Ministerialrätin Doktorin Elfriede Fritz, Wien (Gleichbehandlungsbeauftragte und Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen im Bundesminsterium für Finanzen)
Offener Brief
Ich bin eine 60-jährige Feministin und Emanze und das ist gut so. Ich bin für die Quote, damit qualifizierte Frauen gegenüber den Männern aufholen können, ich bin für eine geschlechtergerechte Sprache und Schreibweise und für die mit Bundesgesetz in die Bundeshymne aufgenommenen Töchter (BGBl I Nr. 127/2011). Als Werberätin bin ich gegen die systematische Vernuttung der Frau in Werbung und Medien (Armin Thurnher, Falter 30/14).
Die ärgerliche Sommerlochdebatte (Julya Rabinowich, Der Standard, 19. 7. 2014) um das Binnen-I hat sich zwischenzeitig zu einer gegen jegliches Sichtbarmachen von Frauen in der Sprache und in weiterer Folge überhaupt gegen jede weitere Gleichstellung ausgewachsen. Ich fühle mich nicht angesprochen und sehe die Frauen nicht gewürdigt, wenn nur von einem Mitarbeiter, einem Professor, einem Arzt, einem Rechtsanwalt, einem Steuerzahler, einem Wissenschafter, einem Philosophen, einem Juristen, einem Vorstand, einem Ministerialrat, einem Hofrat oder einem Minister die Rede ist, wenn der Beruf von einer Frau ausgeübt wird oder der Titel einer Frau zusteht.
Artikel 7 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) gibt mir und den Frauen das Recht, Amtsbezeichnungen, Titel, akademische Grade und Berufsbezeichnungen weiblich zu führen. Ich und viele Frauen wollen dieses Recht in Anspruch nehmen. Dabei unterstützen uns im Bundesdienst das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz und die darauf basierenden Frauenförderungspläne. Die weiblichen Regierungsmitglieder verstehen sich selbstverständlich als Frau Ministerin und unterschreiben auch als solche. Zu einer Frau Bundeskanzlerin haben wir es in Österreich noch nicht gebracht, aber in Deutschland ist die Kanzlerin eine Selbstverständlichkeit.
Warum, Herr Professor Liessmann, wird eine Berufsbezeichnung erst dann weiblich sein können, wenn der Beruf überwiegend von Frauen ausgeübt wird (Profil 31/2014)? Damit sich Männer in den wichtigen männlichen Berufen und Funktionen weiterhin abgrenzen können? Warum gibt es in den Vorzimmern keine Sekretäre, sondern Sekretärinnen? Eine zuarbeitende, untergeordnete Tätigkeit, die überwiegend von Frauen verrichtet wird, kann weiblich benannt sein. Eine Frau, die es auch in die Funktion eines Sekretärs – denn die ist ja im Gegensatz zur Sekretärin überwiegend männlich besetzt und bedeutet auch Macht – geschafft hat, will dann natürlich nicht mit einer Sekretärin gleichgesetzt werden. Männern, die eher weibliche Berufe ergreifen, wird aber nicht die weibliche Form zugemutet. Als die ersten Männer Kindergärtnerinnen wurden, gab es gleich den Kindergärtner, denn als Kindergärtnerin fühlt sich ein Mann nicht angesprochen. Heute sind sie Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenpädagogen. Professor Liessmann will auch keine Philosophin sein. Also bleiben wir solange beim generischen Maskulinum, meinen die Frauen einfach mit und zeigen, dass die männliche Form über der weiblichen steht, natürlich nur aus sprachästhetischen Gründen.
Schon 2011 wurde versucht eine ÖNORM zu entwickeln, weil die Sprache von Feministinnen aus einer eindeutig politischen Richtung beeinflusst wird und um dem Genderwahn, dem staatlich verordneten Unsinn, dem pädagogischen Verbrechen, der Nicht-Lesbarkeit und der Verunsicherung im Bildungsbereich Einhalt zu gebieten. Denn die Frau Professorin ist eine Albernheit, die Doktorin ein Sprachwahnsinn und das Binnen-I eine Sprachzerstörung. Damals wie heute wurde und wird bedauert, dass die Feministinnen soviel Energie in diese Diskussion stecken, wo sie sich doch um die gravierenderen Probleme, wie die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern, die geringeren Aufstiegschancen von Frauen oder deren Doppel- und Dreifachbelastung kümmern sollten.
Das tun wir mit sehr viel Energie natürlich auch, aber dabei haben uns leider noch keine 800 Unterschriften von Expertinnen und Experten, Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, Lehrerinnen und Lehrern, Unternehmerinnen und Unternehmern oder Journalistinnen und Journalisten unterstützt, die diese Ungerechtigkeiten in einem offenen Brief angeprangert und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer eingefordert hätten!
Nein, die Töchter in der Bundeshymne und die weiblichen Sprachformen erhitzen die Gemüter. Professor Liessmann geht nur zu weiblichen Ärzten. Hätte er Ärztinnen gesagt, wäre der Text doch kürzer gewesen. Professor Heinz Mayer zitiert im Fernsehen (ZiB 2, 15. 7. 2014) ausgerechnet das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz als besonders unverständlich, nur weil darin von der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzler und der Bundesministerin oder dem Bundesminister die Rede ist. Was ist daran nicht zu verstehen? Das Gebot der sprachlichen Gleichbehandlung in diesem Gesetz wird ihm nicht fremd sein und als Rechtsprofessor sind ihm sicher unverständliche Gesetzesstellen bekannt, die keinen Genderbezug haben. Zum Argument, dass die weiblichen Sprachformen hohe Verwaltungskosten durch längere Schreibweisen verursachen, muss auf Artikel 13 Absatz 3 B-VG hingewiesen werden:
„Bund, Länder und Gemeinden haben bei der Haushaltführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben“.
Diese Staatszielbestimmung wird für den Bund durch die Wirkungsorientierung im Artikel 51 Absatz 8 B-VG noch bekräftigt:
„Bei der Haushaltsführung des Bundes sind die Grundsätze der Wirkungsorientierung insbesondere auch unter Berücksichtigung des Ziels der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, der Transparenz, der Effizienz und der möglichst getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Bundes zu beachten.“
Von der Öffentlichkeit und der Wissenschaft unbeachtet ist Gender Budgeting zum Bestandteil des Haushaltsrechts geworden. Eine geschlechtergerechte Sprache in Wort und Schrift ist ohne Zweifel auch ein wichtiger Beitrag zur Gleichstellung, auch wenn viele Frauen wie Chris Lohner, das nicht so sehen wollen. Ihnen sei gesagt, dass auch sie ihr Wahlrecht nur deshalb ausüben können, weil sie auf den Schultern jener Frauen stehen, die sich dafür unter Überwindung großer Widerstände und weiblicher Gegnerinnen eingesetzt haben, da das Wahlrecht damals vielen Frauen auch kein Bedürfnis war. Heute trifft dies auf die Gegnerinnen einer Frauenquote zu. Sie stehen auf den Schultern der Befürworterinnen, denn ohne den Druck, auch qualifizierte Frauen in Führungspositionen zu heben, wären sie nicht in ihren Funktionen. Natürlich sind sie alle Quotenfrauen, wie alle Männer im Bundesdienst auch Quotenmänner sind, sonst könnte die 50%-Quote nicht berechnet werden. LGBT-Personen müssen sich für diese Berechnung einem Geschlecht zuzählen lassen. Rektorin Blimlinger hat eine Sichtbarmachung durch eine besondere Schreibweise auch für diese Personen verfügt. Warum, Frau Schwaiger, ist das ein bisschen verrückt (Profil 31/2014)? Die Österreicherin Conchita Wurst hat mit ihrem Siegerlied beim Song Contest international große Anerkennung gewonnen.
Offensichtlich haben nach Ansicht von Gegnerinnen und Gegnern einer gendergerechten Sprache und der Töchter in der Bundeshymne weder die Gesetz- oder Verordnungsgebung noch die Bundes-Verfassung das Recht, die Frauen in der Sprache und in Texten sichtbar zu machen und eine geschlechtergerechte Sprache zu entwickeln oder zu verordnen, denn die Realität schafft Sprache und die Sprache entwickelt sich außerhalb jeglicher Regelungskompetenz.
Im Gegensatz dazu soll es aber eine ÖNORM zur Sprachregelung geben, die genau von jenen Personen entworfen wird, die den Gesetzgebenden oder Verordnungsbefugten eine Regelung dafür abspricht.
Sind wir Frauen, die wir die Einhaltung der Gesetze und die per Verfassung zugestandene Gleichstellung mit den Männern auch in der Sprache einfordern, keine Realität? Warum darf das Bundesgesetz über die Bundeshymne der Republik Österreich öffentlich so negiert werden?
Zur Einhaltung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichstellung auch in der Sprache und zur Einhaltung des Bundesgesetzes über die Bundeshymne der Republik Österreich hätte ich mir klare Worte sowohl vom Herrn Bundespräsidenten, Mitgliedern der Bundesregierung und dem Bürgermeister der Stadt Wien erwartet.