wann eine Frau am leichtesten schwanger werden kann,
- mit 14 Jahren bereits etwa die Hälfte aller Jugendlichen Erfahrung mit Petting gemacht hat
- als wichtigste Person für die Aufklärung weder Eltern noch Lehrer, sondern der Freundeskreis genannt wird,
- 41% aller befragten männlichen Jugendlichen Pornos als geeignete Informationsquelle für ihre Aufklärung erachten
Diesem oft von Erwachsenen antizipierten Bild der Sexualität Jugendlicher widersprechen aber bei genauerer Betrachtung die Fakten der Studie.
- Mit dem 16. Geburtstag hat gerade einmal die Hälfte aller Jugendlichen Koituserfahrung, was gleichzeitig bedeuten muss, dass die andere Hälfte aller Jugendlichen ihr "erstes Mal" in diesem Alter noch vor sich haben.
- Jugendliche stufen Treue als "total wichtig" innerhalb einer Beziehung ein. Diese Einstellung wird mit der durchwegs hohen Zustimmung zur Aussage "wenn ich betrogen würde, würde ich mich sofort trennen" nochmals untermauert und macht augenscheinlich, wie hoch der moralische Anspruch an eine Beziehung ist.
Es wäre also völlig verfehlt, Jugendliche als promiskuitiv, wertelos und beziehungsunwillig einzustufen.
Der klare Vorsprung medialer Aufklärungsquellen (Zeitschriften, Fernsehen, Pornos) und Gespräche innerhalb der peer group sollte jene Personengruppen, die für die Sexualerziehung zuständig sind, alarmieren. Die Darstellung von Sexualität in Medien und durch Pornographie liefert ein völlig verzerrtes Bild, die gesamte Bandbreite der Gefühlswelt wird ausblendet und geht völlig am real Erlebten vorbei. Jugendliche, die noch gar keine oder sehr wenig Erfahrung in Liebesangelegenheiten haben, werden dadurch verunsichert und verängstigt. Der Versuch, sich die notwendigen Informationen aus der peer group - von Freunden - zu holen, funktioniert bei den medial transportierten Idealvorstellungen vom erfüllten Sexualleben nur schlecht. Das aus den Medien entnommene Bild der erwachsenen, gefühllosen Sexualität, bei der eine schnelle Abfolge stereotypisierter Sexualpraktiken im Vordergrund steht und wo z.B. Pizzaboten auf unbefriedigte Hausfrauen treffen, ist oft genug Grundlage dessen, was vor der peer-group als eigener Erfahrungsschatz präsentiert wird. Schließlich geht es darum, dazuzugehören. Und diese Tendenz ist bei Jugendlichen in den letzten Jahren anhaltend.
Geändert haben sich allerdings tatsächlich manche Themen. Erklärbar vielleicht durch die wirklichkeitsgenerierende Wirkung von Pornos gibt es heute vermehrt Fragen zu Oralverkehr und Analverkehr. Sexualität wird oftmals unter einem technisch-manipulativ orientiertem Blickpunkt aus gesehen. Fragen nach erogenen Zonen, Lustpunkten und Stellungen beim Sex scheinen diese Sichtweise zu betonen. Wie uns aus der Beratungssituation bekannt ist wollen insbesondere männliche Jugendliche oft eine "Gebrauchsanleitung" für den Sex, um Unsicherheiten auf der emotionalen Ebene ausgleichen zu können.
Jugendliche befinden sich damit in folgendem Dilemma: Einerseits wird ihnen durch eine mediale Sexwelt vorgeschrieben, in welcher Intensität (z.B. Orgasmus), Dauer und Praktik Sex ablaufen soll, andererseits werden sie mit den für ihre Lebenswelt wichtigen Fragen im Stich gelassen.
Um Jugendlichen Hilfestellung zu geben, müssen Sexualpädagogik und Sexualerziehung daher dort ansetzen, wo für Jugendliche Bedürfnisse nach Information und Beratung bestehen. Sie müssen aktiv stattfinden, keine abwartende Position beziehen, empathisch und engagiert sein und keine ideologisch gefärbten Informationen transportieren. Sie müssen größtmögliche Anonymität bieten und zudem ein für Jugendliche attraktives Angebot darstellen.
Die breit gefächerte Angebotspalette der ÖGF versucht diesen differenzierten Bedürfnissen von Jugendlichen gerecht zu werden. Internetberatung und vertrauliche Telefonberatung bieten eine schnelle und sehr anonyme Beratungsmöglichkeit. Durch Schulangebote werden Jugendliche direkt angesprochen und erfahren eine wichtige Ergänzung zur schulischen Sexualaufklärung. Dort, wo persönliche Beratung erwünscht oder notwendig ist, bietet First Love eine unkomplizierte, kostenlose und anonyme Beratung mit der zusätzlichen Möglichkeit einer gynäkologischen oder urologischen Untersuchung. Damit ist eine kontinuierliche Betreuung ratsuchender Jugendlicher gewährleistet.
Die vorliegende Fragebogenerhebung kann mit 1.044 befragten Jugendlichen und dem Einsatz eines umfangreichen Fragebogens detaillierte Aussagen zum Sexual- und Kontrazeptions-verhalten sowie zu sexuellen Normen von Jugendlichen machen. Die Stichprobe setzt sich zu einem Teil (etwa der Hälfte) aus Fragebogenbeantwortungen im Internet, zu einem anderen Teil durch gezielte Vorgaben in unterschiedlichen Schulen zusammen. Es wurde versucht, mittels einer sorgfältig zusammengestellten Personenstichprobe hinsichtlich für diesen Kontext wesentlicher Kennzeichen wie Alter, Bildungsstand und kulturellem Hintergrund eine Verteilung zu erreichen, die der Grundgesamtheit einigermaßen entspricht. Die unterschiedliche Stichprobengröße in Bezug auf das Geschlecht machte es aber nötig, die Ergebnisse für Burschen und Mädchen jeweils getrennt darzustellen. Die Erhebung ist als Pilotstudie gedacht, um die Einstellung und das Verhalten Jugendlicher zu den Themen Sexualität und Kontrazeption beschreiben zu können und damit eine Grundlage für sexualpädagogische Arbeit zu erhalten.