Gedenkstein für die Purkersdorfer Holocaustopfer
Dr. Christian Matzka
rundschau, Stadtzeitung für Purkersdorf 7 (2005) 7.
Sechzig Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft konnte ein Gedenkstein für die Purkersdorfer Holocaustopfer am 26. Oktober 2005 auf dem Friedhof enthüllt werden.
Auf diesem Stein sind die Namen von fünfzehn Personen verzeichnet. Diese Purkersdorferinnen und Purkersdorfer sind von ihrer letzten Wohnadresse in Purkersdorf in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten Europas deportiert und dort ermordet worden. (www.lettertothestars.at, www.doew.at )
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte eine Welle der Zuwanderung von den östlichen und nördlichen Teilen der österreichischen Reichshälfte nach Wien ein. Diese Migrationsbewegungen fanden auch ihre Abbildung im Wiener Umland.
Die Bevölkerung in Purkersdorf wuchs von 1423 Personen im Jahre 1869 auf 3733 im Jahre 1910 an. Unter den Zuwanderern waren auch Juden, und 1910 lebten fünfzig Personen mit israelitischem Religionsbekenntnis in Purkersdorf. (Christian MATZKA, Tourismus im Wienerwald vom Bau der Eisenbahnen bis zum Ersten Weltkrieg (Wien 2004)).
Die Volkszählung des Jahres 1934 weist für Purkersdorf 73 Personen mit israelitischem Religionsbekenntnis aus. Dies war ein Bevölkerungsanteil von 1,45 Prozent. Die Volkszählung 1951 erfasste keine Personen mehr mit israelitischem Bekenntnis in Purkersdorf. (Österreichisches statistisches Zentralamt, Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Juni 1951 (Wien 1952). Bundesamt für Statistik, Die Ergebnisse der österreichischen Volkszählung vom 22. März 1934 (Wien 1935).)
Nach der Okkupation Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland begann auch für Purkersdorfs jüdische Bevölkerung die Verfolgung. Jüdische Geschäfte, wie die Tabaktrafik Leopold Wollner am Hauptplatz, wurden gekennzeichnet und "arisiert". (Hans SAFRIAN und Hans WITEK, Und keiner war dabei (Wien 1988)). Bekannt ist die Übernahme des Sanatoriums Purkersdorf, das im Eigentum der Familie Zuckerkandl stand, durch die Familie Dr. Hans Gnad.
Das Novemberpogrom 1938, von der nationalsozialistischen Propagada "Reichskristallnacht" genannt, führte auch in Purkersdorf zu gewaltsamen Übergriffen auf Geschäfte und Personen. Erinnern können sich ältere Purkersdorferinnen und Purkersdorfer an das Geschäft von Heinrich Blaschek in der Wienerstraße. Es wurden die Scheiben eingeschlagen und Heinrich Blaschek von Kunden, die Schulden hatten, durch Purkersdorf getrieben. (Victoria MATZKA, "Deine Wohnung war NS-Luftschutzschule, später SPÖ-Lokal, heute ist die ÖVP drin". Erinnerungen an Heinrich Blaschek aus Purkersdorf. In: Alfred WORM u. a., A Letter To The Stars - Briefe in den Himmel (Wien 2003) 26-27.)
Bis zur Deportation 1941 lebten einige der beraubten und enteigneten Purkersdorfer im Haus Wienerstraße 33. Es scheint sich um ein Sammellager für jene Purkersdorfer Juden gehandelt zu haben, denen die Flucht nicht möglich war.
Es scheint niemand von den 1938 geflüchteten Purkersdorferinnen und Purkersdorfern nach 1945 auf Dauer zurückgekehrt zu sein.
Viele Menschen in Purkersdorf gingen, wie im übrigen Österreich, zur Tagesordnung über, lebten in den Häusern und Wohnungen der Vertriebenen und Ermordeten, oder verdienten ihren Lebensunterhalt mit den ehemaligen jüdischen Geschäften.
Der Holocaust Gedenkstein schließt eine sehr lange bestehende Gedenklücke und ist auch Ausdruck einer Erweiterung des kollektiven Erinnerungshorizontes.
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