Das Hotelensemble Wienerstraße 12
Dr. Christian Matzka
Die Spaziergänger und Besucher von „ Stadtheuriger Ullmann“, „Cafe Jugendstil“ oder der Eventlocation „Die Bühne“ fragen sich vielleicht, wie dieses Ensemble auf dieser Liegenschaft entstand. Die bemerkenswerten Gebäude und innenarchitektonischen Spuren, die auf die Geschichte hinweisen, finden bei den Besuchern Gefallen und werden mit Interesse beachtet.
Das heute bestehende Ensemble entstand im Jahre 1900, als nach einem Brand[1] im damaligen Hotel Senfelder renoviert und auch neu gebaut wurde.[2] Der traditionsreiche Standort befand sich laut Purkersdorfer Häuserchronik ab 1642 im Besitze der Gemeinde Purkersdorf. Darin befand sich einer der ältesten Purkersdorfer Gastronomiebetriebe, das Gemeindegasthaus „Zum Goldenen Hirschen“, das heute der Stadtheurige Ullmann ist. Die Familie Senfelder kaufte die Liegenschaft von der Gemeinde im Jahre 1807 und betrieb bis zum Jahre 1918 in der Zeit der boomenden Sommerfrische in Purkersdorf ein Hotel.[3]
Im Reiseführer „Das Wiental und seine Sommerfrischen“ aus dem Jahre 1904 inseriert die Familie Senfelder und wirbt mit „Monatsarrangement - Pension“, „Elektrisches Licht“, „Anerkannt Gute Küche“, „Konzert“, „Prachtsaal für 300 Personen“, „Waldpromenade“ und „Große Veranda Terrasse“.[4]
Der Prachtsaal ist die heutige Event - Location „Die Bühne“, die Veranda Terrasse und ehemaliger Eissalon, das heutige Cafe Jugendstil. Die Waldpromenade befand sich jenseits des Wien-Flusses. Dorthin konnte man vom Gasthaus- und Hotelgarten zum damaligen Unterhaltungszentrum Kellerwiese mittels einer Brücke gelangen.
Noch vor dem Ersten Weltkrieg fanden im Saal erste Filmvorführungen für die Sommerfrischegäste statt.[5]
Zwischen 1929 und 1936 war wieder die Marktgemeinde Purkersdorf Eigentümerin der Liegenschaft.[6] Die Gemeinde betrieb das Tonkino[7] und versuchte laut Zeitungsberichten mit anspruchsvollen Filmen auch volksbildnerisch tätig zu sein.[8] Die Sozialdemokratische Partei hatte ihr Parteilokal im Haus Wienerstraße 12 und auch der „Bund für Geburtenregelung“ betrieb eine Frauenschutzberatungsstelle.[9]
Der Saal war der wichtigste Veranstaltungssaal in Purkersdorf. Viele Berichte in den Lokalzeitungen der dreißiger Jahre berichten von den Veranstaltungen im damaligen Hotelsaal. So fand am 30. Mai 1931 die Feier des sechzigsten Geburtstages von Vizebürgermeister Spalt im Hotel/Kinosaal statt zu der auch Oskar Helmer, der spätere Innenminister[10] und der Niederösterreichische Landtagsabgeordnete und Ehemann der Tochter von Kronprinz Rudolf, Leopold Petznek[11], anwesend waren.[12]
Nach 1934 nutzte die Vaterländische Front den Saal für Veranstaltungen, wie z. B.1934 für den Ball der Vaterländischen Front. Dabei kam es auch zu politisch motivierten Zwischenfällen, als die Veranstaltung von Nationalsozialisten durch einen Tränengasanschlag gestört wurde.[13] Als Teil des Unterhaltungsprogramms des Balles der Vaterländischen Front stellten einzelne Paare die österreichischen Bundesländer dar. Dazu sprach der Purkersdorfer Dichter Prof. Richard Plattensteiner[14] Verse.[15] Die Ostmärkischen Sturmscharen organisierten im Hotelsaal am 1. Februar 1936 den „Wienerwaldball“.[16]
Die offiziellen Stadterhebungsfeiern im Mai 1967 fanden ebenfalls im Kinosaal Wienerstraße 12 statt, bei der auch Bundespräsident Franz Jonas anwesend war.[17]
Die Privatisierung im Jahre 1936 durch Finanzknappheit und Wirtschaftskrise bedingt, brachte ein privat geführtes Kino und den Betrieb des Gasthauses mit Zimmern bis Ende der sechziger Jahre. Die Schließung des Kinos am 30. November 1969 und der Umbau zu einer Fabrikhalle ließen den ehemaligen Prachtsaal in Vergessenheit geraten.[18]
Die Purkersdorfer Gesellschaft verlor damit den wichtigsten Veranstaltungssaal. Dieser Verlust wurde immer wieder besprochen und lange nicht akzeptiert. Erst der Bau des Stadtsaales Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts brachte eine neue Event – Location.
Durch den Eigentümerwechsel im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wurde der ehemalige Hotelprachtsaal auf der Liegenschaft Wienerstraße 12 wieder hergestellt[19], der ehemalige Eissalon vorbildhaft renoviert und als Kaffeehaus für das Publikum wieder zugängig gemacht.[20]
Der Stadtheurige Ullmann wird seiner historischen Bestimmung als ein beliebtes Gasthaus im Stadtzentrum gerecht. Die schönen Schwingtüren und die Stuckaturen in den Gängen sind die Spuren des Hotels der Zeit um 1900.
Nach mehrmaligen Versuchen den ehemaligen Prachtsaal „Die Bühne“ wieder zu beleben, besteht die Hoffnung, dass durch das gegenwärtige Konzept zur Nutzung des historischen Purkersdorfer Veranstaltungssaales ein neues Kapitel in der Purkersdorfer Kulturgeschichte geöffnet wird.[21]
[1] Kurt SCHLINTNER, Kleine Ortsgeschichte Purkersdorfs I (Purkersdorf 1996) 56.
[2] Christian MATZKA, Tourismus im Wienerwald (1850-1914). Die Entstehung einer Freizeitregion vor den Toren der Großstadt, vom Bau der Eisenbahnen bis zum Ersten Weltkrieg (St. Pölten 2007). = Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde Band 42 = NÖ Schriften 162 Wissenschaft
[3] Friedrich WINNA, Purkersdorfer Häuserchronik 1572 bis 1819 (1978), (Purkersdorf 1983) 62 – 66.
[4] Zentral-Ausschuss des Wiental-Vereines, Das Wiental und seine Sommerfrischen (Wien 1904) 33.
[5] MATZKA, Tourismus im Wienerwald, 128.
[6] WINNA, Häuserchronik, 63.
[7] Volksstimme aus dem Wienerwalde, Sozialdemokratisches Wochenblatt für die Bezirke: Klosterneuburg, Liesing, Mödling und Purkersdorf, 36 ( 8. 9. 1933) 7.
[8] Purkersdorfer Bezirksnachrichten, Wochenblatt für den Gerichtsbezirk Purkersdorf, 114 ( 29. 4. 1934) 4.
Purkersdorfer Bezirksnachrichten, 116 (13. 5. 1934 ) 4.
[9] Volksstimme aus dem Wienerwalde, 24 ( 13. 6. 1931) 7.
[10] Richard u. Maria BAMBERGER, Ernst BRUCKMÜLLER, Karl GUTKAS, Österreich Lexikon (Wien 1995) 497.
[11] Brigitte HAMANN, Die Habsburger, ein biographisches Lexikon (Wien 1988) 95.
[12] Volksstimme aus dem Wienerwalde, 23 ( 6. 6. 1931) 8.
[13] Purkersdorfer Bezirksnachrichten, 101 ( 28. 1. 1934 ) 7.
[14] Richard Plattensteiner lebte in Purkersdorf und publizierte im Bekenntnisbuch Österreichischer Dichter im Jahre 1938. vgl. Bund deutscher Schriftsteller Österreichs (Hsg.), Bekenntnisbuch Österreichischer Dichter (Wien 1938).
[15] Purkersdorfer Bezirksnachrichten, 155 ( 10. 2. 1935 ) 4.
[16] Purkersdorfer Bezirksnachrichten, 207 ( 8. 2. 1936 ) 4.
[17] Stadtgemeinde Purkersdorf (Hsg.): Purkersdorf Stadterhebung (Purkersdorf 1967).
Christian MATZKA, 40 Jahre Stadterhebung, Purkersdorf 1967 – 2007 (Purkersdorf 2007).
[18] Kurt SCHLINTNER, Stichwort Purkersdorf, Die Wienerwaldstadt von A-Z (Purkersdorf 2003) 138.
[20] http://www.dasjugendstil.at/ (22. 1. 2011)
[21] http://www.purkersdorf-online.at/die-buehne/index.php (22. 1. 2011)
http://www.diebuehne.org/DIE_BUEHNE_Purkersdorf/WILLKOMMEN.html (22. 1. 2011)