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Erfahrungen am Westbahnhof


8 Tage Mensch mal ganz anders


Aus persönlichen Gründen habe ich mich damals bei euch in die Doodle- Liste eingetragen. Ich konnte das ganze Negative der Flüchtlingssituation nicht mehr hören und wollte mir selber ein Bild machen. Am 2. September ging für mich also die Reise mit dem Zug von Wels(Oberösterreich) in Richtung Wiener Westbahnhof. Dort angekommen eilte ich schnell zu meinem Hostel wo ich bis Sonntag 6.September schlafen konnte. Mein Glück war, dass das Hostel nur wenige Meter von der Caritas Spendenan- und ausgabe entfernt war. Angekommen empfingen mich alle Caritas Mitarbeiter sehr sehr freundlich und erklärten uns das nötigste. Mir schien alles etwas ruhig. Einige Stunden verbrachte ich damit Baby und Kinderkleidung zu sortieren. Danach wurde alles etwas turbulenter als sehr viele nette Menschen kamen und Spenden vorbei brachten.

Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl mit so vielen Helfern zu arbeiten. Alles freiwillig und jeder ungezwungen und doch mit Überzeugung. Mein Dienst war von 7 bis 22 Uhr. Ich ging ins Hostel und ruhte mich aus. Die nächsten Tage sahen schon etwas turbulenter aus. Die Züge kamen ENDLICH aus Ungarn und wir hatten eine Menge Arbeit. Immer wieder kamen Flüchtlinge nur mit Sommerkleidung und teilweise Flip-Flops bekleidet.Uns wehte ein eisig kalter Wind um die Ohren und mit taten die Schutzsuchenden sehr leid.

Ich kann mich noch sehr gut an einen Mann erinnern, der mit einem schmerzverzehrten Gesicht die Spendenausgabe betrat. Ich schnappte mir kurzer Hand einen Dolmetscher der für mich übersetzte. Ihm schmerzen die Füße und nach einem kurzen Blick nach unten war mir klar, dass diesem Mann umgehend geholfen werden musste. Er war über 200 Kilometer gelaufen und sein Schuhprofil hatte Löcher, sodass er viele Kilometer mit den Füßen auf dem blanken Asphalt ging. DOCH und das hat mich echt schockiert! Dieser Mann wollte seine Schuhe nicht ausziehen weil er sich schon tagelang nicht mehr gewaschen hatte und es ihm peinlich war mir ungewaschen seine Wunde zu zeigen. Mit großer Überzeugungsarbeit konnten ich und eine Freiwillige (die Gott sei Dank Krankenschwester war) ihm dazu bringen den Schuh und den Socken (oder was davon übrig war) auszuziehen. Ich kann allen nur sagen, dass ich so etwas noch nie gesehen habe. Eine Wunde bis zum Knochen. Schnell wurde er von meiner Kollegin verarztet und ihm wurden umgehend frische Kleidung, Hygieneartikel und Schuhe ausgehändigt.

Immer wieder in diesen Tagen stellte ich mir die Frage, wie man den eine so eine vergleichswerte Hetze aus einer so großen Not machen kann. Ich erzähle nur von den einschneidensten Erlebnissen meiner 8 Tage, da sonst der Bericht zu lange werden würde „smile“-Emoticon Am Samstag und am Sonntag waren für mich Tage der Menschenwürde und Solidarität. Der ohnehin schon nicht kleine Platz vor der Spendenan und ausgabe war gestopft voll mit Menschen. Menschen die helfen wollen durch Zeit, durch Kleidung oder warmes Essen verteilen, oder oder oder... Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich mit der Spendenbox herumirrte und mir ein kleines Mädchen Geld für die Flüchtlinge gab. Sie fragte mich sehr viel über die Schutzsuchenden. Wie geht es ihnen? Warum kommen die alle? Wieso haben die keine warme Kleidung, wenn es so kalt ist? Wo schlafen die? usw. Als mir das kleine Mädchen erklärte, dass sie und ihre Schwester auf die neuen Kinderzimmermöbel verzichten auf die sie so lange gespart haben um 300 Euro in die Spendenbox für die Zugtickets nach München zu spenden konnte ich mich nicht mehr halten und heulte los. Ja inmitten von allen Menschen heulte ich los. Chris (ein weiterer Freiwilliger der im übrigen ein Engel ist) versuchte mich zu trösten. Erst jetzt nach 5 Tagen caritativer Arbeit merkte ich was das mit mir machte. Ich konnte mich kaum halten. Weil mir das ganze so Irrational vorkam. So viele Leute helfen. So viele Menschen die einfach anpacken und machen.

Geplant waren für mich nur diese 5 Tage aber eine Woche später kam ich noch einmal nach Wien. Ich konnte es kaum erwarten. Nun war alles schon ein bisschen übersichtlicher geworden und es gab mehr Räume sodass die Annahme und Ausgabe getrennt werden konnten. Alles hatte mittlerweile mehr Struktur und man erkannte ein Organisationstalent dahinter. Zuletzt noch ein kurzer Bericht über ein kleines Baby. Ein Zug kam an. Ich war am Bahnsteig um die Leute die im Zug saßen noch schnell mit Obst und Wasser zu versorgen, alles musste sehr schnell gehen, da oft zwischen Ankunft und Abfahrt nur wenig Zeit war. Wir rannten von Wagon zu Wagon und drückten nur schnell den Leuten das wenigste in die Hände. Sie waren sehr hungrig und durstig, freuten sich, lächelten, waren unglaublich dankbar!!!! Nun als der Zug dann weg war hörte ich ein Baby schreien, laut, herzzerreissend. Ich suchte mit nachdruck dieses Baby aus der Menschenmenge am Bahnsteig. Eine junge Mutter (vielleicht Anfang 20) hielt dieses kleine Bündel in den Händen. Das Baby weinte die Mutter weinte. Ich suchte mir wieder einen Dolmetscher und ließ fragen warum die beiden weinen und ob ich helfen kann. Das Baby war 7 Wochen alt. Davon 4 Wochen auf der Flucht. Seit drei Tagen hatte die Mutter so gut wie keine Milch mehr und das Baby hatte Hunger. Extremen Hunger. Ich schnappte mir die kleine Maus und lief mit ihr und der Mutter zum MC Donald wo wir kurzer Hand heißes Wasser bekamen. Ab zur Spendenausgabe. Dort angekommen machte ich ihr sofort ein Fläschchen und fütterte die Kleine. Sie hörte auf zu schreien und kaum war die Flasche leer schlief sie ein. Die Mutter küsste und umarmte mich und rief immer wieder Thank you Thank you...

So mein kleiner Erfahrungsbericht ist nun extrem lang geworden. Sorry aber es gibt einfach soviel zu sagen. Seit ich wieder Zuhause in Oberösterreich bin vergeht kein Tag an dem ich nicht an folgende Erlebnisse denke. Ich denke auch oft an Klaus, Chris, Inge, Anna, Peter, Petra, usw. ich habe sie alle in dieser kurzen Kennenlernphase zu tiefst in mein Herz geschlossen. Ich wünsche euch alle mögliche Kraft um weiterhin so gut mit dieser Situation umzugehen und eine Welle an Menschlichkeit. Für euch ist auf jeden Fall jetzt schon ein Platz im Himmel reserviert.

Alles Liebe meinerseits Melanie

Quelle: Facebook


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