Rückblick auf einen interessanten, informativen und dabei humorigen Vortrag mit Dr. Walther Leeb. Er ist Rechtsanwalt und etlichen Purkersdorfer*innen von seiner Tätigkeit als Mietrechtsberater bereits bekannt. An diesem Abend bot er zuerst einen historischen Rückblick auf die Entwicklung des Mietrechtsgesetztes. Das ja ein sehr junges Gesetz ist und trotzdem bereits etliche Novellen und Rückschläge erfahren hat:
Heute ist das Mietrecht ein weitreichendes Thema, geregelt in einer Mehrzahl von Gesetzen. Fände unsere Veranstaltung nicht aktuell statt, sondern im November 1913, ich könnte Sie kaum zehn Minuten unterhalten. Denn durch mehr als hundert Jahre hindurch haben auf dem Gebiet des Wohnensausschließlich die Regeln des am 1. Jänner 1812 in Kraft getretenen ABGB gegolten. Und diese waren äußerst dürftig. Von einem Kündigungsschutz ist hier etwa keine Rede. Ebenso ist dort der Höhe des Mietzinses – vom Wucher abgesehen – keine Grenze gesetzt, es bestimmte “der Markt” das Geschehen.
Bina Aicher, Walther Leeb, Christiane Maringer, Josef Baum beim Diskussionsabend in der Pizzeria zum Dorfwirt.
Das Ergebnis im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist bekannt: In engen Zinskasernen wohnten die Menschen unter schlechtesten hygienischen Bedingungen auf engstem Raum – mit allen negativen Auswirkungen.
Während des ersten Weltkrieges, in den Jahren 1917 und 1918, als sich vor allem Frauen, deren Männer eingezogen oder gefallen waren, die Miete nicht mehr leisten konnten und viele Familien von der Delogierung und Obdachlosigkeit bedroht waren, sind – im Rahmen von Mieterschutzverordnungen – die ersten mietzinsrechtlichen Maßnahmen ergriffen und Höchstsätze für bestimmte Gebiete festgesetzt worden.
Im Dezember 1922 hat dann der Nationalrat der jungen Republik das Mietengesetz erlassen, welches bis zum 31. Dezember 1981 in Geltung stehen sollte und im wesentlichen sogar gegolten hat, als Österreich als selbstständiger Staat zu bestehen aufgehört hatte. Mit diesem Gesetz ist das geschaffen worden, was wir heute unter dem Begriff „Mieterschutz“ verstehen. Mietverhältnisse konnten von Seiten des Vermieters nur unter bestimmten Voraussetzungen beendet werden, die Mietzinshöhe war streng limitiert. Dieser Grundsatz gilt auch für das Mietrechtsgesetz, das 1982 das Mietengesetz abgelöst hat und hält sich bis zu seiner derzeitigen Fassung – wenngleich keineswegs lückenlos – in der Form von Mietzinsobergrenzen und dem Richtwertmietzins.
Novellierunges des Mietgesetzes
Der 1922 eingeführte, umfassende Kündigungsschutz gilt bis heute, allerdings mit einigen, nicht unwesentlichen Abstrichen. Ergilt zum Beispiel nicht bei der Vermietung von neu errichteten Eigentumswohnungen, für die keine Förderungsmittel in Anspruch genommen worden sind. Hier ist jede Befristung und auch jede Mietzinshöhe (vom Wucher abgesehen) möglich. Man sollte somit bedenken, daß das Mietverhältnis nach Ablauf der Vertragsdauer höchstwahrscheinlich wirklich aus ist und dann wieder Übersiedlungskosten, Maklergebühren, Rechtsgeschäftsgebühren … auf einen zukommen. Es ist für den Mieter/die Mieterin besonders wichtig, sich den Vertragstext genauest durchzulesen; andernfalls droht z.B. auch, die Wohnung beim Auszug wieder ausmalen zu müssen oder ähnliches.
Die deutliche Beschränkung der möglichen Einkünfte aus Mieten hatte auch die – durchaus gewünschte – Wirkung, daß die private Bautätigkeit, die vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges äußerst lukrativ gewesen war, ziemlich unrentabel wurde. Vorher wertvolles Bauland verlor dadurch gewaltig an Wert (oft um bis zu neunzig Prozent!) und wurde damit billiger. Das war vor allem für die Gemeinden, die sich dem sozialen Wohnbau verschrieben haben, günstig, sind sie doch dadurch kostengünstig zu Grundstücken gekommen. So konnte beispielsweise die Gemeinde Wien in den Jahren 1919 bis 1934 377 Wohnhausanlagen mit mehr als sechzigtausend Wohnungen errichten! Nicht unwesentlich war dabei auch, daß die Stadt Wien ihr Wohnbauprogramm nicht durch Anleihen, sondern durch Steuereinnahmen finanzierte. Sie hat sich also mit ihrem Wohnbauprogramm – ganz im Unterschied zum kommunalen Wohnbau der letzten Jahre und Jahrzehnte –, nicht verschuldet, sondern das Geld bei den Unternehmen, die es sich leisten konnten, geholt.
Was können wir heute von einem kommunalen Wohnbau im Geiste des „Roten Wien“ und der damaligen Politik lernen?
In den Medien wird seit Jahren – durchaus zu Recht – beklagt, daß die Mieten immer teurer werden und für viele Menschen nicht mehr leistbar sind. Nicht selten muss das halbe Familieneinkommen für das Wohnen aufgewendet werden. Die Ursachen hiefür sind mannigfaltig. Etwa der Anstieg der Betriebskosten, was zu einem Gutteil auf die Erhöhung kommunaler Tarife zurückzuführen ist. Würden die Gemeinden nicht laufend die Gebühren für Wasser und Abwasser erhöhen, wäre schon viel gemacht *). Auch ist nicht einzusehen, warum die Vermieter die Grundsteuer und die Verwaltungskosten auf die Mieter überwälzen kann. Schließlich sind das Ausgaben, die der Sicherung der Einkünfte der Vermieter*innen dienen!
Während man als Einzelner gegen diese Kostenlawine machtlos ist, kann man durch jährliche Überprüfung der Betriebskostenabrechnung doch manches erreichen. Es kommt nämlich gar nicht selten vor, daß unter “Betriebskosten” Maßnahmen verrechnet werden, deren Kosten vom Gesetz her aus der Hauptmietzinsreserve zu tragen sind.
Ein weiterer immer mehr in den Vordergrund tretender Kostenfaktor sind die Heizkosten. Auch hier werden die Lösungen wohl aber auf politischem Wege zu erzielen sein als in punktuellen Maßnahmen, wie dem Energiesparen oder besserer Wärmeschutzmaßnahmen.
Basis für den sozialen Wohnbau: Die Breitnersteuer
Generell muß allerdings gesagt werden, daß die eigentliche Ursache steigender Wohnungskosten darin gelegen ist, daß Wohnraum eine knappe Ware ist. Solange es weit weniger Wohnungen gibt als tatsächlich gebraucht werden, können alle Maßnahmen zur Kostendämmung wie zum Beispiel die Abschaffung des Richtwertgesetzes und Wiedereinführung der Mietzinsobergrenzen nur Kosmetik sein. Eine umfassende Lösung kann nur in einer Rückkehr zumkommunalen Wohnbau bestehen. Die Wohnbauförderung gehört beträchtlich aufgestockt. Die Aufbringung der Mittel muss in einer Relation zur wirtschaftlichen Leistungskraft des Steuerzahlers/der Steuerzahlerin stehen. Der Staat darf sich nicht scheuen, diejenigen entsprechend zu besteuern, die über entsprechende Einkünfte und Vermögen verfügen. Als gutes Beispiel sei da auf die sogenannte Breitner-Steuer im “Roten Wien” hingewiesen, deren Einkünfte die Basis für den sozialen Wohnbau war.
Und: Die Länder müssen gezwungen werden, die ihnen unter dem Titel Wohnbauförderung zugewiesenen Mittel auch tatsächlich zurSchaffung von Wohnraum (und nicht etwa Fußballstadien) zu verwenden. Wohnbau muss wieder eine Agenda der öffentlichen Hand werden – und nicht vonWohnbauorganisationen. Denn auch diese haben sich verselbstständigt, sind auf Gewinn orientiert und stehen mit ihrem aufgeblähtem Apparat machtlosen Mieter*innen gegenüber. Ein vermehrter Wohnbau durch die öffentliche Handwürde Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft schaffen, preisdämpfend wirken und damit die Kaufkraft stärken. Um einem solchen Eingriff in den Markt ist offenbar keine der derzeitigen Parlamentsparteien bemüht.
Praxisfragen
Walter Leeb hat anschließend jede Menge Praxisfragen selbst eingebracht beziehungsweise ist auf die Anliegen aus dem Publikum äußerst kompteten und verständlich eingegangen. Etwa was bei Abschluß eines Vertrages zu beachten ist; dass bereis ein unterschriebenes Anbot gegenüber einem Makler ein bindender, Rechtlich einklagbarer Vertrag ist, sobald das Gegenüber das Anbot annimmt; schließlich, dass auch tatsächlich alles, was einem selbst wichtig ist, schriftlich festgehalten werden muss; mit welchenNebenkosten, die Insumme etwa zehn Prozent betragen, bei einem Kauf einer Immobilie zu rechnen ist; bis hin zu Fragen, welche Zustimmungen man bei Renovierungsarbeiten in der Mietwohnung benötigt …
Zusammenfassung des Referats von Dr. Walther Leeb,Christiane Maringer
maringer@reizwort.at
Aus: Purkersdorfer Informationen 4/2013
*) Purkersdorf erhöht etwa 2014 die Kanalgebühren