100 Jahre Volksbank in Purkersdorf
Christian Matzka
rundschau-Stadtzeitung für Purkersdorf 3 (2021) 12.
Die Entwicklung der Industriegesellschaft im 19. Jahrhundert und die damit einhergehende Entstehung sozialer Probleme führte zur Gründung von Selbsthilfeorganisationen. Für die Landwirtschaft waren dies die Raiffeisengenossenschaften, im Handel die Einkaufs- und Konsumgenossenschaften und für die Organisationen der Arbeiterschaft der Kreditverband der österreichischen Arbeitervereinigungen. Um eine lokale und regionale Finanzierungsbasis für Handel- und Gewerbebetriebe auf lokaler und regionaler Ebene zu entwickeln, entstanden die Volksbanken, die auch als Genossenschaften organisiert waren.
In Purkersdorf bestand ab dem Jahre 1897 die Sparkasse der Gemeinde, die längere Zeit die einzige Bank im Ort war. Schon vor dem Ersten Weltkrieg diskutierten Unternehmer die Idee zur Gründung einer Bank für Handel und Gewerbe in Purkersdorf. Erst die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Probleme der Nachkriegszeit ließen diese Idee wieder aufkommen. Am 17. März 1921 war es so weit. Im Gasthaus Magenbauer, Wienerstraße 2, kamen 35 Mitglieder zur Gründungsversammlung, die Bäckermeister Johann Cumfe (Urgroßvater von Johannes Klugmayer) zum Obmann und den Lederhändler Franz Matzka (Urgroßonkel von Christian Matzka) zum Aufsichtsratsvorsitzenden wählten.
Das erste Geschäftslokal war ein Raum im Haus Wienerstraße 10, heute das Geschäft Tigereule, wo die Volksbank bis zum Jahre 1959 den Geschäften nachging. Das ehemalige Fenstergitter der Volksbank hat bei der Buchhandlung Mitterbauer eine Wiederverwendung gefunden.
Der Start in die Bankenwelt gestaltete sich auf Grund der Wirtschaftslage schwierig. Erst zehn Jahre später trat eine erste Konsolidierung ein. Im Rahmen der Markterhebungsfeiern im Jahre 1930 nahm die Volksbank an der Wienerwaldausstellung, einer regionalen Messe, teil und beteiligte sich erstmals am, seit dem Jahre 1925 durchgeführten, Weltspartag.
Schon in den 1930er Jahren dachten die Gründungsväter an eine Vergrößerung und den Ankauf eines Hauses im Bereich Hauptplatz/Linzerstraße. Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten brachte die Amtsenthebung der Geschäftsführung. Die Sparkasse der Gemeinde wurde in die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien eingegliedert, die dann im Jahre 1940 vom Rathaus an die Adresse Hauptplatz 4 übersiedelte. Es gelang dann der Volksbank im Jahre 1954 das Haus Hauptplatz 4 von der Familie Wintersberger zu erwerben. Die Zentralsparkasse zog zwei Jahre später an den Standort Hauptplatz 3 (heute Friseur Rydl) und die Volksbank eröffnete im Jahre 1959 den Betrieb am Hauptplatz.
Die Bank entwickelte sich in den folgenden Jahren rasch. Filialen in Hadersdorf, Pressbaum und eine Wechselstube im Auhof zeigten die regionale Wirtschaftsmacht der Volksbank für Purkersdorf und Umgebung. Es erfolgte der Ankauf von Liegenschaften in der Pummergasse 4 und Karl Kurz-Gasse 3, wo ein Büro- und Geschäftszentrum im Anschluss an das neue Bankgebäude geplant war. Anlässlich der Eröffnung des Neubaus im Jahre 1975 demonstrierte die Unternehmensführung ein letztes Mal das Selbstbewusstsein einer lokalen und regionalen Bank.
Wirtschaftliche Veränderungen gegen Ende der 1970er Jahre führten zum Verlust der Eigenständigkeit der Volksbank für Purkersdorf und Umgebung. Dies bewirkte auch eine nachhaltige Veränderung der lokalen Wirtschaftsstruktur und eine Neuorientierung in der Entwicklung des Purkersdorfer Stadtzentrums. Nach mehreren Fusionierungen seit dem Jahre 1978 ist die ehemalige selbstständige Regionalbank heute ein Teil der Volksbanken Wien AG.
Bankstelle Wienerstraße 10, 1921-1959
Haus Hauptplatz 4 im Jahre 1965. Abgerissen und Neubau 1974/75
Fotos: Stadtmuseum
Quellen:
Matzka, Christian, 40 Jahre Stadterhebung (Purkersdorf 2007). Online unter:
https://www.purkersdorf-online.at/museum/festschrift-40-stadterhebung-2007.php
Maurer, Hans, Purkersdorf-Stadterhebung (Purkersdorf 1967).
Unterberger, Friedrich, Festansprache zur Eröffnung der Volksbank am 27.10.1975. In: Heimatmuseum Purkersdorf (Hg.), Die Postkutsche 13 (1975) 1-4.
Schlintner, Kurt, Stichwort Purkersdorf. Die Wienerwaldstadt von A-Z (Purkersdorf 2003). Online unter:
https://www.purkersdorf-online.at/museum/files/Purkersdorf_von_A_Z_Schlintner.pdf
Winna, Friedrich, Purkersdorfer Häuserchronik 1572 bis 1819 (bis 1978) (Purkersdorf 1983).
https://www.genossenschaftsverband.at/die-volksbanken/volksbanken-verbund